Am meisten kann man im Bio-Ackerbau bei den Kartoffeln verdienen. Der Deckungsbeitrag ist dort am höchsten. Aber gelingen muss es auch noch. Die Teilnehmer am FiBL-Arenenberg-Bio-Forschungstag brachten in Nullkommanix auf den Punkt, was ihnen zu schaffen macht: Krautfäule, Rhizoctonia, Kartoffelkäfer und Drahtwürmer. Red und Antwort stand Tobias Gelencsér, Co-Leiter am FiBL für Forschung und Berater Ackerbau.
Feldhygiene gegen Drahtwurm
«Ein Patentrezept gegen Drahtwürmer gibt es nicht», sagte Tobias Gelencsér. Altbekannt sei, dass man Kartoffeln nicht nach Wiesenumbruch pflanzen solle. Auch Gründüngungen und Zwischenfrüchte favorisierten die Ausbreitung von Drahtwürmern. «Das ist allerdings ein Zielkonflikt mit dem vom Bund unterstützten Programm permanente Bodenbedeckung», fügte er an. Durch mehrfach intensive Bodenbearbeitung könnte man die Ausbreitung von Drahtwurmlarven verhindern. Ein Dilemma gibt es da aber mit dem Programmpunkt Minimalbodenbearbeitung. «Generell stehen eine intensive Bodenbearbeitung und fehlende Gründüngung dem Ziel Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit entgegen.»
- Insektizide: Attracap ist auch im Bio zugelassen, provisorisch bis 31. Juli 2024 und schweizweit für eine Fläche von maximal 1000 ha. «Ideal ist das nicht, und vor allem sehr teuer», warf David Böhni, Biolandwirt aus Stein am Rhein, ein. Es braucht eine Aufwandmenge von 30 kg/ha, was um die Fr. 648.– kostet.
- Anbaupausen: Vorgesehen ist im Bio eine Anbaupause von vier Jahren. Urban Dörig aus Diessenhofen hält sogar eine Anbaupause von sechs Jahren ein – und fährt gut damit.
Rüttler gegen Kartoffelkäfer
Dann ist das leidige Problem mit den Kartoffelkäfern – und diese sind erst noch wählerisch. Sie fressen am liebsten festkochende Sorten und, wie Daniel Vetterli aus Rheinklingen feststellen musste, auch die Sorte Acoustic. Diese ist eine 2022 eingeführte robuste Sorte mit Krautfäuleresistenz, die ihren Weg auch zu den Grossverteilern gefunden hat.
Gegen Kartoffelkäfer testete Tobias Gelencsér 2023 auf einem Kartoffelfeld von Christoph Hauert, Grossaffoltern BE, eine Maschine, die Kartoffelkäfer abschüttelt und aufsammelt.
- Arbeitsweise: Dieser «Beetle Collector» fährt mit rotierenden Lappen durch die Stauden und schüttelt die Insekten ab. Die Käfer und Larven prallen gegen eine Plane und landen in einer massiven Stahlwanne.
- Auslastung: Es braucht laut Gelencsér 10 bis 15 ha für die Auslastung, damit sich die Anschaffung lohnt. Vitabella lasse sich beispielsweise gut schütteln, weil sie eine aufrechte Sorte mit kleinen Blättern sei. Dies im Gegensatz zu Venetia, die ausladend wächst. Langsame Fahrgeschwindigkeit und eine hohe Drehzahl brachten einen Absammelerfolg von 80 bis 100 %.
Der vierreihige «Beetle Collector» stammt von einem bayrischen Hersteller und kostet 20 000 Euro. Gelencsér zog das Fazit, die Maschine sei eine interessante Möglichkeit für Demeter-Betriebe, weil sie dann auf Durchfahrten mit der Feldspritze verzichten könnten.
Diese Testreihe geht weiter, und zwar mit einem holländischen Fabrikat, das ebenso teuer ist. Das Gerät nennt sich «Colorado Beetle Catcher» und ist leichter als der Beetle Collector. Aufgefangen werden die Kartoffelkäfer durch eine verstellbare Plane. «Wenn möglich, zeigen wir den Beetle Catcher am Bio-Ackerbautag in Aubonne», kündigte der Referent an. Wobei sich an der Tagung, angeführt von Hansueli Dierauer vom FiBL, sogleich ein Diskurs entspann, ob nicht Novodor 3 % FC die bessere Bekämpfungsmöglichkeit gegen den Kartoffelkäfer sei.
Beifang mit Marienkäfern
«Novodor ist ein Bacillus-thuringiensis-Präparat und schont Nützlinge», so Hansueli Dierauer. Der Rüttler hingegen schüttle auch Marienkäfer herunter. «Das ist nicht wegzudiskutieren», sagte dazu Tobias Gelencsér. Im Durchschnitt lag der Beifang bei 5 bis 7 %, davon waren ein Drittel Marienkäfer. Aber, beschwichtigte Tobias Gelencsér, die ausgewachsenen Marienkäfer würden aus der Auffangplane herauskrabbeln und wegfliegen, während die Kartoffelkäfer sich nicht herausbewegten.
Novodor ist dieses Jahr per Notfallzulassung zugelassen. Die definitive Zulassung erwartet Andermatt Biocontrol in diesem Jahr. Der 5-l-Kanister kostet Fr. 196.10. Die Aufwandmenge bei kleinen Larven beträgt 3 l/ha, bei grossen 5 l/ha. Bei einem starken Befall sind bis zu drei Behandlungsdurchgänge nötig.
