Gudrun Schwilch vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) vertrat an der Fachtagung Pflanzenkohle eine schwierige Meinung. «Schweizer Böden brauchen keine Pflanzenkohle», so der Standpunkt des Bafu und kantonaler Bodenschutz-Fachleute. Das Beispiel der Terra Preta, die in den Tropen zur Bodenaufwertung verwendet worden ist, liess Schwilch nicht gelten. Die dortigen Böden seien ganz anders als die hiesigen. Bedenken haben die Ämter insbesondere hinsichtlich Schadstoffen und Langzeit-Effekten.
Zertifizierung schützt
Vor einem Schadstoffeintrag in den Boden schützt beim Kauf von Pflanzenkohle das European Biochar Certificate (ECB). Wie Julia Winter von Carbon Standards International ausführte, umfasst diese Zertifizierung neben Schadstofffreiheit auch die nachhaltige Produktion der Kohle sowie Arbeits- und Anwenderschutz.
«Kohle kommt natürlich im Boden vor.»
Nikolas Hagemann, Agroscope, über alte Pflanzenkohle.
Holz hätte es genug
In der Schweizer Landwirtschaft darf nur Pflanzenkohle aus naturbelassenem Holz eingesetzt werden. Von diesem Rohstoff gebe es genug, ist Andreas Keel, Geschäftsleiter von Holzenergie Schweiz, sicher. Wegen fehlender Erschliessung, Fachkräftemangel und tiefen Preise werde momentan nur etwa die Hälfte des jährlichen Holzzuwachses genutzt. Aus Sicht der Nachhaltigkeit sollte das Verbrennen am Ende der Nutzung stehen, Holz zuerst verbaut oder für Möbel verwendet werden. Keel sieht diese Kaskadennutzung in Gefahr, denn die Zahlbereitschaft für Energieholz steige stark. Holzenergie Schweiz hat daher andere Ausgangsmaterialien für die Pyrolyse auf dem Radar und geht damit einig mit Agroscope-Forscher Nikolas Hagemann. Möglich wären z. B. Trester, Getreidespelzen oder Pressrückstände. Ausserdem gibt es Versuche, mit Plastikresten verunreinigten Kompost auf diese Weise nutzbar zu machen.
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An den vom Bafu kritisierten Wissenslücken wird geforscht, wie Nikolas Hagemann erläuterte. Übersichtsstudien seien aber mit Vorsicht zu geniessen, «darin stecken sowohl kluge als auch dumme Anwendungen von Pflanzenkohle».
Unrealistische Mengen
Ausserdem kämen zum Teil unrealistisch grosse Mengen Kohle zum Einsatz, wenn Mechanismen untersucht werden. An sich sei Pflanzenkohle ein natürlicher Bestandteil von Böden, der einst bei Waldbränden entstand und auch in der Schweiz gebe es mehrere Tonnen pro Hektare davon im Untergrund. Zur Klimaanpassung müsse die Kohle aber immer mit anderen Massnahmen wie einer Tiefenlockerung, Flächenrotte nach Winterbegrünung, Mulchsystemen oder Agroforst kombiniert werden, so Hagemann.
Die Pyrolyse heitzt vier Wohnungen
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Dank seiner PyroFarm konnte Michael Kipfer zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. «Wir hatten eine veraltete Schnitzelheizung und wollten unsere Böden verbessern», erklärt der Biolandwirt aus Stettlen BE. Sein Betrieb Biohofacker befinde sich auf einer Gletscher-Seitenmoräne, wo der Boden nährstoffarm ist.
Wöchentlich in die Boxen
«Beim klassischen Verbrennen von Holz verpufft das in den Bäumen gespeicherte CO2 in die Luft», gibt Michael Kipfer zu bedenken. Seit 2021 heizt er zwei Häuser (vier Wohnungen) mit der eigenen Pyrolyseanlage – bei sehr guten Abgaswerten und keiner Verunreinigung der Kohle mit Schadstoffen, wie Kipfer betont. Verkohlt wird eigenes Holz, die Kohle in einer alten Haferquetsche zerkleinert und v. a. im Stall verstreut: täglich in den Laufgängen und wöchentlich in die Liegeboxen der 13 Mutterkühe. «Unsere Kälber haben nun weder Durchfall noch Lungenentzündungen, es stinkt nicht mehr und die Nährstoffe der Gülle sind besser pflanzenverfügbar», sagt Kipfer. Die Gülle bringt er im Grünland aus, der Mist wird am Haufen auf dem Mistplatz ein Jahr lang gemischt mit EM und Biolith anaerob vergoren, um dann per Streuer auf die Äcker mit Quinoa, Saatkartoffeln, Speisehafer und Weizen zu kommen. «Die letzten zwei Jahren hatten wir nie Schorf an den Kartoffeln – vielleicht wegen der Pflanzenkohle», mutmasst der Landwirt.
