Die Nachzucht auf dem eigenen Betrieb aufziehen braucht Zeit und Platz. Eine andere Möglichkeit ist, die Remonten ausserhöfisch auf Aufzuchtbetriebe zu geben und vor dem Abkalben zurückzuholen. In den Kantonen ist das unterschiedlich stark verbreitet. Dort, wo die Vertragsaufzucht gängige Praxis ist, fehlen jedoch zunehmend genügend Aufzuchtplätze. Dies hat eine Umfrage der BauernZeitung ergeben.

Es wird lieber Milch oder Fleisch produziert

Abo Es stehen wieder Kühe im Stall: Lukas, Lisbeth und Walter Auf der Maur (v. l. n. r.) mit der Patrol-Jungkuh Lidya. Tierhaltung Ab diesem Winter werden auf dem Hof Ried wieder Kühe gemolken statt Jungvieh aufgezogen Wednesday, 25. January 2023 «Die Landwirte füllen die Ställe mit produzierenden Kühen und wollen die Aufzucht auswärts geben.» Dies erklärt Ronny Schweizer von der Abteilung Tierzucht und Viehabsatz des Ebenrain-Zentrums für Landwirtschaft, Natur und Ernährung im Kanton Basel-Landschaft auf Anfrage. Für Schweizer hängt dies mit dem steigenden Milchpreis zusammen. Die Suche nach freien Aufzuchtplätzen wurde jedoch in den vergangenen Jahren immer schwieriger. Ein weiterer Grund für das knappere Angebot an Aufzuchtplätzen seien die momentan guten Fleischpreise, ergänzt Franz Philipp, Geschäftsführer von der IG Schwyzer Vertragsaufzucht. Talbetriebe, die mit der Milchviehhaltung aufhörten, würden vermehrt in die Fleischproduktion wie die Mutterkuhhaltung einsteigen, statt dass sie Jungvieh aufziehen.

Alle Plätze sind ausgebucht

Freie Aufzuchtplätze sind auch im Kanton Graubünden rar. «Viele Betriebe haben sich darauf spezialisiert. Aber die Nachfrage ist grösser als das Angebot», sagt Andreas Caduff vom Plantahof. Die Zentralschweizer Rinder-Aufzuchtplätze sind mehrheitlich gut besetzt. «Im Kanton Schwyz wurden uns im Vorwinter rund sechzig freie Plätze gemeldet. In früheren Jahre lag dieser Wert immer um die hundert», erklärt Franz Philipp. Die Mitgliederzahl der IG sei hingegen mit gut sechzig Betrieben seit Jahren konstant. Auch in Uri gebe es keine Anzeichen, dass Aufzuchtvieh aus dem Tal fehlen würde. «Die Mehrheit unserer professionellen Aufzuchtbetriebe sind gut ausgelastet. Vor allem nach Aufzuchtplätzen, wo die Tiere intensiv gehalten werden, besteht eine schöne Nachfrage», so Adrian Arnold vom LBBZ Seedorf.

Viel Jungvieh wird in Obwalden gealpt

Im Kanton Obwalden sind die Aufzuchtplätze laut Thomas Käslin vom Amt für Landwirtschaft und Umwelt mehrheitlich besetzt. Viele Partnerschaften würden schon seit Jahren bestehen. Der grösste Teil des Jungviehs werde gealpt. Das erschwere es den Aufzuchtbetrieben, dem Wunsch der Talbetriebe nach einer intensiven Aufzuchtstrategie nachzukommen, erklärt Käslin. Betriebsleiter, die aus der Milchviehhaltung ausstiegen, würden eher auf Mutterkuhhaltung setzen. Es gebe vermehrt auch Bergbetriebe, welche Kälber selber ankauften und später als Jungkühe vermarkteten. Dadurch seien sie in der Wahl des Abkalbealters flexibler.

Modelle der Vertragsaufzucht
Bei der Vertragsaufzucht gibt es zwei unterschiedliche Modelle:
- Aufzuchtvertrag mit Tagesentschädigung. Das Tier gehört dabei dem Züchter.
- Aufzucht- und Rückkaufvertrag. Die Kälber werden für einen Richtpreis an den Aufzuchtbetrieb abgegeben. Der Rückkauf erfolgt etwa vier Wochen vor dem errechneten Abkalbetermin.

