Abo Fachstelle Obstbau St. Gallen Jetzt gibt es Förderbeiträge für robuste Reb-, Stein- und Kernobstsorten Saturday, 14. January 2023 Braucht es neue robuste Obstsorten auf dem Markt? Ja, auf jeden Fall. Darüber war man sich an der Obstbautagung der Kantone Thurgau und St. Gallen am 20. Januar 2023 einig. Ebenso, dass bei der Einführung solcher Sorten alte aus den Regalen weichen müssen, wie zum Beispiel Braeburn, Jonagold, Gravensteiner oder Cox. Und obwohl das Ziel klar zu sein scheint, fehlt eine nationale Strategie zur Einführung robuster Kernobstsorten wie die Diskussion von Branchenkennern zeigte.

Gemeinsam und in die gleiche Richtung

Wer soll diese Strategiediskussion anpacken und vor allem umsetzen? «Sollen die Ostschweizer das Steuer übernehmen?», leitete Richard Hollenstein, Leiter Fachstelle Obst am Landwirtschaftlichen Zentrum St. Gallen in Flawil, das Podiumsgespräch ein und weiter: «Wenn nicht wir, wer dann? Warum gelingt es uns denn nicht, eine gemeinsame Strategie zu entwickeln?»

Als Vertreter des Handels äusserten sich Benno Neff (Tobi Seeobst), Jürg Stadler (Bodensee-Frucht AG) und Samuel Wyssenbach (Fenaco). Für die Produzenten waren Patrick Stadler (Versuchsbetrieb Güttingen) und Thomas Heilig (Vorsitzender Obstregion Bodensee DE) anwesend sowie Edi Holliger vom Schweizer Obstverband (SOV).

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Edi Holliger erinnerte daran, dass es vor etwa zehn Jahren mit dem Fruchtzentrum Tafelkernobst eine nationale Strategie gab, die zu Gunsten des freien Unternehmertums aufgegeben wurde. «Eine nationale Strategie ist nur möglich, wenn alle Akteure in der Wertschöpfungskette an einem Strick und in dieselbe Richtung ziehen», sagte Holliger.

Robuste Sorten: Pro und Contra aus Sicht des Handels
Vorgängig zum Podium äusserte sich Benno Neff, Geschäftsführer Tobi Seeobst AG, zur Frage, ob man auf das schnell drehende Sortenkarussell aufspringen solle. «Wir müssen uns ganz generell die Frage stellen, ob wir da mitmachen wollen.» Es gebe einige Gründe, die dagegen sprechen, ständig neue Sorten einzuführen. Neff nannte deren drei:
1. Zahlenmässig gibt es genügend Apfelsorten auf dem Markt.
2. Den Kunden genügt die heutige Auswahl.
3. Der Handel hat heute schon Mühe, alle Sorten zu platzieren.

Neff zählte auch gewichtige Gründe auf, die für die Einführung neuer Apfelsorten sprechen und überwiegen. Das ist zum einen der sinkende Apfelkonsum. «Die Trendwende kann uns nur durch Innovation gelingen. Im Früchtebereich bedeutet Innovation Züchtung neuer Sorten.» Neff kam zum Schluss, dass die Branche in eigenem Interesse handle, wenn sie auf das Sortenkarussell aufspringt.

Die Regalplätze sind begrenzt

Laut Benno Neff reicht die heutige Sortenauswahl bei Äpfeln den Kunden aus. Also müssen neue Sorten einen Mehrwert bringen, lautete der Tenor. Aber das alleine reicht nicht. Edi Holliger hob hervor: «Sie müssen dem Konsument ein neues Erlebnis bieten. Sie müssen agronomisch besser sein.» Das werde nicht einfach, doch daran führe kein Weg vorbei.

«Wir sollten die Energie, die wir in Sorten investieren, die nicht mehr so gefragt sind, besser dazu nutzen, um neue Sorten einzuführen.»

Edi Holliger, Vize-Direktor Schweizer Obstverband

Braucht es ein neues Gefäss oder eine Marke?

Abo Obst Obst-Profis prüfen vor der Ernte die inneren Werte ihrer Früchte Wednesday, 7. September 2022 Bereits einen Schritt weiter ist man bei diesem Thema in Deutschland, wie von Thomas Heilig zu erfahren war. Dort verfolgt man das Ziel, eine Dachmarke zu schaffen für robuste Sorten. «Die Produktion soll nachhaltig sein und zwar ökonomisch, ökologisch und sozial», führte Heilig aus. Unter dieser Dachmarke, ein möglicher Name könnte Bodensee-Apfel sein, könnten das ganze Jahr  verschiedene (früh- und spätreife) Sorten verkauft werden, so die Idee.

Benno Neff sieht für die Schweizer eher die Schaffung eines neuen Gefässes als eine neue Marke, «zumindest bis wir wissen, welche Sorten die ‹Richtigen› sind». Er glaubt, dass es beim Konsumenten nicht gut ankommt, wenn jede Woche eine andere Apfelsorte im Regal ist. Jürg Stadler meinte zum Thema Nachhaltigkeit als Kaufargument:

«Die wenigsten Leute können mit dem Begriff nachhaltige Früchte etwas anfangen.»

Jürg Stadler, Geschäftsführer Bofru AG

Die Branche sei den Konsumenten hier einen Schritt voraus. «Wir müssen Äpfel auf den Markt bringen, die das ganze Jahr erhältlich und einheitlich sind. Dann haben wir eine Chance, einen Mehrwert herauszuholen.»

Das Risiko verteilen

Patrick Stadler strich heraus, dass die Produzenten bereit wären, neue Sorten anzubauen.

«Wir Produzenten brauchen ein klares Commitment vom Markt und vom Handel und die Gewissheit, dass die Sorten agronomisch funktionieren.»

Patrick Stadler, Leiter Versuchsbetrieb Güttingen

Jürg Stadler ergänzte, dass man neue Sorten grossflächig anbauen müsse, ansonsten drohe die Gefahr der Verzettelung. «Wir müssen gemeinsam entscheiden, was wir anbauen. Nur so können wir neue Sorten pushen.»

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Wer übernimmt den Lead?

Richard Hollenstein blieb hartnäckig und wollte zum Schluss nochmal wissen, wer für die gemeinsame Strategie den Lead übernehmen solle. Einigkeit zeigte sich hier: Doch nicht die Ostschweiz, sondern der SOV, Swisscofel und die Produktezentren. Patrick Stadler meinte abschliessend: «Wenn sich die beiden grossen Player (Coop und Migros Anm. d. Red.) einig wären und eine Strategie hätten, würden wir relativ schnell relativ weit kommen und könnten auch die Discounter ins Boot holen.»

Verdankt und verabschiedet
Ralph Gilg, Präsident des Thurgauer Obstverbandes, verabschiedete an der Obstfachtagung einige Personen, die sich während Jahren und Jahrzehnten in verschiedenen Gremien für den Obstbau engagierten. Es waren dies: Rosmarie Keller, Iwan Hungerbühler, Albin Germann, René Gremlich, Edi Bosshard und Marc Wermelinger.