«Darauf hätte man eigentlich schon viel früher kommen sollen», sagt ein Landwirt, der Ende Juni am Erfahrungsaustausch in Oberbottigen teilnimmt. Er zupft am Jutenetz, das um die frisch gepresste Heuballe gewickelt ist, und schüttelt ungläubig den Kopf: «Genial», sagt er. Es geht um das fressbare Ballennetz aus Jutefasern.
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Für den Fachabend, den die BauernZeitung zusammen mit dem Fachmagazin «die grüne» und dem Agrarservice Schneeberger und Berger organisiert hat, ist der neuseeländische Entwickler des Netzes, der ehemalige Berufstaucher und heutige Bauer Grant Lightfoot, extra in die Schweiz gereist. Und das nicht vergebens: Am Erfahrungsaustausch wollen über 60 interessierte Landwirte und Landwirtinnen, Vertreter aus der Branche, Lohnunternehmer, Senioren und ihre Junioren wissen, was Sache ist. Es wird gefachsimpelt, gehandelt, debattiert. Es werden E-Mailadressen ausgetauscht und Visitenkarten überreicht.
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«Wo kann ich das Netz kaufen?»
Die Plastik-Problematik beschäftigt die landwirtschaftliche Basis, zudem verunmöglicht das Nylonnetz in manchen Situationen auf dem Betrieb einen effizienten Arbeitsablauf. Das passiert beispielsweise beim Eingeben einer Heu- oder Siloballe in den Futtermischwagen oder beim Vorlegen von Heu für Pferde oder für Rindvieh in der Futterraufe. Da sind sich die anwesenden Bauern an diesem sommerlichen Abend einig. Könnte man das Ballennetz dranlassen, weil es biologisch abbaubar ist, würde dies einerseits weniger Abfall verursachen und es würde Arbeitszeit einspart.
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Der Erfahrungsaustausch scheint einen Nerv zu treffen – der Bauer aus dem Süden Neuseelands wird mit Fragen gelöchert: «Wo kann ich das Jutenetz bestellen?», «Wird es möglich sein, für die nächste Saison bereits mit dem Jutenetz Rundballen pressen zu können?», «Haben Sie schon daran gedacht, ein Jutenetz für das Pressen von Quaderballen zu entwickeln?», «Baut sich das Netz unter der Silofolie nicht von selber ab?» und «Wie hoch ist die Reissfestigkeit?»
Eckdaten Ballennetz aus Jutefasern
Wir haben die wichtigsten Eckdaten zum Jutenetz zusammengestellt:
Dimension der Rolle: 1250 mm x 3 cm x 500 m und 1625 mm x 3 m x 500 m
Material: Aus dem untersten Stängelteil der Jutepflanze (Corchorus olitorius)
Kosten pro Rolle (ohne Gewähr): 135 USD, umgerechnet ca. 107 Fr.
Gewicht: 30 kg/Rolle
Herstellung Netz: Indien, in tropischen Klima. Laut Hersteller ohne Pflanzenschutzmittel und ohne genveränderte Organismen (GVO)
Benötigte Umdrehungen pro Balle: für Heuballe 2,5; für Siloballe 2
Kompatibilität des Netzes: Alle Rundballenpressen wurden laut dem Hersteller getestet und schnitten gut ab.
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Im Interview mit dem Lohnunternehmer Urs Schneeberger aus Oberbottigen, der das Jutenetz in verschiedenen Ballenpressen ausprobiert hat, erfahren Sie, was er von der Sache hält.
Der Berufstaucher und Landwirt entwickelt etwas, worauf viele gewartet haben
Der Landwirt Grant Lightfoot betreibt eine 400 ha grosse Farm im Süden Neuseelands. Dort hält er 500 Aufzuchtrinder und 300 Hirsche und macht auch Forstarbeiten auf seiner Farm. Der Bast des Hirschgeweihs wird nach China exportiert, wo er als Potenzmittel eingesetzt wird. Neben seiner Tätigkeit als Landwirt hat Lightfoot 27 Jahre lang als Berufstaucher auf Offshore-Ölplattformen gearbeitet. Diese Arbeit beinhaltet die Reparatur und Wartung von Ölpipelines in einer Tiefe von bis zu 200 Metern unter Wasser. Dafür hat Lightfoot jeweils bis zu 45 Tage am Stück in engen Dekompressionskammern verbracht. Dort, eingepfercht mit fünf anderen Technikern, ist die Idee des abbaubaren Ballennetzes entstanden.
Vor zwei Jahren hat Lightfoot den ersten Prototyp von Hand angefertigt, dann folgte ein langer Prozess – mit allen Hochs und Tiefs. Er führte Tests durch, bat Branchenkenner um Rat, sprach mit vielen anderen Landwirten, denen das Plastik um die Rundballen ein Dorn im Auge ist, und gründete schliesslich seine Firma «Kiwieconet». Viel Geld hat er seither in das Projekt und dessen Entwicklung investiert. «Zurückgekommen ist bis jetzt noch kein Cent, aber das wird sich hoffentlich bald ändern», so Grant Lightfoot. Dass er jetzt in Europa und anschliessend auch in den USA sein Produkt vorstellen kann, und dass das Interesse derart gross ist, sei ein Highlight, sagt er.
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«Ich habe schon mal 500 Rollen vom Jutenetz bestellt»
Bruno Aemisegger, Sie sind Importeur von Siloballenfolie und Netz in die Schweiz. Wo sehen Sie Potenzial für das Rundballennetz aus Jutefasern?
Ich denke, das Jutenetz könnte für Landwirte spannend sein, die viel Dürrfutter und Stroh produzieren. Denn bei der Siloballenproduktion geht der Trend eher Richtung Mantelfolie, die komplett recyclet werden kann. Aber für Landwirte, die Wert darauf legen, möglichst wenig Kunststoff zu verbrauchen, für solche wäre das Jutenetz sicherlich eine gute Alternative.
Wo sehen Sie mögliche Herausforderungen?
Das Hauptproblem ist sicherlich, dass auf einer Rolle Jutenetz lediglich 500 Meter Netz darauf sind. Gerade für Landwirte und Lohnunternehmer, die viele Ballen an einem Tag pressen, wird dies eine Herausforderung darstellen. Mittlerweile besitzen aber viele Betriebe eine eigene Rundballenpresse. Ich denke, auf solchen Betrieben, die ihr Futter selbst pressen, wäre die Verwendung des Jutenetzes durchaus umsetzbar. Und vielleicht wird man das Jutenetz bald weiterentwickeln und die Rollendimensionen entsprechend anpassen.
Haben Sie selbst Interesse daran, dieses Netz zu importieren?
Ja, ich habe bereits 500 Rollen beim Entwickler bestellt und schaue mal, wie das Interesse meiner Kunden am Jutenetz ist. Falls die Nachfrage gross ist, würde ich das Jutenetz sicherlich in unser Sortiment aufnehmen.