Gefragt nach der Anzahl Kulturen auf seinem Betrieb, überlegt Christian Gerber kurz. Dann folgt eine lange Aufzählung. «Die Kresse hast du vergessen», ruft ihm Sebastian Mayer, einer der beiden Produktionsleiter, beim Vorbeigehen durchs Büro zu. «Stimmt», meint der Chef und Inhaber von Gerber Bio Greens in Fehraltorf ZH. 18 Kulturen sind es, von B wie Bundzwiebeln bis Z wie Zucchetti.

Waschen, rüsten, verpacken

Ausgerichtet ist der Betrieb voll und ganz auf die Bedürfnisse der beiden Grossverteiler Migros und Coop, welche er ausschliesslich beliefert. «Wir bereiten die Produkte so auf, wie sie in den Läden zu finden sind», erklärt Christian Gerber. Es wird gewaschen, gerüstet und verpackt. 15 der Mitarbeitenden sind allein im Logistikbereich beschäftigt. Im Sommer sind es insgesamt 70, im Winter zwischen 30 und 40. «Wir stecken sicher 30 Prozent unserer Leistung in die Logistik», sagt Christian Gerber.

Druck auf die Preise

Jeweils bis kurz vor Mittag kommen die Bestellungen. Interne Kalkulationen und jahrzehntelange Erfahrung helfen dem Team des Grossbetriebs: «Es ist eine unserer Stärken, dass wir die Bedürfnisse unserer Kunden kennen.» Die Preise seien beim Biogemüse nicht so volatil wie im konventionellen Bereich, aber seit zwei Jahren gebe es Druck darauf: «Die Produktion wächst schneller als der Markt.» Und die Kunden haben ein nationales Beschaffungsnetz: «Wenn wir im Zürcher Oberland ein wenig kränkeln, kommt das Gemüse dann halt aus dem Seeland oder der Westschweiz.»

Jahrespreise zu tief

Im Gemüse wird mit Wochenpreisen gearbeitet. Wenn es fixe Jahrespreise gibt, waren diese in der Vergangenheit meist zu tief angesetzt für den Gemüsebauer: «Wenn ich jetzt einen Preis eingeben müsste für 100 Tonnen Broccoli im Jahr 2025, hätte ich damit grosse Mühe. Denn ich habe schlicht keine Ahnung.» Man wisse die Mindestlöhne noch nicht, genauso wenig wie Strom- und Düngerpreise oder neue Richtlinien, vom Wetter ganz zu schweigen. «Rechnet man das seriös, läuft man Gefahr, den Auftrag nicht zu bekommen.»

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Apropos Wetter: Zwar war die Lagergemüse-Saison gut und der Betrieb konnte mit vollen Lagern ins Jahr starten, gleichzeitig war es aber von Herbst bis in den Frühling nass bis sehr nass. «Zum Glück haben wir gute Böden», bilanziert Christian Gerber bei einer Fahrt den Gemüsekulturen entlang. «Wenn es immer nass ist, können wir nicht hacken. Also bislang ist es von der Unkrautbekämpfung her ein sehr schwieriges Jahr.»

Der Pflanzenschutz ist für den Biobetrieb eine Herausforderung: «Auch wir haben eine grosse Spritze.» Auf die Flächenleistung müsse der Betrieb eher noch schlagkräftiger sein als jener eines konventionellen Berufskollegen: «Wir haben einerseits Mittel, die wir mit mehr Wasser ausbringen, und müssen andererseits zum Teil öfters gehen, weil sie einfach weniger wirksam sind.» Gleichzeitig beschäftigt man sich auch mit neuen Methoden wie der Regenerativen Landwirtschaft.

Zwei Kompostieranlagen

Zeit, selbst auf dem Traktor zu sitzen, hat der Chef kaum mehr. Zum Betrieb in Fehraltorf kommen ein zweiter in Felben-Wellhausen TG sowie zwei Kompostieranlagen (eine vor Ort, die andere ebenfalls in Felben-Wellhausen). In Fehraltorf etwa wird neben den eigenen Gemüseabfällen das Grüngut von fünf Gemeinden kompostiert – 5000 Tonnen pro Jahr.

