Auf der Schweizer Landwirtschaftsfläche soll vermehrt pflanzliche Nahrung für den Menschen angebaut werden, der Konsum von Milch und Fleisch dagegen soll sinken. So steht es im vom Bundesrat 2022 vorgelegten Bericht «Zukünftige Ausrichtung der Agrarpolitik»: «Auf ackerbaulich nutzbaren Böden werden prioritär Kulturen zur direkten menschlichen Ernährung angebaut.» Möglich machen sollen die Reduktion des Fleisch- und Milchkonsums pflanzliche Proteine, wie sie zur Herstellung von veganen Ersatzprodukten wie Hafermilch, Burgern aus Bohnen oder Geschnetzeltem aus Soja und Weizeneiweiss benötigt werden.
Mengen fehlen
Derzeit wird die Nachfrage nach pflanzlichen Proteinen hauptsächlich über den Import gedeckt, wie David Brugger, beim Schweizer Bauernverband (SBV) Leiter Geschäftsbereich Pflanzenbau, sagt. Dass die Schweizer Bauern den Markt nicht längst aus einheimischem Anbau versorgen, liege aber nicht etwa an der mangelnden Offenheit. Der gesellschaftliche und politische Auftrag, in Zukunft mehr pflanzliches und weniger tierisches Protein zu produzieren, sei durchaus klar. Er geht davon aus, dass es in der Schweiz Bedarf an einer Anbaufläche von bis zu 20 000 Hektaren für Eiweisserbsen gibt. «Der Markt ist da, die Mengen aus der Schweiz sind nicht da», sagt er: «Das Grundproblem ist, dass die Wirtschaftlichkeit einfach nicht da ist.»
[IMG 3]Dies gilt insbesondere für den Anbau mit ökologischem Leistungsnachweis (ÖLN): Hier lag der Deckungsbeitrag für Soja 2023 bei etwas mehr als 2000 Franken pro Hektar. Bei Speisekartoffeln lag der Betrag mit über 10'000 Franken um ein vielfaches höher, ebenso bei Weizen. Derzeit empfiehlt der SBV Landwirten deshalb, Eiweisspflanzen für den menschlichen Verzehr wie etwa Kichererbsen oder Linsen nur im Anbauvertrag anzupflanzen: Zu unsicher sind sonst die Chancen auf dem Markt. «Man sollte das auf keinen Fall einfach so auf die grüne Wiese tun», sagt er. «Sonst landet die Ernte schnell einmal im Futterkanal.» Damit stünde der finanzielle Ertrag aber in keinem Verhältnis mehr zum Aufwand.
«Warum packen wir das nicht?»
Dany Schulthess, Kompetenzzentrum Strickhof
Hoher Qualitätsanspruch
Dieser ist beim Anbau von Eiweisspflanzen für den menschlichen Verkehr naturgemäss grösser als beim Futterbau. Die Anforderungen an das Produkt sind höher, sowohl beim Anbau als auch bei der Ernte und der Abnahme. Dabei geht es nicht nur um Lebensmittelvorschriften, sondern auch um die Ansprüche des Konsumenten. Beim Drusch aufgebrochene oder durch Schwarzen Nachtschatten verfärbte Ware etwa gilt als minderwertig. Auch muss streng darauf geachtet werden, dass es bei Transport und Annahme nicht zu Verunreinigungen mit anderen Produkten kommt. Dies wäre etwa der Fall, wenn sich Weizenkörner oder Unkrautsamen in eine Ladung Erbsen mischen: Für Allergiker kann dies beim Verzehr schnell zum Problem werden – mit entsprechend grossem Schaden für den Hersteller.
Zugleich gibt es beim Anbau von Körnerleguminosen wie Auskernbohnen, Kichererbsen oder Linsen grosse Schwankungen beim Ertrag. Laut Angaben der Genossenschaft Biofarm, die Körnerleguminosen abgepackt in den Verkauf bringt, schwankte der Ertrag bei Kichererbsen in den letzten drei Erntejahren zwischen null und drei Tonnen pro Hektare, bei Auskernbohnen waren es zwischen null und 2,5 Tonnen. All diese Faktoren machen den Anbau von Eiweisspflanzen für den menschlichen Verzehr riskant.
Gleich lange Spiesse
Damit die Landwirtschaft vom Trend zu veganen Ersatzprodukten profitieren kann, muss deshalb die Wertschöpfung verbessert werden. Der Schweizer Bauernverband SBV will dabei auf bewährte Elemente setzen: Richtpreise und Grenzschutz. Oder wie es David Brugger formuliert: «Gleich lange Spiesse für Schweizer Rohstoffe gegenüber Importware.» Er verweist auf die Bemühungen der Branchenorganisation Swiss Granum. Die hat dazu eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Diese soll Übernahmebedingungen festlegen und Richtpreise diskutieren. Noch braucht es aber Geduld: Laut Swiss-Granum-Direktor Stephan Scheuner konnte bislang erst beim Speisehafer ein Richtpreis festgelegt werden. Bei Eiweisserbsen und Ackerbohnen sei die Diskussion noch zu früh. Bei Swiss Granum strebt man derzeit eine Richtpreisfestlegung auf Juli 2024 an.