Kipfers PyroFarm ist ein Prototyp, die Anlage arbeitet batchweise und stellt aus 90 kg Holz 18 kg Pflanzenkohle her. Es bleibe etwa die Hälfte des im Holz gebundenen CO2 dauerhaft der Atmosphäre entzogen – PyroFarm sei damit eine klimapositive Heizung.
Zwei Minuten pro Tag
«Im Sommer läuft die Anlage etwa jeden dritten Tag vier bis fünf Stunden für Warmwasser», so Kipfer. Jährlich resultieren etwa 6,5 t Pflanzenkohle. Das Ausstreuen ist ein Mehraufwand, dafür liessen sich Tierarztkosten sparen und die Kohle verteilt sich gut in der Gülle.
Heute ist die PyroFarm ausgreift und auf dem Markt. Die Basler Hersteller-Firma Pyronet GmbH empfiehlt sie v. a. für Höfe mit Zugang zu eigener Biomasse bei gleichzeitigem Heizwärmebedarf.
Weitere Informationen: www.pryonet.ch
In die Gründüngungen ausbringen
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«Bei uns muss es praktisch funktionieren», stellt Sven Studer von der Jucker Farm AG klar. Die Farm setzt auf Regenerative Landwirtschaft und kauft Pflanzenkohle. Daraus wird mit Mist, Biolith und EM per Kompoststreuer eine Miete.
Anaerob vergärt
Diese wird flachgewalzt und für die anaerobe Vergärung während 6 bis 8 Wochen dick mit Kompost zugedeckt. «Anaerob ist für uns einfacher, weil wir keine Maschinen fürs Umlagern haben», sagt der Landwirt. Da das Material mit der auf der Jucker Farm verfügbaren Technik nicht optimal verteilt werden könne, setzt es Studer v. a. in Gründüngungen ein. Dort sei eine ungleichmässige Verteilung weniger schlimm als in einer Kultur. So folgt z. B. nach der Spargelernte die hausgemachte Terra Preta und dann die Saat einer Gründüngung.
Nicht nur obendrauf
Mit jährlich 25 t auf 120 ha (u. a. Getreide, Kürbisse, Kichererbsen) sei die Menge «verschwindend klein», meint Studer. Er ist vorsichtig zum alleinigen Effekt der Kohle. «Das ist nur ein winziger Teil der Lösung.» Der Landwirt schildert, wie 2022 eine Gründüngung nach Körnermais nur 6 cm hoch wurde, aber unterarmlange Wurzeln hatte. «Schaut in den Boden, nicht nur darauf», so sein Appell.
Gesunde Legehennen und schöne Eier
Wenn Pflanzenkohle in der Tierhaltung eingesetzt wird, ist meist von Rindvieh die Rede. «Wir machen seit eineinhalb Jahren gute Erfahrungen bei Legehennen», sagt Tobias von Rotz. Auf dem Wandelen Hof in Kerns OW ist er mit seiner Partnerin für den Betriebszweig Hühner zuständig und stellt den Tieren zugekaufte Pflanzenkohle ad libitum zur Verfügung. «Wenn die Anzahl unförmiger oder optisch unschöner Eier steigt, ist meist der Vorratskübel mit Pflanzenkohle leer», schildert der Landwirt. Krankheitsprobleme seien bis jetzt keine aufgetreten und Eileiterentzündungen in der letzten Legeperiode bei nur einem Huhn. «Das spricht klar für Kohle, es zahlt sich aus», ist von Rotz überzeugt.
Gute Dotterfarbe
Im Ausland gab es in diesem Zusammenhang z. T. Probleme mit der Dotterfarbe, da die Pflanzenkohle das Beta-Carotin aus dem Futter an sich band und der Farbstoff somit in den Eiern fehlte. Tobias von Rotz macht gegenteilige Erfahrungen. «Wir haben aber auch nicht Tausende Legehennen, sondern 350 Tiere in einem Mobilstall.» So holen sich die Tiere das Beta-Carotin von der Weide, die wöchentlich gewechselt wird. Die Abo-Kunden würden die Eier gar für ihre dunkle Dotterfarbe loben, bemerkt von Rotz.
Die Einstreu im Scharrraum trocken zu halten, sei für Mobilstallhalter v. a. im Winter herausfordernd. Dank der Pflanzenkohle, die der Landwirt in den Scharrraum streut, werden Feuchtigkeit und Ammoniak gebunden.
Weniger und trockener
Der Einsatz lohne sich, da so viel weniger Einstreu benötigt werde. Ausserdem bleibe das Material trocken, «und die Luftqualität im Stall ist erst noch viel besser», ergänzt Tobias von Rotz.
