Mit Biobeeren hat Familie Joss vom Oberzinggen, Hellbühl, schon einige Erfahrung. So mit je einer halben Hektare Erdbeeren und Himbeeren im geschützten Anbau, welche in den Biofachhandel gehen und von einem Partnerbetrieb auch am Märt Luzern angeboten werden. Eine hohe Qualität sei durchaus erreichbar, Abstriche müssten bei Bio aber beim Ertrag gemacht werden, sagt Thomas Joss.

Suche nach Neuem

Auf der Suche nach Neuem für die Entwicklung des schon 1994 auf Bio umgestellten Milch-, Ackerbau-, Beeren- und Pouletbetriebs seien sie 2017 auf die Haskap-Beeren gestossen. Recherchiert wurde auch auf Google und aufgrund des Interesses seiner Frau Anna Joss vor allem bei Wildsträuchern. Aronia hätten sie bald verworfen, zumal schon einige Flächen damit angebaut seien und der Markt doch recht besetzt sei.

So kamen sie auf Maibeeren, welche international unter dem Namen Haskap-Beeren laufen. Schlagworte wie Superfood und extensive Anbauverfahren liessen sie hellhörig werden. Zumal auch der Anbau in Europa noch sehr minimal war und sich auf Polen beschränkte. In Kanada hingegen seien diese Früchte viel bekannter, dort wurden Haskap-Sorten schon vor zehn Jahren auch weitergezüchtet für den kommerziellen Anbau. Die traditionellen hierzulande erhältlichen Maibeeren-Sorten seien hingegen dafür nicht geeignet und auch geschmacklich unbefriedigend.

Wissen aus Polen

Statt sich nur aus der Fachliteratur das Wissen anzueignen, reisten Anna und Thomas Joss nach Polen und besichtigten dort mehrere Betriebe mit solchen Beeren. Und bezogen schliesslich im Frühjahr 2017 eine grössere Menge an Pflanzgut von einem polnischen Lieferanten, basierend auf den ertragsmässig interessanten kanadischen Sorten. «Allerdings ohne je eine einzige Beere degustiert zu haben», schmunzelt Thomas Joss.

Im Herbst 2017 wurde so eine Fläche von rund 4 ha auf einer zugepachteten Parzelle in Buttisholz mit den ersten Haskap-Beeren bepflanzt. Unterstützung erhielten sie dafür von der Albert Koechlin Stiftung. Nur klein anzufangen erachteten sie als nicht sinnvoll, zumal ohnehin in Maschinen, Personal und den Marktaufbau investiert werden musste. Später erweiterten sie in Sempach auf einer zugepachteten Parzelle um 2 ha.

Sie hätten die neue Pflanze zuerst kennenlernen und den sinnvollen Anbau für die hiesigen Verhältnisse herausfinden müssen, sagt Joss. Zumal in Polen anders angebaut werde. «Wir haben in den ersten Jahren schon einiges Lehrgeld bezahlt und viele Stunden verbraten.» Der Buschaufbau sei völlig anders als bei anderen Strauchbeeren und einige Probleme hätten sie auch wegen des hohen Unkrautdrucks gehabt. Inzwischen hätten sie das dank der Hacktechnik und Mähen zwischen den Reihen besser im Griff.

Betrieb Oberzinggen
Betriebsleiter Thomas und Anna Joss
Ort Oberzinggen, Hellbühl
Fläche 34 ha LN; davon 3,5 ha Weizen, 1,5 ha Raps, 1 ha Mais und etwas Ganzpflanzensilage (Mais/Gerste), je 50 a Erdbeeren und Himbeeren, 6 ha Haskap-Beeren, Rest Grünland.
Tiere 36 Kühe (Bio ZMP, 230 000 kg), Jungvieh extern im Aufzuchtvertrag, 2600 Mastpoulets für Bell (7 Umtriebe)
Arbeitskräfte Betriebsleiterpaar, 2 Vollzeitangestellte, Vater, 5 bis 6 Aushilfen für die Pflücksaison.

Sehr robuste Pflanze

Nun aber stehen die Reihen am Hang in der Hügelzone sehr schön, gesund und in kräftigem Wuchs, auch dank der mit Kompost aus Substrat von einem Champignon-Betrieb gedüngten Dämmen. Haskap-Beeren blühen früh, schon Ende März. Wobei die robusten, aus Sibirien stammenden Pflanzen auch Frost bis − 7 Grad C während der Blüte ertragen. Dank genügend Niederschlägen kann auf Bewässerung verzichtet werden. Auch Witterungsschutz sei keiner nötig und Pilzbefall sei bis zur Ernte kein Thema. «Die Beeren brauchen somit keine Spritzmittel und sind für Bio geeignet». Gleichwohl hätten die Pflanzen schon gewisse Ansprüche an die Bodenqualität.

Ernte im Juni

Beim Besuch Mitte Mai konnten bereits die ersten blauen Beeren degustiert werden. Die Ernte laufe demnächst an und erstrecke sich dann über wenige Wochen. Gepflückt wird in zwei Durchgängen mit einem umgebauten und für die Hanglage geeigneten Vollernter, wie er für die Weintraubenernte verwendet wird.