Vorteile beim Import
Vonseiten der Abnehmer und Verarbeiter gebe es aber keine klaren Preissignale, sagt David Brugger. Dies scheine auch auf Seite der Konsumenten der Fall zu sein. Denn während die Käufer von Fleisch- und Milchersatz laut Studien des Grossverteilers Coop von Werten wie Nachhaltigkeit und Tierwohl geleitet sind, scheint die sonst oft ebenfalls wichtige regionale Herkunft der Produkte hier von untergeordneter Bedeutung zu sein. «Vonseiten der Konsumenten ist der Druck noch nicht so gross», sagt Brugger.
Brugger geht deshalb davon aus, dass die Verarbeiter bislang «ganz gut mit Importen fahren», wie er es formuliert. Kichererbsen etwa seien leicht transportierbar und auf dem Weltmarkt zu günstigen Preisen erhältlich. Der Preis ist aber nicht der einzige Vorteil beim Import: Für industrielle Produktion und Grosshandel müssen Liefermengen und Qualität konstant sein.
«Extrem faszinierend»
«Wir haben einfach das Wissen nicht, jedes Jahr zuverlässig eine vereinbarte Menge zu bringen», sagt Dany Schulthess. Er ist Bereichsleiter HF-Agrotechnik am Zürcher Kompetenzzentrum Strickhof und hat dort erste Versuche mit dem Anbau von Kichererbsen gestartet. Schulthess kann von ersten Erfolgen berichten: «Nach einem witterungsbedingten Totalausfall 2021 habe es bei den Kichererbsen im letzten Jahr eine erfreuliche Ernte gegeben», sagt er.[IMG 2]
Wichtig sei nun die Vernetzung der Pionierbetriebe. Durch den Wissensaustausch gebe es mehr als eine Chance pro Saison, und Fehler müssten jeweils nur einmal gemacht werden. Derzeit geht es dabei vor allem um Fragen wie Unkrautbekämpfung und Erntemethoden. Bei der Lebensmittelproduktion herrsche beim Konsumenten null Toleranz, sagt Schulthess. Landwirte, die bisher vor allem im Futterbau tätig seien, müssten hier teilweise umdenken.
Dies sei aber zugleich eine spannende Herausforderung für die Bauern. Als Landwirt könne man hier wirklich einmal etwas Neues probieren, sagt er: Da könne keiner kommen und sagen, «du musst das so machen, wir haben es immer so gemacht». Für die Pioniere sei die Arbeit mit Kichererbsen extrem faszinierend. Sie könnten ihr ganzes Wissen und ihre ganze Kreativität einbringen. Schulthess hofft, dass bald auch vermehrt Isolate in der Schweiz selbst hergestellt werden. Hier stelle sich aber die Herausforderung, dass hochwertiges Isolat sehr gut importiert werden könne. Wie Brugger hofft auch Schulthess, dass Industrie und Handel künftig eine Chance in der Vermarktung von Ersatzprodukten mit Swissness-Charakter erkennen. «Wenn es eine Nachfrage gibt, warum packen wir das nicht?», sagt er.
Kommentar: Trend mit Fragezeichen
Man liest und hört es allerorten: Immer mehr Menschen wollen weniger Fleisch und Milchprodukte konsumieren. Wegen des Klimas, der Nachhaltigkeit und des Tierwohls. Ein Mega-Trend. Tatsächlich: In den Regalen der Grossverteiler hat sich in den letzten Jahren eine reiche Auswahl an Ersatzprodukten angesammelt. Sie sehen aus wie Fleisch, schmecken wie Fleisch – angeblich – und sind oft verpackt wie Fleisch.[IMG 4]
Verlässt man die Einkaufswelten der beiden orangen Konzerne, ist vom Mega-Trend nicht viel zu spüren. Der Kebab-Stand, die Dorfbäckerei und die meisten Kantinen setzen auf Käse und Fleisch. Ausserhalb der Grossstädte Zürich, Bern und Basel kann die Suche nach einem veganen Mittagessen ziemlich lange dauern.
Das wirft die Frage auf, wo dieser Trend stattfindet: Auf dem Teller der einfachen Leute, oder doch nur in den Umfragen und Prognosen der Experten? Wenn vegane Produkte wirklich so beliebt sind, wie man angesichts der Berichterstattung meinen könnte, müssten sie dann nicht offensiv angepriesen und an jeder Strassenecke erhältlich sein? Ob dieser Trend den Bauern eine lukrative Nische bietet, wird der Markt zeigen, nicht die Umfragen. p.walthard@bauernzeitung.ch

1