Weshalb gibt es ab 2022 zwei neue Richtlinien, also die Senkung des Kraftfutters auf 5% und die Verfütterung von 100% Schweizer Knospe-Futter an Wiederkäuer?
Urs Brändli: Die Reduktion des Kraftfutters auf 5% basiert auf der Überlegung, dass Kühe auch mit Raufutter eine gute Leistung erbringen können.
Bei der Entscheidung, dass nur noch Schweizer Knospe-Futter an Wiederkäuer verfüttert werden darf, geht es auch darum, Kreisläufe zu schliessen. Mit importierten Futtermitteln gelangen viele Nährstoffe in unser Land. Diese fehlen dann in den Herkunftsländern. Ausserdem ist der Anbau von Kunstwiesen gut für die Böden. Mit dem starken Anstieg von Bio-Ackerflächen in den letzten Jahren hat auch das Potenzial der Bio-Raufutterproduktion zugenommen.
Können Sie sich vorstellen, dass es Landwirte gibt, die aufgrund dieser zwei Änderungen von biologischer auf konventionelle Landwirtschaft umstellen?
Im 2009 hat die DV entschieden, dass kein konventionelles Futter mehr verfüttert werden darf. Da gab es Landwirte, die wieder auf konventionell umstellten. Damals war der Milchpreis sehr tief und der Zukauf von Biofutter wurde zu teuer. Ob das mit den ab 2022 geltenden Richtlinien wieder der Fall sein wird, lässt sich heute noch nicht sagen. Je nach Betrieb und in welcher Zone dieser liegt, kann die Umstellung auf weniger Kraftfutter herausfordernd sein. Vor allem, wenn unter Bio-Bedingungen überdurchschnittlich hohe Milchleistungen angestrebt werden. Die Umstellung auf 100% Schweizer Knospe-Futter könnte in der Anfangsphase einen grösseren Einfluss haben.
Es wird also in Zukunft mehr Knospe-Raufutter in der Schweiz produziert werden müssen. Wie könnte dies bewerkstelligt werden?
Vor allem in der Romandie gibt es grosse Ackerbaubetriebe, die sich auf die Raufutterproduktion spezialisieren könnten. Kunstwiesen passen auch gut in die Fruchtfolge. Bauen sie Kleegras oder Luzernekleegras an, können sie diese als Raufutter an Nutztierhalter verkaufen. Immer mehr wird auch reine Luzerne in der Schweiz angebaut, die bis anhin hauptsächlich in Frankreich produziert wird. So sollte die Versorgung mit einheimischem Futter möglich sein.
Möchte Bio Suisse mit der neuen Regelung den Milchmarkt regulieren?
Nein. Wir wollen standort- und tiergerechte Fütterung und nicht via Fütterung in den Markt eingreifen.