Die Düngung einer Kultur ist nicht nur für den Ertrag entscheidend, sondern auch für die Gesundheit des Bestands. «Ist der Boden gut ernährt, sind es auch Pflanzen, Tiere und Menschen», gibt Andreas Chervet zu bedenken. Der Agronom von der Fachstelle Boden des Kantons Bern ist überzeugt, dass sich über die Düngung viel für gesunde und robuste Kulturen machen lässt. Damit wird aus der reinen Nährstoffversorgung ein robustes Werkzeug, um die Ernte vor Krankheiten und Schädlingen zu schützen.
Genug Spurenelemente
Schweizer Böden gelten als generell ausreichend mit Spurenelementen (Bor, Kupfer, Mangan, Molybdän und Zink) versorgt, und Hofdünger sind eine hinreichende Quelle dafür. Blattdünger können zur Korrektur oder Überbrückung von Phasen mit schlechter Pflanzenverfügbarkeit (Kälte, Nässe) dienen. «Grundsätzlich werden Pflanzen via Boden ernährt», hält Andreas Chervet fest. Chemische Bodenproben erlauben einen Blick auf den gedeckten Tisch und die Vorratskammer, die für die Kulturen bereitstehen. Wie gut beides bestückt ist, hängt von der jeweiligen Düngungsstrategie ab.
Gemäss ÖLN sind alle zehn Jahre Laborbodenproben auf landwirtschaftlich genutzten Flächen durchzuführen. «Ich würde es einmal pro Fruchtfolgeperiode empfehlen, generell etwa alle sechs bis sieben Jahre», sagt Andreas Chervet. Ideal sei eine Probenahme im Ackerbau vor Anlegen einer Kunstwiese. Das gebe einen Eindruck von der Nährstoffversorgung des Bodens bzw. dessen Fruchtbarkeit. Und man könne abschätzen, wie sich die während der Ackerkulturen umgesetzte Düngungsstrategie auswirkt, bevor grössere Güllegaben auf der Kunstwiese das Ergebnis beeinflussen.
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Verfügbarkeit dank gutem pH
Neben dem passenden Zeitpunkt für die Bodenprobe stellt sich die Frage, welche Messungen sinnvoll sind. Die Standard-ÖLN-Probe verlangt für Ackerböden pH, Phosphor, Kalium, Bodenart und organische Substanz. Aber auch eine Kalk- bzw. Kalziummessung kann aufschlussreich sein, wie Andreas Chervet erläutert.
Im hiesigen Klima müsse via Düngung nicht nur ausgeglichen werden, was die Ernte dem Boden an Nährstoffen entzieht, so der Fachmann: «Zu berücksichtigen ist auch die natürliche Auswaschung ins Grundwasser durch Niederschläge.» Beispielsweise werde Kalzium ausgewaschen, was regelmässiges Aufkalken nötig mache. Kalk (CaCO3) liefert Kalzium und hebt gleichzeitig den pH-Wert bzw. wirkt dessen Senkung entgegen (Pufferwirkung). Am besten lasse man in einer Bodenprobe beides analysieren, rät Chervet. «Der pH-Wert im Boden sollte dorthin gebracht werden, wo kein Kalzium mehr im Kalk gebunden vorliegt. Das ist etwa bei pH 6,5 der Fall», so der Fachmann. Bei diesem pH-Wert seien alle wichtigen Nährstoffe – u. a. auch Phosphor – gut pflanzenverfügbar.