Die Agridea stellt kostenlos einen Aufzucht- und Rückkaufvertrag zur Verfügung. Darauf wird auch ersichtlich, wie sich der Rückkaufpreis zusammensetzt. Die Berechnungsgrundlagen für die Preise werden jährlich von der Preiskommission überprüft und angepasst. Die Monatspauschalen richten sich nach dem jeweiligen Erstkalbealter (EKA). Diese liegen bis August beim EKA von 24 Monaten bei 133 Franken, beim EKA von 34 Monaten bei 91 Franken. Laut Ronny Schweizer vom Ebenrain-Zentrum in Sissach BL sollten beide Modelle finanziell etwa «auf dasselbe rauskommen». Schweizer rät beim Modell mit der Tagesentschädigung: «Besprecht die Details, etwa, wer welche Kosten trägt, genau zusammen und haltet diese Abmachungen schriftlich fest.» Dazu gehöre auch, was mit den Verträgen passiere, wenn bei einem der Betriebe ein Generationenwechsel stattfinde. 

Auch Aufzuchtplätze für Biotiere sind gesucht

«Die meisten Aufzuchtbetriebe in unserem Kanton St. Gallen sind ausgebucht, sodass wir Anfragen nach Aufzuchtplätzen kaum mehr vermitteln können», sagt Thyas Künzle, Berater am LZSG Flawil. Ein oder zwei Kälber unterzubringen, sei noch möglich, aber sobald es darüber hinausgehe, werde es schwierig. Ähnlich ist die Situation im Kanton Thurgau. «Ich schätze, dass in unserem Kanton dreissig bis fünfzig gute Aufzuchtplätze fehlen, vor allem auch im Biobereich», sagt Jenifer van der Maas vom landwirtschaftlichen Zentrum Arenenberg. Aufgrund der Futterknappheit durch den trockenen Sommer mit ein bis zwei fehlenden Schnitten würden viele gerne ihre Aufzuchtkälber verstellen.

Der Kantönligeist ist aktiv

Unterschiedlich gehandhabt wird die Vermittlung von Aufzuchtplätzen. Die Agridea führt eine Liste mit Vermittlungsstellen. Diese sind beispielsweise in den Kantonen Basel-Land, Solothurn, Thurgau (Arenenberg) und St. Gallen (LZSG Flawil) in den landwirtschaftlichen Zentren zu finden. Teilweise sind sie auch bei den kantonalen Bauernverbänden (Schwyz) oder beim kantonalen Amt für Landwirtschaft angesiedelt. Kein Thema ist das Aufzuchtvertragsmodell im Kanton Freiburg. Dort würden die Milchproduzenten die Remonten meist selbst nachziehen.

Im Kanton Bern bietet der Bauernverband für seine Mitglieder eine Aufzuchtbörse an, auch hier fehlen Aufzuchtplätze. Andere Kantone führen eine Liste der Aufzuchtbetriebe auf der Homepage, so auch der Kanton St. Gallen. «Die Aufzuchtbetriebe werden von Zeit zu Zeit von uns angeschrieben und geben uns eine Rückmeldung bei Veränderungen und wenn Plätze frei geworden sind», sagt Thyas Künzle.

Ein nationales Angebot hätte Vor- und Nachteile

Skeptisch ist Jenifer van der Maas, was eine nationale Koordinationsplattform betrifft: «So eine nationale Aufzuchtbörse, die zeitnah Angebot und Nachfrage erfasst, wäre nützlich. Aber in der jetzigen Situation findet jeder gute Aufzuchtbetrieb Kälber, und es gibt keine Notwendigkeit, sich durch zusätzlichen Aufwand noch irgendwo zu registrieren.»

Der Preisdruck ist trotz Nachfrage da

«Wir empfehlen, sich an die Richtpreise zu halten. Sie werden jährlich angepasst und im August veröffentlicht», sagt Thyas Künzle. In den vergangenen zwei Jahren stieg der Richtpreis für die Vertragsaufzucht analog zu den besseren Preisen für Schlacht- und Nutzvieh sowie dem Milchpreis. «Aber die Wertschöpfung und das wirtschaftliche Weiterkommen ist in der Aufzucht eher begrenzt», sagt Jenifer van der Maas. Zumal es, wie Adrian Arnold vom LBBZ Seedorf bestätigt, trotz der guten Nachfrage im Kanton Uri aber vielfach schwierig sei, insbesondere bei einem jungen Abkalbealter, die empfohlenen Richtpreise für die Monatspauschalen zu realisieren.

Egal in welcher Form, hauptsache schriftlich

Auch gibt es Betriebsleiter, die gar keinen Agridea-Aufzuchtvertrag abschliessen, sondern einfach ein Futtergeld vereinbaren, stellt Jenifer van der Maas fest. Der Aufzuchtbetrieb steht dann in einem Auftragsverhältnis. «Wichtig ist in jedem Fall ein schriftlicher Vertrag. Oft bekomme ich es aber mit Fällen zu tun, wo nur eine mündliche Abmachung bestand. Bei Problemen, wenn die Tiere nicht so zurückkommen, wie man es sich vorgestellt hatte, steht Aussage gegen Aussage. Das geht gar nicht», sagt die Beraterin.