Unter dem Titel, «die Milchkuh, eine fitgespritzte Ausdauersportlerin», publizierte der Zürcher Tierschutz in diesen Tagen ein Dossier. Versprochen werden Zahlen und Fakten, geliefert werden Emotionen darüber, wie die Kuh unter dem «immer mehr, immer schneller, immer billiger» leidet. An diesem Punkt nickt mancher Landwirt mit dem Kopf. Dieser Satz lässt sich von der Milchkuh problemlos auf den Landwirten übertragen, nur spritzt den in der Regel niemand fit.
Nicht alle setzen auf Hochleistung
Die Problematiken der heutigen Milchkuhhaltung zeigt das Dossier auch sehr gut auf. Kürzere Nutzungsdauer wegen Fruchtbarkeitsproblemen oder Euterentzündungen, welche der Hochleistungskuh drohen. Auch dass diesen Problematiken mit Hormonen und Antibiotika entgegengewirkt wird, ist richtig. Diesen Filter jedoch auf die gesamte Landwirtschaft zu legen, wäre falsch. Neben einer grossen Anzahl Biobetriebe gibt es gerade in Berg- und Hügelzonen zahlreiche weitere Betriebe, die nach wie vor auf eine robuste Kuh setzen und mit Alternativmedizin grosse Erfolge erzielen. Alle Betriebe einfach in eine Schublade zu stecken und zu behaupten, Schweizer Kühe würden im grossen Stil mit Kraftfutter, Antibiotika und Hormonen am kurzen Leben gehalten, ist definitiv der falsche Weg und stösst jede Menge Landwirte vor den Kopf.
Das wirtschaftliche Umfeld ist gnadenlos
Fragt man einen Landwirt, was er sich für seine Rindviehhaltung wünscht, dann sind die Antworten klar. Man möchte sich mit weniger Tieren den Lebensunterhalt verdienen können, will genug an der Milch und am Fleisch verdienen, dass man die Tiere anständig füttern kann, genug Zeit für sie hat, ihnen einen artgerechten Stall bauen kann. Und man will ohne auf die Kosten zu schielen den Tierarzt rufen können. Dass Reserveantibiotika eingesetzt werden, die schnell wirken und kurze Absetzfristen haben, ist weniger der Ungeduld der Landwirte geschuldet, denn dem wirtschaftlich gnadenlosen Umfeld. Hier müsste man ganz nebenbei auch über den Fehlanreiz einer verdoppelten Absetzfrist bei Biobetrieben diskutieren. Und pardon, aber wenn ich sehe, was bei einigen Biobetrieben so auf die Weide raushumpelt, dann bin ich sicher, ein von oben verordneter Verzicht auf Antibiotika und Kraftfutter ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der jeweiligen Kuh ist der falsche Weg.
Der Markt hat den längsten Hebel
Zwar schreibt der Zürcher Tierschutz in seinem Dossier über die Milchkuh, dass es weitgehend die Vorgaben der Milchkäufer sind, welche den hohen Antibiotikaverbrauch während der Laktation erklären, die richtigen Schlussfolgerungen daraus zieht er jedoch nicht. Doch fordert er, die staatliche Antibiotika-Abgabe zu prüfen und die Zuchtverbände sollten statt anfällige Hochleistungstiere vermehrt robuste, langlebige Kühe züchten. Lieber Tierschutz, es sind nicht die Zuchtverbände, die züchten, es sind die Landwirte. Und beide, Landwirt und Zuchtverband richten sich nach dem Marktgesetz von Angebot und Nachfrage.
Es liegt nicht am Charakter, sondern am Portemonnaie
Der Tierschutz vergleicht in seinem Dossier die Hochleistungskuh mit einem gedopten Radtourenprofi. Denkt man seine Schlussfolgerungen jedoch zu Ende, dann wäre das, als würde man statt den Profis leicht übergewichtige Hausfrauen mit einer halben Banane als Proviant über die Pyrenäen radeln lassen. Und zum Schluss würde man noch die Fernsehzuschauer dazu aufrufen, sich das Spektakel ja nicht anzuschauen und mögliche Sponsoren gleich auch noch zu boykottieren. Denn der Zürcher Tierschutz gibt seinem Leser auch Ratschläge, wie er das Leben der Kühe verbessern kann. Indem er wann immer möglich auf Milch verzichtet, wenn schon, denn schon Bio kauft, keinesfalls im Ausland und wenn nötig gleich selbst beim Landwirt vorbei fährt und sich vom Wohlergehen der Kühe überzeugt. Das mag gut und recht sein, behebt aber nicht die Ursache der Milchkuhausbeutung. Es ist nämlich nicht der schlechte Charakter des Landwirts, der zu Missständen führt, sondern sein schmales Portemonnaie. Und das erwähnt der Tierschutz nicht. Er schreibt auch nicht, dass Umweltvorschriften die Landwirte zwingen, weniger Tiere auf ihrer Fläche zu halten. Will er gleich viel Milch produzieren, muss das einzelne Tier mehr Milch geben. Oder dass Tierschutzvorschriften Stallplätze 15 000 Franken kosten lassen. Da spielt es eine Rolle, ob für 40 oder 100 Kühe gebaut wird, ob auf einem Kuhplatz 3500 oder 10 000 kg Milch pro Jahr produziert werden. Gibt jede Kuh nur noch halb soviel Milch, hat der Landwirt unter dem Strich für die gleiche Milchmenge doppelte Arbeit. Bei Stundenlöhnen um Fr. 10.– ist das recht einschneidend. Auch erwähnt der Tierschutz nicht, dass sich der Milchpreis für den Produzenten in den vergangenen Jahren halbiert hat. Und der Talboden ist, geht es nach den Verarbeitern, nicht erreicht.
Der Milchpreis ist der Schlüssel
Und all diese Probleme lassen sich auf einen Schlag lösen, wenn man statt zu fordern etwas gibt. Nämlich einen deutlich höheren Milchpreis. Es braucht all diese Vorschriften nicht mehr, wenn man den Landwirten die Zeit und das Geld gibt, sich richtig um ihre Tiere zu kümmern. Die Landwirte sehen selbst, wann es ihnen und ihren Tieren nicht gut geht. Nur ist das Korsett so eng, dass sie nicht reagieren können. Indem man das Korsett noch enger schnürt, löst man keine Probleme. Aber man würgt die Milchproduzenten mitsamt ihren Kühen ab. Und auch hier hat der Tierschutz recht. Es ist am Ende der Konsument, der entscheidet, was wie produziert wird. Und darum ist es auch richtig, den Konsumenten aufzuklären. Aber nicht, indem er mal in den Stall guckt, sondern indem er beim Einkauf mit einem entsprechenden Preis eine entsprechende Tierhaltung honoriert.
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