Rund 20 Leute haben sich auf einem zugigen Hügel über Zollbrück BE um eine grosse Feuerschale versammelt. Und obwohl an einem schwenkbaren Arm ein Grillrost hängt, unterscheidet sich der Vorgang in der Schale klar von einem Lagerfeuer: Im Kon-Tiki läuft eine Pyrolyse.
Kohle statt Asche
«Wenn wir Holz hoch erhitzen, beginnt es auszugasen. Das heisst, die flüchtigeren Kohlestoffverbindungen darin treten aus und verbrennen in einer rauchlosen Flamme», erklärt Paul Walder, Präsident des Bioforums Schweiz. Glühender fester Kohlenstoff bleibe dabei als Glut zurück. Ist genug Sauerstoff vorhanden, verbrennt auch sie zu Asche. «Wir wollen aber Kohle, nicht Asche. Daher müssen wir dafür sorgen, dass die Kohle unter der Flamme keinen Sauerstoff bekommt», fährt Walder fort. Das gelingt etwa in einer Erdgrube oder einem Behälter.
Der Kon-Tiki ist so gebaut, dass von unten und der Seite keine Luft einströmen kann. Nur oben, im Bereich der brennenden Holzgase, ist das möglich. Die Flamme verbrauche den dortigen Sauerstoff vollständig und der darunterliegende Kohlenstoff bleibe geschützt, so Walder. Es geschieht eine sauerstoffreduzierte Verbrennung, die Pyrolyse. Die erwärmte Luft aus der doppelten Wand um die Schale schirmt das Feuer vor Zugluft ab.
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«Wir wollen am Ende Kohle, keine Asche.»
Paul Walder, Präsident Bioforum Schweiz über das Ziel der Pyrolyse.
Kein Rauch heisst Qualität
[IMG 3]Sobald die Holzscheiter weiss zu glühen beginnen, legt Johannes Rupp Holz nach, damit weiterhin nur Gas statt Kohlenstoff verbrennt. Der Bündner Bergbauer hat selbst einen Kon-Tiki zu Hause und zeigt die Handhabung im Rahmen der Veranstaltungsreihe «Carbon on Tour» des Bioforums auf verschiedenen Betrieben in der ganzen Schweiz.
Im Umkreis der mannshohen Feuerschale herrscht wohlige Wärme, im Innern steigen die Temperaturen über 600 Grad. Die züngelnden Flammen brennen ohne Rauch, lediglich Wasserdampf von der Restfeuchtigkeit im Holz steigt bisweilen auf. «Die Abwesenheit von Rauch ist ein Qualitätsmerkmal», hält Paul Walder fest.
CO2 über Jahrhunderte im Boden speichern
[IMG 4]Schon die Ureinwohner des Amazonasgebiets kannten den Wert der Pflanzenkohle, die sie mit Fäkalien und anderen Abfällen vermischten und zu Terra Preta (Schwarzerde) aufwerteten. Neben der verbesserten Bodenfruchtbarkeit ist die Kohle eine Möglichkeit, Kohlenstoff über Jahrhunderte zu speichern. Diese Eigenschaft gewinnt im Zusammenhang mit dem Klimawandel an Bedeutung, da via Fotosynthese in pflanzliche Biomasse umgewandeltes CO2 auf diese Weise dauerhaft aus der Atmosphäre entzogen werden kann.
Den Ofen zum Holz führen statt umgekehrt
[IMG 5]«Der Vorteil des Kon-Tiki für die Pyrolyse gegenüber dem traditionellen Erdloch ist seine Mobilität: Er wird zum Holzdepot geführt und nicht umgekehrt», erläutert Walder. Zwar ist der Kon-Tiki teurer als ein Loch im Boden, die Pflanzenkohle-Herstellung damit ist aber erprobt. So liefert das Verfahren innerhalb eines Nachmittags (rund drei bis vier Stunden) etwa einen Kubikmeter Kohle, die nach bisherigen Untersuchungen laut Bioforum alle Ansprüche des Europäischen Pflanzenkohle-Zertifikats (EBC) erfüllt. Durch die offene Pyrolyse sei sichergestellt, dass der allergrösste Teil der Gase aus der Kohle getrieben und verbrannt wird, statt als teils toxische Stoffe in die Umwelt zu gelangen.