Brücken bauen bildet Krümel
Kalk kann die versauernde, also pH-senkende Wirkung von Stickstoffdüngern und der Aktivität von Pflanzenwurzeln sowie von Mikroorganismen bis etwa pH 6 puffern. Darunter werden statt des Kalziums andere Nährstoffe ausgewaschen. «Um pH 5,5 bis 4,5 ist es heikel, denn eine weitere Versauerung passiert bei diesem pH-Wert sehr schnell», beschreibt Andreas Chervet. Aber Kalzium ist auch als Bodenverbesserer bekannt, da es die Bildung einer stabilen Krümelstruktur unterstützt. Kalzium baut Brücken zwischen Ton- und Humusteilchen; das Resultat sind Krümel. Dazwischen liegen Poren, die für Luftzufuhr sorgen und Regenwasser ableiten. Diese Bedingungen ermöglichen ein aktives Bodenleben, das andere Nährstoffe wie Phosphor und Schwefel mineralisiert und den Pflanzen zur Verfügung stellt.
Ein intaktes Bodengefüge ist die physikalische Voraussetzung für eine gute Ernährung der Pflanze. Einerseits, weil es für ein aktives Bodenleben sorgt, und andererseits, weil davon die Verfügbarkeit positiv geladener Nährstoffe abhängt. An Ton-Humus-Komplexen lagern sich diese Nährstoffe an und können via Wurzeln aufgenommen werden. Wie viele solche «Andockstellen» ein Boden bietet, misst die Kationenaustauschkapazität (KAK). Diese Andockstellen könne man sich wie Fleischerhaken vorstellen, meint Andreas Chervet. Pflanzenwurzeln wären – um bei diesem Bild zu bleiben – wie der ausgestreckte Arm, der nach den Nährstoffen an den Fleischerhaken greift. Was es noch braucht, ist Wasser, das quasi als Hand fungiert und die Nährstoffe vom Haken pflückt.
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Am Haken statt ausgewaschen
Eine grössere Anzahl Ton-Humus-Komplexe – spricht ein ausgewogenes Verhältnis von Ton zu Humus – erhöht die Fruchtbarkeit des Bodens: Die KAK steigt, es stehen mehr Fleischerhaken zur Verfügung, die mit Nährstoffen beladen werden können. Was an den Haken hängt, wird nicht ausgewaschen, sondern steht Pflanzenwurzeln bei ausreichender Wasserversorgung zur Verfügung.
Ergänzend zur KAK gibt die Basensättigung Auskunft darüber, welche Nährstoffe an den Fleischerhaken hängen – namentlich jeweils die Menge Kalzium (Ca 2+), Magnesium (Mg 2+), Kalium (K+), Wasserstoff (H+) und Natrium (Na+). Eine gute Belegung umfasst relativ viel Kalzium (gut für die Bodenstruktur), aber nicht zu viel H+ (Zeichen für Versauerung, zu tiefer pH) oder ein Zuviel eines anderen Nährstoffs (Zeichen für Überdüngung). «Tritt eine massive Überdüngung ein, werden Nährstoffe in zu grosser Menge zum Gift», ergänzt Andreas Chervet.
Der pH-Wert ist nichts anderes als ein Mass für die vorhandenen H+-Teilchen – ist er tief, hat es viel H+ im Boden, die an den Fleischerhaken Nährstoffe verdrängen können. Daher rührt der Zusammenhang zwischen pH und KAK.
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Verhältnisse im Blick
Die Grud (Grundlagen für die Düngung), das Standardwerk von Agroscope, betrachtet jeden Nährstoff einzeln und gleicht den Nährstoffentzug durch Ernte sowie Auswaschung aus. Im Gegensatz dazu berücksichtigt die Düngung nach Kinsey das Verhältnis der Nährstoffe im Boden (wie viel hängt wovon an den Fleischerhaken). Daher ist die Basensättigung bei dieser Düngestrategie zentral. «Kinsey definiert das angestrebte Verhältnis Ca:Mg:K als 68:12:4», erklärt Andreas Chervet. Die Begründung dafür liegt im Zusammenspiel dieser Nährstoffe bzw. den Bedürfnissen von Kulturpflanzen: Es braucht ausreichend Kalzium (auch als Brücke zwischen Ton- und Humusteilchen und damit für die Krümelstruktur) und auch Magnesium (etwa für den Aufbau von Chlorophyll).