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«Ein Familienbetrieb sind wir nur noch in dem Sinne, dass alles in meinem Besitz ist, aber wir haben pro Betrieb ein dreiköpfiges Team in der Geschäftsleitung», sagt Christian Gerber. Er hat den Betrieb, der von Anfang an gemüseorientiert war, von seinem Vater übernommen und ist die vierte Generation.

«Das war ein Spektakel»

«In den 1960er-Jahren hatten wir allerdings noch eine Stierenmast – die erste mit vollautomatisierter Fütterung in der Schweiz. Das war ein Spektakel.» Ab Anfang der 1990er-Jahre konzentrierte man sich auf Gemüse, ab 1996 experimentierte Vater Hans Gerber mit Bio; 1999 wurde der gesamte Betrieb in Fehraltorf darauf umgestellt.

Christian Gerber ist, auch wegen seines Amtes als Präsident der Fachkommission Biogemüse beim Verband Schweizer Gemüseproduzenten (VSGP), viel mit Agrarpolitik und Branchenthemen beschäftigt. Etwa mit den neuen Qualitätsnormen, auf die sich Handel und Gemüseproduzenten geeinigt haben und die seit dem 1. Juni 2023 in Kraft sind. Da gebe es solche mit klar messbaren Kriterien wie Gewicht und Kaliber. Dann aber auch das Gegenteil, wie etwa die Norm bei Bundzwiebeln: «… maximal 40 % der grünen Blattteile durch Lufteinschlüsse (Thripseinstiche) aufgehellt».

«Es ist immer ein Abwägen»

«Das geht ja niemand ausmessen», meint Christian Gerber. «Es ist immer ein Abwägen, was geht und was nicht.» Am meisten tun gegen Food Waste könnten die Gemüseproduzenten wohl mit einer guten Anbauplanung bezüglich Mengen. «Die Schweizer Konsumenten sind sich mittlerweile einfach eine Topqualität gewöhnt. Das Rad da zurückzudrehen, wird schwierig.»

Er hat auch ein gewisses Verständnis dafür: «Wenn die Konsumenten schon teures Biogemüse kaufen, verstehe ich auch, dass sie wollen, dass es einwandfrei aussieht.» Im Vergleich zum Ausland am meisten punkten könne die Schweizer Produktion mit der Frische der Produkte.

Etwas gegen Digiflux ausrichten

Für Christian Gerber ist klar: Die Politik könne den Konsum «sehr, sehr wenig» beeinflussen, die Produktion hingegen schon. «Seit es die Agrarpolitik gibt, gehören wir als Bioproduzenten eigentlich immer zu den Guten. Das ist die eine Seite der Medaille.» Die andere sei, «dass wir nicht für die Galerie produzieren können. Ich finde, in der Agrarpolitik müsste in Zukunft der Fokus wieder viel mehr auf höhere Erträge und Ertragssicherheit gelegt werden.» Die Landwirtschaft habe sich sehr stark in die Abhängigkeit vom Staat begeben.

«So hoffe ich zum Beispiel sehr, dass die Verbände mit ihrer Gegenwehr gegen Digiflux etwas ausrichten können.» Der höhere administrative Aufwand sei für ihn gar nicht so der entscheidende Punkt, auch wenn es natürlich Betriebe gebe, welche die Aufzeichnungen noch auf Papier machen. «Ich habe Angst, dass die Daten missbraucht werden und damit Politik gemacht wird.» Die Verantwortung für die eigenen Familien, Mitarbeiter, Kulturen und Böden trügen schliesslich am Ende die Bauern immer selbst, mit oder ohne staatliche Umarmung.

Betriebsspiegel Gerber Bio Greens

Name: Christian Gerber
Ort: Fehraltorf ZH
Ackerfläche: ca. 80 ha
Kulturen: (Dattel-)Tomaten, Peperoni, Peperoncini, Radieschen, Nüssler, Kopfsalat, Eichblattsalat, Mangold, Kresse, Broccoli, Blumenkohl, Sellerie, Fenchel, Lauch, Bundzwiebeln, Kürbis, Zucchetti, Kunstwiese, Getreide
Mitarbeitende: In der Hochsaison ca. 70, im Winter ca. 30
Betriebszweige: Gerber Gemüsebau AG (zweiter Betrieb in Felben-Wellhausen TG), eigene Jungpflanzenzucht, zwei Kompostieranlagen.

Website: www.gerber.ch