«Wir Bauern brauchen Saatgut und sind betroffen von der technischen und rechtlichen Entwicklung in der Pflanzenzucht», mit diesen Worten begrüsste Christian Galliker, Vizepräsident von Bio Luzern, die rund 40 Bauern und vereinzelte interessierte Konsument(innen), die der Einladung von Bio Luzern ans BBZN Hohenrain gefolgt waren. Mit Eva Gelinsky referierte eine Expertin im Bereich Pflanzenzucht. Sie ist Mitglied der Eidgenössischen Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich.
Politische Frage
Aktuell beschäftigt sich auch die Schweizer Politik mit der Frage, ob die neuen Pflanzenzuchtmethoden, insbesondere Crispr/Cas, als Gentechnik einzustufen sind und ob solches Saatgut künftig in der Schweiz gezüchtet und eingesetzt werden darf. Gelinsky ging gleich zu Beginn auf die komplexe Technik der «Genschere» Crispr/Cas ein und machte klar, dass diese neuen Methoden bedeutend mehr unvorhersehbare und nicht kontrollierbare Auswirkungen auf das Erbgut haben können, als häufig behauptet. Nach dem Eingriff in das Erbgut führten die natürlichen Reparaturmechanismen der Zelle auch zu unbeabsichtigten, völlig neuen Kombinationen oder Löschungen von Basenpaaren.
Da das Erbgut in seiner Komplexität noch zu einem grossen Teil unerforscht sei, werde auch die Bedeutung dieser Kollateralschäden systematisch unterschätzt. Da sich solche genetischen Veränderungen, einmal in der Natur freigesetzt, weiterverbreiten und sich auch in verwandte Pflanzen auskreuzen könnten, sei auch mit den neuen Pflanzenzuchtmethoden nach dem Vorsorgeprinzip umzugehen. Eva Gelinsky forderte, dass Crispr/Cas rechtlich als Gentechnik einzuordnen sei und zuerst die Risiken erforscht werden müssten, bevor solche Züchtungen im Freiland eingesetzt werden dürften.
IP Suisse oder der Schweizer Bauernverband gegenüber Crispr/Cas offen
Befürworter der neuen Züchtungsmethoden führen die Möglichkeiten einer Anpassung der Pflanzen an den Klimawandel und die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln als Argumente ins Feld. Da mit Crispr/Cas meist keine artfremden Gene ins Erbgut eingeschleust werden, sind viele Organisationen wie IP-Suisse oder der Schweizer Bauernverband, die herkömmliche Gentechnik ablehnen, gegenüber Crispr/Cas inzwischen offen. Die mithilfe der neuen Verfahren entwickelten Pflanzen, die z. B. in den USA oder Japan bereits kommerzialisiert werden, zeigen gemäss Gelinsky bislang allerdings keine Klimaanpassung.
Patente schränken ein
Gemäss Gelinsky schreitet weltweit die Konzentration der Pflanzenzucht auf wenige Grosskonzerne und wenige Pflanzenarten voran. Nicht nur viele Eigenschaften in Pflanzen, sondern auch Züchtungsmethoden wie Crispr/Cas sind durch diese Firmen patentiert und stehen den kleinen Zuchtorganisationen nicht mehr zur Verfügung. «Wie kann ich als Bauer etwas gegen diese beängstigenden Entwicklungen tun?», fragte ein Landwirt aus dem Publikum. Das Bewusstsein für die Problematik werde grösser, ermutigte Eva Gelinsky, daher sei es wichtig, weiter darüber zu informieren. Und es würden weltweit auch immer mehr Alternativen mit ökologischer Pflanzenzüchtung geschaffen. In der Schweiz gebe es mit «Getreidezüchtung Peter Kunz» und «Sativa» zwei Organisationen, die biologisch züchten und sich nicht durch Patentschutz abgrenzen würden. Es sei wichtig, diese zu unterstützen und auch politisch dafür zu sorgen, dass die Pflanzenzucht nicht nur den Grosskonzernen überlassen werde.
Jubiläum von Bio Luzern
Das Referat zum Thema Saatgut war Teil einer Veranstaltungsreihe von Bio Luzern, mit der die Organisation das 30-Jahr-Jubiläum feiert. Die BauernZeitung berichtet über verschiedene dieser Anlässe. Demnächst auf dem Programm stehen ein Informationsabend am 8. November, «Puur und Biopuur Hand in Hand» am 17. November und ein Filmabend am 7. Dezember. rae