Ertragsprognosen für die nun im fünften Standjahr und somit bald im Vollertrag stehenden Haskap wagt Thomas Joss noch kaum. Zu gross waren die Unterschiede bisher, und im Vorjahr wurde die Ernte ohnehin weitgehend vom Hagel vernichtet. Zwar sei in der Literatur von Hektarerträgen bis 15 t zu lesen, aber das sei völlig utopisch. Joss rechnet hier mit 3 bis 4 Tonnen, auch aufgrund der Verluste durch die mechanische Ernte. Deshalb könnten auch nur Beeren in Verarbeitungsqualität geerntet werden. Der Aufwand für den Frischkonsum sei zu gross, der Markt dafür auch kaum vorhanden.

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Verarbeitung zu Säften

Thomas Joss setzt deshalb vor allem auf Saft von Haskap-Beeren, sowie auf Sirupe, Konfitüren, Pulver oder getrocknete Beeren. Die Verarbeitung zu Saft erfolgt bei Aronia Swiss. Nur ein Teil werde direkt vermarktet. Gesucht würden weitere Wiederverkäufer für diese selbst hergestellten Produkte. Joss denkt auch an bäuerliche Direktvermarkter mit Hofläden.

Als Rohstofflieferant werde aber vor allem die Zusammenarbeit mit Firmen gesucht, welche neue Produkte für den Konsum herstellen wollen und an das Potenzial dieser Früchte glauben. «Das ist nicht so einfach und dafür mussten wir jahrelange Aufbauarbeit leisten.» So ist bei Coop inzwischen ein Gelee mit solchen Beeren im Sortiment, die Firma Devia bietet ein Apéro-Getränk an, gebraut wie ein Bier. Und ganz gut entwickle sich ein Sorbet mit Haskap-Saft, angeboten von der Firma «Kalte Lust» aus Olten.

Was noch fehle, sei eine Zusammenarbeit im Milchbereich, Joss schwebt ein Biojoghurt oder ein Milchdrink mit Bio-Haskap-Beeren vor. «Und herzlich eingeladen sind auch bäuerliche Verarbeiter, etwas Neues zu probieren, um die Wertschöpfung in der Landwirtschaft zu erhalten.»

«Wir hoffen auf den Durchbruch am Markt.»

Thomas Joss weist auf den anspruchsvollen Absatz für die Haskap-Beerenprodukte hin.

Produkte ausgezeichnet

Zwar würden Haskap-Beeren als Powerfood mit gesunden Inhaltsstoffen, wie Vitamin C, Antioxidantien und Anthocyanen angepriesen. «Für die Japaner ist das die Beere für die ewige Jugend.» Allerdings könnten die Gehalte stark schwanken. Deshalb würden weniger die gesundheitlichen Aspekte, sondern der neue Genuss und die Schmackhaftigkeit beworben. Zumal es auch bezüglich Deklaration heikel sei, auf Gesundheit zu setzen. «Das müsste sehr gut belegt werden können.» Haskap ähneln vom Aussehen her unförmigen grossen Heidelbeeren, der Geschmack sei vielfältig, ein Mix aus Himbeeren, Brombeeren und Cassis, mit angenehmer Säure, erklärt Thomas Joss. Für einige ihrer Produkte wie den Fruchtsirup, Fruchtaufstrich und Fruchtsnack Apfel-Haskap erhielt Familie Joss 2020 die Gourmet-Knospe von Bio Suisse.

Vorsicht vor Illusionen

Die jährlich anfallende Ernte zu vermarkten sei anspruchsvoll und der Marktaufbau nicht zu unterschätzen. Thomas Joss warnt denn auch Einsteiger in neue pflanzliche Nischen vor Illusionen. Und das Potenzial sollte nicht überschätzt werden.

Bekanntlich forciert der Kanton Luzern pflanzliche Alternativen zur Tierproduktion (siehe Kasten). «Wer auf Beeren setzen will, sollte auf Bio setzen», findet Produzent Joss. Und es brauche einiges an Kapital und Risikobereitschaft. Bisher sei die Haskap-Produktion für Familie Joss noch nicht ein rentables Geschäft. «Wir hoffen aber auf den Durchbruch.»

Die Luzerner Offensive Spezialkulturen
Der Kanton Luzern hat vergangenes Jahr das Projekt «Offensive Spezialkulturen» lanciert. Hintergrund ist die hohe Nährstoffdichte wegen der intensiven Tierhaltung und die damit verbundenen Emissionen. In Abstimmung mit dem Planungsbericht Klima und Energiepolitik soll das Potenzial an Spezialkulturen mit hoher Wertschöpfung aufgezeigt werden, als mögliche Alternative zur Tierhaltung. Je nach Potenzial soll ein Förderprogramm entwickelt werden, erklärte Thomas Meyer von der Dienststelle Landwirtschaft und Wald in der BauernZeitung von Ende Juli 2021.

Im Fokus stehen Obst, Beeren, Nüsse oder Hülsenfrüchte. Die beauftragte Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) führt dazu aufbauend auf einer Marktanalyse für eine Auswahl von zwölf Spezialkulturen und Spezialitäten im Ackerbau eine Standortanalyse durch. Dabei würden die Anforderungen der Kulturpflanzen an Boden und Klima mit den Standortbedingungen abgeglichen, heisst es im Projektbeschrieb. Meyer geht davon aus, dass sich die Landwirtschaft um die Mittellandseen und den Vierwaldstättersee besonders dafür eignet. Es brauche aber auch geeignete Rahmenbedingungen für die Verarbeitung und Vermarktung. Und das Herzblut und Wissen der interessierten Bewirtschafter. Über erste Ergebnisse des Projekts werde voraussichtlich nach den Sommerferien informiert, erklärt Meyer auf Anfrage der BauernZeitung.