«Fisch wird in den nächsten Jahren ein landwirtschaftliches Nutztier werden. Darum ist es nun wichtig, spezifisch für die Landwirte zu forschen», sagt Thomas Janssens, der Leiter des relativ neu gegründeten Aquaforums an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften der Berner Fachhochschule (HAFL).

Sechs Mitarbeitende

Das von HAFL und der landwirtschaftlichen Beratungsorganisation Inforama gemeinsam gegründete Aquaforum versteht sich als Kompetenzzentrum für Forschung, Bildung und Dienstleistung im Bereich Aquakultur. «Es gibt bereits sehr viel Forschung zum Thema Fischgesundheit, aber es fehlt an Forschung zu Themen wie Produktionsmethoden und Wirtschaftlichkeit», sagt Thomas Janssens. Er ist seit fünf Jahren an der HAFL tätig und hat mittlerweile sechs Mitarbeitende.

Zur Person

Thomas Janssens studierte Agrarwissenschaften an der Universität Gent (Belgien) und hat einen Executive Master in Business and Administration von der HEC Lausanne. Nachdem der Bioingenieur für ein Unternehmenim Bereich Fütterungs­forschung in Italien ge­arbeitet hatte, leitete er Fischbrutanlagen und Aufzuchtbetriebe für Kabeljau (Schottland), Seezunge (Spanien) und Egli (Schweiz).

Braucht Beratung

Vor einigen Jahren herrschte in der Schweizer Aquakultur eine Art Goldgräberstimmung, doch die Pioniere seien zum Teil falsch beraten gewesen oder die Anlagen hätten nicht richtig funktioniert, so Janssens. Diese Landwirte gelangten nun ans Aquaforum, weil sie eine seriöse Beratung brauchten, um nachhaltig erfolgreich zu sein.

«Organisiert sich»

«Die Aquakultur in der Schweiz entwickelt und organisiert sich aktuell.» So arbeitet die HAFL zusammen mit der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) am Aufbau einer nationalen Koordinationsstelle.

Marktchancen verbessern

Ausserdem wurde eine Bedarfsanalyse entlang der Wertschöpfungskette durchgeführt. In einem Bericht stellte man Schwachstellen fest: unter anderem Wissenslücken in Planung und Betrieb von Anlagen. Häufig seien branchenrelevante Informationen kaum zugänglich und Produktions- und Verkaufsstrukturen stark isoliert. Mit einer höheren Professionalisierung sollten die Produktionskosten gesenkt und mit einer «Swissness»-Imageförderung die Marktchancen einheimischer Produkte verbessert werden. Mit dem Aufbau eines Informationsportals soll die Sichtbarkeit der Schweizer Aquakultur erhöht werden.

Zwölf Versuchsbecken

Das Aquaforum betreibt neu eine topmoderne Kreislaufanlage mit zwölf Versuchsbecken. «Die Technik dafür stammt zu 100 Prozent von Schweizer Partnern», erklärt Thomas Janssens. Bei Arten wie Forellen, Karpfen, Egli, Zander und Lachs kann so im Bereich Fütterung und Produktionstechniken geforscht werden. Zusätzlich stehen 24 Aquarien für Tierwohlbeobachtungen zur Verfügung.

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Anfang Februar sind die ersten Fische eingezogen, 40 Gramm schwere Karpfen aus einem Schweizer Zuchtbetrieb. Zuerst mussten die Fische in Quarantäne. Nachdem diese abgeschlossen war, erforscht man nun im Bereich Tierwohl das Thema Stress. Dabei werden verschiedene Stressparameter wie Kortisol untersucht. Ausserdem wird zwischen chronischem und akutem Stress unterschieden.

Weiter steht ein Projekt an, bei dem untersucht werden soll, ob Fischmehl in der Fütterung durch lokal produziertes Insektenmehl und Geflügelmehl ersetzt werden könnte. Mit Hilfe künstlicher Intelligenz versucht man zudem, die Qualitätskontrolle beim Wachstum der Fische zu automatisieren.

Fischkot als Dünger

Man arbeitet auch an technischen Lösungen, um die Stickstoffgrenzwerte in den Abwässern aus Aquakulturen einzuhalten. So soll der verdünnte Schlamm aus Fischkot aus dem Trommelfilter als Substrat für eine Biogasanlage oder als Dünger verwendet werden.

Neben den Forschungsprojekten und der Beratung bietet das Aquaforum verschiedene Weiterbildungen an:

  • Einen Fachkurs Aquakultur (acht Kurstage, Praktikum auf einem Betrieb),
  • ein CAS Aquakultur (16 Kurstage und eine Woche Praktikum), ein Modul Aquakultur im Rahmen des Bachelorstudiums an der HAFL
  • und einen dreitägigen Kurs «Aqua-kultur – Zehnfusskrebse». Dieser richtet sich an Leute aus der Gastronomie, die Hummer oder Flusskrebse halten.

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«Braucht viel Technik»

Abo Zehn Monate verbringen die Zander in den Becken von Matthias Widmer. Dann werden sie im Nachbarort geschlachtet sowie geräuchert, filetiert oder zu Knusperli weiterverarbeitet. Aquakultur Bei Landwirt und Zanderproduzent Matthias Widmer heisst es: «Fisch ist die neue Milch» Monday, 21. February 2022 «Gerade bei jungen Landwirtinnen und Landwirten merken wir ein Interesse am Thema Aquakultur», sagt Thomas Janssens. Doch ein Einstieg sei mit einigen Hindernissen verbunden. Bewilligungen für Aussenanlagen zubekommen sei mittlerweile praktisch unmöglich, weil die Regeln zur Abwasserqualität immer strenger werden.

«Ich denke, dass Indoor-Anlagen die Zukunft gehört», sagt er. Viele Landwirte hätten schon geeignete Gebäude, die sie entsprechend umnutzen könnten, aber dabei gibt es den Stolperstein, dass Fischzucht (noch) nicht zonenkonform ist. Ausserdem bedingt ein Einstieg hohe Investitionen: «Wie man sieht, braucht es viel Technik», sagt Janssens und weist auf die Kreislaufanlage.

Das Aquaforum selbst werde sich in den nächsten Jahren sicherlich weiterentwickeln und mehr Forschungsanlagen enthalten und Dienstleistungen anbieten, wirft dessen Leiter einen Blick in die Zukunft.