Das Futter von Bio-Zucht- und Bio-Mastschweinen darf seit 2023 ausser dem Einsatz von konventionellen Molkereiabfällen (Schotte) keine konventionellen Komponenten mehr enthalten. Vorher galt, dass fünf Prozent nicht biologische Eiweisskomponenten verfüttert werden konnten. Voran gegangen war dieser 100-Prozent-Regelung Biofütterung ein Projekt des FiBL, das die Auswirkungen untersuchte. Das FiBL kam zu Schluss, dass eine 100-%-Biofütterung machbar sei.
Betriebe steigen aus
[IMG 2] Machbar ist vieles, aber ist es auch wirtschaftlich? Nein, sagen Andreas Bracher und Ueli Diem. Bracher ist Präsident der Interessengemeinschaft Schweizer Bioschweinehalter (IGBSS), wo alle Bioproduzenten, die in den Grosshandel liefern, vertreten sind. Ueli Diem ist Schweinemäster aus Siegershausen und Mitglied der Bio-Suisse-Fachgruppe Fleisch.
«Ich habe Abrechnungen gesehen, die sehr schlecht daher kommen», sagt Bracher und Diem befürchtet, dass Bioschweinemäster aufgrund der Rentabilität aussteigen werden. «Wir sind ein kleiner Markt und setzen pro Jahr 42'000 bis 44'000 Mastschweine ab. Wenn Betriebe aussteigen, ist die Marktversorgung des Biokanals nicht mehr sichergestellt. Zudem ist es eine Katastrophe für die Züchter, die ihre Ferkel nicht mehr absetzen können», sagt Ueli Diem. Gründe für mangelnde Rendite sind einerseits die steigenden Futtermittelpreise, der höhere Futterverbrauch und andererseits die Abzüge am Schlachthof für mangelnde Fettqualität – verursacht durch die 100-Prozent-Biofütterung.
Für die fünf Prozent konventionellen Komponenten wurde Kartoffelprotein eingesetzt, welches die Proteinqualität des Futters verbessert. Nun ist aber Kartoffelprotein in Bioqualität schwierig zu bekommen. Die Konsequenz ist, dass die Fettqualität, die mit einem sogenannten PUFA-Wert gemessen wird, beim Schlachtkörper sinkt und es entsprechende Abzüge gibt (siehe Tabelle). Die Limite bei der PUFA-Abzugsmaske lag früher bei 15,5. Die Branche war sich bewusst, dass die 100-%-Regel Probleme mit sich bringen wird, und passte die Abzugsmaske dank Goodwill der Abnehmer auf den PUFA-Wert 17 an.
Schlechte Futterverwertung
[IMG 3] «Durch 100-Prozent-Biofütterung haben wir eine schlechtere Futterwertung und die Schweine sind länger auf dem Betrieb», sagt Ueli Diem, und Andreas Bracher ergänzt: «Und wenns schlimm geht, kommen noch massive PUFA-Abzüge dazu.»
Jene Mäster, die Schotte verfüttern, seien etwas besser dran mit den PUFA-Werten. «Sie brauchen mehr Futter, sind aber mit den PUFA-Werten im normalen Bereich», fügt Andreas Bracher an und weiter: «Es ist eine verzwickte Situation und ich mache mir keine Illusion, dass man auf die 5-Prozent-Beigabe aus konventionellem Futter zurückkommen würde.»
Auch Soja, Rapskuchen oder Sonnenblumen sind keine Lösung, denn diese haben ungesättigte Fettsäuren. Das wird zwar für die menschliche Ernährung geschätzt, nicht aber im Schweinefleisch und gibt Abzüge. Die Verarbeiter wollen einen möglichst hohen Anteil gesättigter Fettsäuren, die nicht mit Sauerstoff reagieren. So schwitzt der Speck weniger, und wenn man Salami mache, habe man weniger Geschmiere am Messer. Laut Andreas Bracher fliessen 80 Prozent des Bioschweinefleisches in die Verarbeitung.
Laut «Bioaktuell» waren im März 60 % der Posten ohne Abzüge. Bei 25 % lagen die Abzüge bei 1 und 5 Rappen. 14 % bekamen Abzüge zwischen 40 und 70 Rappen. Der Deckungsbeitrag sinkt bei 40 Rappen um über die Hälfte und bei 70 Rappen kommt man nicht mal mehr auf Fr. 30.–. «Solche Abrechnungen treffen die Buchhaltung empfindlich. Diese Betriebe verlieren sehr viel Geld», sagt Andreas Bracher.
Mäster im Dilemma
Ueli Diem liegt mit seinen 500 Mastsauen mehrheitlich unter der 17%-Grenze und hat Abzüge zwischen 1 und 5 Rappen pro Kilo Schlachtgewicht. «Entweder ist man mit dem PUFA-Wert einigermassen im Reinen und nimmt eine schlechtere Futterverwertung in Kauf oder man setzt auf bessere Futterverwertung und schiesst dafür mit den PUFA-Werten obenaus», sagt er.
Nicht nur auf den Herbst hin sorgt sich Ueli Diem, sondern er denkt schon an das Jahr 2025. «Bis Ende 2025 sind Ferkel bis 35 kg von dieser 100%-Regelung ausgenommen. Aber ob dann die Qualität der Jagerli gleich bleiben wird und ob der Züchter mehr Ferkelverluste zu beklagen hat?», fragt sich Diem.