Barrieren machen gegen Schädlinge und Krankheiten
Erfolg versprechend gegen Schädlinge und Krankheiten ist der Streifenanbau. Dabei werden Kulturen als Reinsaat nebeneinander angebaut. 2024 beginnt das FiBL mit den Hauptversuchen. Aber bereits 2023 stellte man auf dem Betrieb von Daniel Vetterli positive Effekte fest. Durch die Barrierewirkung und die kleinräumige Diversität wurde der Befallsdruck von Schädlingen und Krankheiten reduziert, aber auch Nützlinge gefördert. [IMG 2]
Die Käferauszählung machte Stephanie Biderbost (FiBL, Arenenberg). Ihr Fazit ist, dass die Ausbreitung von Krautfäule langsamer verlief, und beim Raps habe es weniger Schädlinge gegeben. Positiv war, dass die Marienkäferpopulation um einiges rascher wuchs als jene der Schädlinge. Tobias Gelencsér riet: «Überspringen Sie im Kartoffelanbau im Folgejahr einen Streifen. Die Barriere gegen Kartoffelkäfer und Krankheiten wirkt besser.» Auch Winter- und Sommerkulturen anzubauen, sei nützlich.
Kulturspezifisch düngen und bewässern ist im Streifenanbau nicht ganz einfach. Aber auf grossen, gut arrondierten Betrieben, die mit RTK-Technologie ausgerüstet sind, zu bewältigen.
Neue robuste Sorten
Die grössten Probleme bereitet den Biobauern die Krautfäule. Zur Bekämpfung wird Kupfer verwendet. Seit Jahrzehnten wird nach einem Ersatzmittel geforscht – bisher kaum mit marktreifen Produkten. Robuste Sorten scheinen daher der richtige Ansatz zu sein, um der Krautfäule zu trotzen.
Oscar, Estelle und Gaya
Tobias Gelencsér stellte vier neue robuste Sorten vor, die 2026 verfügbar sein sollten. Gaya, Estelle, Mary Anne und Oscar heissen sie. Bei der Blattgesundheit brillierte Oscar vor Estelle, Gaya und Mary Anne. Mary Anne war ertragsschwach und Oscar lief schlecht auf. Gaya hatte runde und tiefe Augen. Bis dieses Pflanzgut aber verfügbar sein wird, wird es bis 2026 dauern. [IMG 3]
Als Ersatz für Erika wurden 2023 Simonetta und Emanuelle in die Sortenliste aufgenommen. Besonders Emanuelle weist eine gute Robustheit gegenüber Kraut- und Knollenfäule auf. Bei der Degustation schnitten beide Sorten gut ab. Auch die Lagerfähigkeit überzeugte. Beide Sorten hatten Auflaufprobleme.
Urban Dörig von Katharinental vermerkte, dass man Simonetta gut vorkeimen müsse, und Tobias Gelencsér ergänzte, dass man sie auch enger pflanzen solle. Doch Emanuelle solle man nicht abkeimen und 3 cm tiefer pflanzen.
Gelencsér empfahl, Acoustic trotz Resistenz mit reduziertem Aufwand zu behandeln. «So lassen sich Mutationen des Krautfäuleerregers vermeiden.»
Otolia statt Agria
Auf der Bio-Sortenliste ist neu Otolia – eine mehligkochende Sorte mit mittlerer Ertragserwartung, guter Lagerfähigkeit und gutem Geschmack. Eine Schwachstelle hat sie punkto Rhizoctonia. Dennoch hofft man, dass sie Agria teilweise ersetzen wird.
Die Industrie will Qualität
«Die Winterweizensorte Montalbano wird im Bio immer beliebter», sagte Mathias Christen vom FiBL, «dies aber zum Leidwesen der Müller.» Montalbano ist ertragsstark und allenfalls helfen die Grannen gegen Wildschweine, aber in der Qualität überzeugt Montalbano mit den tiefen Proteingehalten nicht.
Protein für Backqualität
Da rund 80 % des Bioweizens industriell verarbeitet werde, sei Qualität sehr wichtig. «Qualität und Ertrag sind immer gegenläufig. Verfügt eine Sorte über einen hohen Proteingehalt, sinkt der Ertrag», erklärte Christen. Umgekehrt hätten ertragsstarke Sorten einen tiefen Proteingehalt.
Er empfahl, an Standorten mit geringerem Nährstoffangebot auf Qualitätssorten mit einem hohen Proteinpotenzial wie Prim und Piz Nair zu setzen. Es gehe dabei nicht nur um die Düngungsintensität, sondern ebenso um Gründigkeit, Bodentyp und Humusgehalt. Habe ein Standort eine hohe Nährstoffverfügbarkeit, könne der Landwirt eine ertragsstarke Sorte (Montalbano, Wital) einsetzen. Dort sei es wahrscheinlicher, auf einen anständigen Proteingehalt zu kommen. [IMG 4]
Nara mit Handicap
Beliebt ist auch Nara. Die Sorte wird vom FiBL allerdings nicht empfohlen, da sie sehr kurz und anfällig für Verunkrautung sei, wie Hansueli Dierauer anfügte. Wenn sie trotzdem angebaut werde, dann solle sie mit einer Untersaat kombiniert werden.