Von unten und oben löschen
[IMG 6]Ein für die Qualität der Kohle wichtiger Schritt ist das abschliessende Löschen der Glut. Der Kon-Tiki hat dafür unterhalb der Schale ein Rohr, durch das Wasser eingeleitet werden kann. Die Glut wird von unten her geflutet. Der in der heissen Kohle aufsteigende Wasserdampf sorgt für ein langsames Ablöschen der oberen Holzschichten und treibt allfällige kondensierte Substanzen aus den Poren. Die Kohle wird quasi durchgeputzt, die Poren werden geöffnet und es resultiert ein Material mit einer riesigen Oberfläche von über 300 m2/g.
Um auch die oberste Schicht zu löschen, braucht es Wasser von oben. Johannes Rupp verschwindet in einer Wolke aus Wasserdampf, als er mit einem Schlauch den Kon-Tiki abspritzt. Anschliessend wird das Wasser abgelassen.
Eigenes Material verwenden
[IMG 7]Abrupt ist die Wärme weg und der kühle Februarwind wieder deutlich spürbar. Mit einer Kurbel bringt Rupp die Feuerschale in eine vertikale Position, die tiefschwarze Kohle kommt zum Vorschein. Asche ist keine zu sehen, wenn auch die zuletzt aufgelegten Holzstücke z. T. nicht vollständig durchgekohlt sind. «Jetzt haben wir richtig viel Kohle», freut sich Gastgeberin Susanne Schütz. Sie schätzt das Material für den Einsatz im Garten, ihr Sohn Christian Schütz nutzt Pflanzenkohle auf dem Betrieb Vorder Birnbaum seit rund drei Jahren (siehe Kästen).
«Das könnte man auch verwenden, z. B. für Blattspritzungen. Es wirkt desinfizierend», meint Johannes Rupp zu den über 300 Liter Löschwasser, die auf den Mistplatz plätschern. Es ist erstaunlich klar, nur die ersten Liter sind trüb vom Schmutz aus dem Kon-Tiki.
Nur aufgeladen einsetzen
Sowohl Praktiker als auch das Bundesamt für Umwelt betonen, dass Pflanzenkohle für den Boden in der Regel nur «aufgeladen» eingesetzt werden sollte. Dazu eignet sich die Mischung mit Gülle, Kompost oder Bokashi. Bei letzteren beiden Optionen sei es zudem wichtig, die Kohle erst gegen Ende (letztes Drittel) des Reifeprozesses zuzugeben, damit nichts Unerwünschtes anstelle der Nährstoffe an der grossen Oberfläche andockt.
Schweinehalter schildert schlechte Erfahrung
Vom breiten Einsatz in der Tierhaltung wird – bis auf das Streuen auf den Laufgängen – generell abgeraten. Die Pflanzenkohle sei vielmehr als alternatives Notfallmittel zu sehen, um z. B. bei Kälber- oder Ferkeldurchfall Schadstoffe oder ungute Mikroorganismen aus dem Körper abzuführen. Ein Schweinehalter schilderte am Bioforum-Event, dass seine Tiere weniger vital und robust waren, nachdem er ohne Krankheitsindikation Pflanzenkohle verfüttert hatte. «Kohle ist selbst neutral, aber Heimat für vieles», fasst Paul Walder vom Bioforum zusammen. Als Bodenverbesserer soll sie Wasser und Nährstoffe im Boden speichern und für die Pflanzen verfügbar halten können.