Kommt aber zu viel Kalzium im Boden vor, bleibt kein Fleischerhaken mehr frei für andere Nährstoffe, z. B. Kalium, das in der Folge ausgewaschen wird. Es entsteht ein K-Mangel, in der Pflanze äussert sich das etwa durch einen gestörten Wasserhaushalt und Welken. Böden mit zu viel Kalzium werden allzu porös und durchlässig, ein Übergewicht an Magnesium erschwert die Bearbeitung durch starke Wasseraufnahme (glitschig) bzw. starke Rissbildung.
Gesamtpaket Hofdünger
«Die Kinsey-Methode beruht darauf, gezielt Nährstoffe zu düngen und andere auswaschen zu lassen, um das optimale Verhältnis zu erreichen», fasst Chervet zusammen. Er findet die nach Kinsey angestrebten Verhältnisse «plausibel und nachvollziehbar» und hat jahrelang auf dem Oberacker in Zollikofen BE die Düngung nach Grud und Kinsey auf einer Versuchsfläche verglichen. Die Auswertung seiner Versuchsdaten laufe zwar noch, aber für Chervet steht bereits fest: «Mein Herz spricht für Kinsey, mein Verstand für die Grud.» Das liege daran, dass sich Kinsey auf dem typischen gemischten Schweizer Betrieb schwer umsetzen lasse. Denn mit Hofdüngern gelangt ein Gesamtpaket von Nährstoffen auf die Flächen, an dessen Gehalten sich kaum schrauben lässt. Daher sei Kinsey ideal geeignet für viehlose oder vieharme Acker-, Obst- und Gemüsebaubetriebe.
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Jenseits von Kinsey oder Grud
Ein Nachteil bei Kinsey sei die Untersuchung der Bodenproben in den USA, was teurer ist und mehr Zeit in Anspruch nimmt. Einen wichtigen Schritt für eine verbesserte Düngung sieht Andreas Chervet aber jenseits der Frage Kinsey oder Grud, zumal Letztere gerade überarbeitet wird.
Für den Bodenkundler sollte die heute übliche, eher willkürliche Misch-Bodenprobennahme in Zukunft durch georeferenziertes Probenstechen ersetzt werden, um den teilweise sehr heterogenen Böden auf den Schlägen teilflächenspezifisch Rechnung zu tragen. Doch diese Beprobung und die darauf basierende teilflächenspezifische Düngung steckt noch in den Kinderschuhen. Chervet geht allerdings davon aus, dass die Zusammenarbeit von Bodenkundlern mit interessierten Landwirtschaftsbetrieben in den nächsten Jahren Fortschritte bringen wird.
Stickstoffgaben anpassen
Analysen des Gehalts mineralischen Stickstoffs im Boden (Nmin) sind im Gegensatz zur Bestimmung anderer Nährstoffe Momentaufnahmen für die Bemessung von Stickstoffdüngergaben. Dies im Gegensatz zu umfassenden Bodenproben (siehe Haupttext), die zur Überprüfung der (Grund)Düngungsstrategie dienen.
«Stickstoff ist wie ein Terrorist: Man weiss nie, wo er ist», sagt Andreas Chervet. Das ist zwar politisch nicht ganz korrekt, zeigt das Problem aber anschaulich: Stickstoff kann in verschiedenen Formen im Boden, in der Luft oder im Wasser vorkommen. Eine Nmin-Messung kurz vor dem Düngungstermin erlaubt es, die nächste Gabe an die aktuell pflanzenverfügbare Menge anzupassen. «Die Nmin-Methode gilt als erfolgreich, wenn Stickstoffdünger-Einsparungen gegenüber der ertragskorrigierten Normdüngung bei gleichem Ertragsniveau und gleicher Produktqualität erzielt werden», schreibt Agroscope in einem Merkblatt. jsc
Merkblatt von Agroscope:www.agroscope.ch/naehrstoffverluste