Kostenseitig wird alles kostspieliger, hingegen bei den Einnahmen ist alles wie gehabt. Der Richtpreis beträgt Fr. 7.60 (ab Hof) beziehungsweise Fr. 7.80 (Schlachthof). Aufgrund der Sommerferien sinkt aber die Nachfrage. Mit Sorge blickt Ueli Diem auf den Herbst, denn die jetzige PUFA-Maske mit den 17 % gilt nur bis Ende September 2023. Er meint: «Wird diese jetzige PUFA-Maske nicht weitergeführt beziehungsweise die PUFA-Maske zurück auf 15 % gesetzt, wäre dies katastrophal.»
Im August wisse man mehr
Was unternimmt Bio Suisse? Mediensprecher David Herrmann sagt, das Produktmanagement sei auf dem Laufendem über die Problematik. «Wir möchten die jetzige PUFA-Maske verlängern. Das verschafft Luft, um Alternativen zu prüfen. Wir suchen auch neue Beschaffungsmärkte für Bio-Kartoffelprotein. Neue Futtermittelzusätze könnten die Qualität der Futter verbessern, Futtermühlen könnten ihre Rezepturen weiter optimieren», sagt er. Deshalb führt Bio Suisse mit den Abnehmern Gespräche, dass die jetzige angepasste PUFA-Maske über den 1. Oktober hinaus verlängert werden könnte. Bio Suisse ist vorsichtig optimistisch, eine dauerhafte Übernahme der jetzigen angepassten PUFA-Maske sei aber kein Thema. Im August werde man mehr wissen.
Herrmann verweist auf das Beratungsprojekt vom FiBL, welches durch die Bio Suisse finanziert wird. In einem gegenwärtig laufenden Projekt können sich die Landwirte kostenlos beraten lassen. Zusätzlich hat das FiBL Peter Stoll, ehemaligen Futtermittelexperte von Agroscope, als Berater engagiert, der die Futtermischungen und -rezepturen der Futtermühlen analysiert und Verbesserungsvorschläge macht.
Wie verfügbar ist Bio-Kartoffelprotein? Antworten von Futtermittelproduzenten
[IMG 4] Jessica Kamm: Rezepturen sind ausgeschöpft
«Bio-Kartoffelprotein hat etwas tiefere Proteinwerte als konventionelles und ist doppelt so teuer. Wir konnten im November 2022 genau noch einen Lastwagen voll kaufen. Mehr war nicht möglich. Wir müssen gut haushalten, bis im November Bio-Kartoffelprotein wieder verfügbar ist. Erbsen oder Ackerbohnen als Ersatz vertragen die Schweine nicht gut, fressen es nicht gern. Deshalb ist der Einsatz begrenzt. Die rezepturtechnischen Möglichkeiten sind ausgeschöpft. Das müssen auch die FiBL-Fachleute begreifen. Auf Zuchtfortschritt hoffen, wo Schweine mit 80 % Aminosäuren-Bedarfsabdeckung auskommen, ist illusorisch. Die Futterverwertung bei den Schweinen hat sich um 10 bis 15 % verschlechtert. Bei 3,2 kg für 1 kg Zuwachs Futterverwertung verdient der Produzent nichts. Dafür braucht man auch nicht Tausende von Franken in Projekte hineinzubuttern.»
[IMG 5] Eric Droz: «Soja und Rapskuchen im Endmastfutter kommen aufgrund der PUFA-Problematik als Proteinträger nicht infrage. So mussten durch den Wegfall des konventionellen Kartoffelproteins die Proteingehalte im Futter gesenkt werden. Dies führt unweigerlich bei den Betrieben zu einer tieferen Mastleistung. Wir von der Biomühle Lehmann haben jedoch bereits 2021, als noch keine 100-Prozent-Biofütterung galt, Bio-Kartoffelprotein eingekauft. So konnten wir mit der neuen 100-Prozent-Regelung eine stabile Versorgung mit unserem Lieferanten aufbauen. Alternativ zum Bio-Kartoffelprotein kommen bei uns auch ein Bio-Erbsenproteinkonzentrat und ein Nebenprodukt aus der Schnapsherstellung zum Einsatz. Jedoch sind verfügbaren Mengen überschaubar. Doch alle diese Produkte helfen uns, die Reduktion zu verringern. »
[IMG 6] Lukas Grüter: «100 % Bio-Schweinefütterung ist ein schmaler Grat zwischen wirtschaftlichem Leistungsparameter und abzugsfreier Fettqualität. Aufgrund der Labelvorgaben und der begrenzten Rohwarenverfügbarkeit sind die Möglichkeiten für 100 % Biofuttermittel eingeschränkt und bieten wenig Spielraum in den Rezepturen. Die Verfügbarkeit von Kartoffelprotein in Knospenqualität im Ausland ist knapp und reicht nicht aus, um die Problematik zu lösen. Die Suche nach konzentrierten Proteinen aus Leguminosen und anderen pflanzlichen Proteinquellen ist ein Dauerauftrag. Alternativen, die preislich attraktiv sind, sind schwierig, da der Schweizer Markt für diese Nachfrage eine einsame Insel ist. Jeder Teil der Wertschöpfungskette ist gefordert, eine zukunftsfähige und wirtschaftliche Bioschweinefleisch-Produktion zu erhalten.»