Grosser Zeitaufwand als Nachteil
[IMG 8]Ein Nachteil des fahrbaren Meilers ist der zeitliche Aufwand. Während des Pyrolysevorgangs muss immer eine Person zur Überwachung anwesend sein, um rechtzeitig Holz nachzulegen. Dafür kann Material vom eigenen Betrieb verwendet werden, z. B. Ast- oder Rebschnitt. «Das Brenngut sollte nicht mehr als 30 Prozent Feuchtigkeit enthalten», führt Paul Walder aus. Somit eignet sich über den Sommer sonnengetrocknetes Holz vom letzten Herbstschnitt, um es im Winter zu pyrolysieren. Allzu fein sollte es nicht sein, damit im Kon-Tiki genug Raum bleibt für das Ausgasen und das Verbrennen der Gase. Als Richtwert gibt Walder mehr als Fingerdicke an. Die Feuerungsdauer unterscheidet sich je nach Ausgangsmaterial (Art, Stückigkeit und Wassergehalt).
Gefässe für die offene Pyrolyse gibt es von verschiedenen Herstellern und auch der Eigenbau aus alten Ölfässern kann gelingen. «Nach drei Feuerungen kann das Wandmaterial aber durch sein», gibt Paul Walder zu bedenken. Mit einem Anschaffungspreis von je nach Modell rund 6000 Franken bietet sich beim Kon-Tiki die überbetriebliche Nutzung an. Walder rät, sich bei Interesse an einem der Carbon-on-Tour-Anlässe zu informieren. Ausserdem sind kommunale und kantonale Vorschriften zu Feuern im Freien zu beachten, mancherorts gibt es eine Bewilligungspflicht.
Gute Kohle hört man
Zufrieden zerbröselt Johannes Rupp einen Kohlebrocken in seiner Hand. Gute Kohle sollte «chräschle», bemerkt er. Nun muss sie 1 bis 2 Tage an der Luft trocknen, dann kann sie nach Bedarf zerkleinert werden. Mit Nährstoffen und/oder Mikroorganismen aufgeladen, ist sie anschliessend bereit für den Einsatz als Siliermittel, im Garten, auf dem Feld oder im Kompost. Nicht aufgeladen kann sie als Futterzusatz bei Verdauungsstörungen oder saugend in Stallgängen bzw. in Einstreu dienen.
Weitere Informationen: www.bioforumschweiz.ch/carbon-on-tour-1
Behörden geben sich zurückhaltend und raten zur Vorsicht
«Durch ihre Eigenschaften kann Pflanzenkohle helfen, die Landwirtschaft an den Klimawandel anzupassen», halten die Autoren einer Agroscope-Studie von 2021 zum bisherigen Stand des Wissens fest. Ausserdem sei ein wichtiger Beitrag des Materials zur Erreichung der Schweizer Klimaziele möglich. Insbesondere geringere Lachgasemissionen aus landwirtschaftlich genutzten Böden seien von Bedeutung, da dieses Gas als besonders klimaschädlich gilt.
Auf Qualität achten
Bei all dem zu beachten sei eine gute Qualität der verwendeten Pflanzenkohle, für die es eine Zertifizierung gibt (European Biochar Certificate, EBC). Bei ausgewiesenem Bedarf Von Behördenseite gibt man sich eher zurückhaltend. So betont man in einem Faktenblatt des Bundesamts für Umwelt von 2023, aus Gründen des Bodenschutzes solle Pflanzenkohle nur eingesetzt werden, «wenn relevante Bodenparameter auf der Zielfläche bekannt sind und ein Bedarf bezüglich der Nährstoffverfügbarkeit oder des Wasserhaushalts ausgewiesen wurde».
Nicht weitflächig einsetzen
Ausserdem sei die Kohle nur in kleinen Raten auszubringen und nur naturbelassene Reststoffe zu pyrolysieren. Nach Erfahrungswerten solle die Menge mit 0,5 bis 2 t/ha eher klein sein und die Ausbringung (jährlich) wiederholt stattfinden, heisst es weiter. Nicht weitflächig Mit Verweis auf das Vorsorgeprinzip werde vorläufig vom weitflächigen Einsatz von Pflanzenkohle auf landwirtschaftlichen Böden abgeraten. Denn schädliche Auswirkungen z. B. auf Bodenlebewesen könnten bisher nicht ausgeschlossenwerden.
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