Die Rasse Original Braunvieh hat sich in den vergangen Jahren enorm entwickelt, der Herdebuch-Tierbestand wird bald die Grenze von 15 000 Tieren übersteigen. Grundsätzlich hat die Doppelnutzungsrasse auch eine blendende Zukunft vor sich. Sie überzeugt mit ihrer Vielseitigkeit und Robustheit insbesondere im Voralpen- und Berggebiet, also genau in den Regionen, wo auch zukünftig wenig Ackerbau möglich ist und somit nur dank dem Wiederkäuer standortgerecht Lebensmittel für den Menschen produziert werden können.
Erbfehlerstiere hoch im Kurs
Doch trotz dieser rosigen Aussichten stellt sich aber angesichts des aktuellen OB-Genetik-Angebotes die Frage: Wie viel sieht die OB-Kuh zukünftig selber noch? Viele der absoluten Top-Stiere der vergangenen Jahre wie der Euterspezialist Harlei, die rassenprägenden Stiere Rino und Vero U-Bach oder der Fitnessstier Orlando wurden von den Original-Braunvieh-Züchtern stark eingesetzt und sind alle mischerbige Trägertiere (O1C) des Erbfehlers Original Braunvieh Haplotyp 1 (OH1). Dazu kommt, dass auch der frischklassierte Top-Muni Minor Morin oder Jungstiere wie Tiago O1C-Tiere sind.[IMG 1]
Wirtschaftliche Verluste
Ist auch das mit solchen Stieren angepaarte weibliche Tier ein mischerbiges Trägertier, besteht ein Risiko von 25 Prozent, dass das aus dieser Paarung geborene Kalb ein reinerbiges Trägertier (O1S) wird und damit eine mehr oder weniger ausgeprägte Sehschwäche hat. Vielfach fallen solche Kälber, solange sie mit anderen Tieren im Laufstall oder im Laufhof mitlaufen können, noch gar nicht gross auf. Geht es dann aber auf die Weide, laufen betroffene Jungtiere oft durch die Zäune, mit der entsprechenden Gefahr, sich zu verletzen oder gar abzustürzen. Sehschwache Zuchttiere müssen spätestens zu diesem Zeitpunkt vielfach geschlachtet werden. Zu dem Verlust von interessanter Genetik kommen für die Landwirte noch der wirtschaftliche Schaden und ein Mehraufwand dazu.
Gentest schafft Klarheit
Mittels des Standard-Gentests kann bei Kälbern heute einfach eruiert werden, ob diese Trägertiere sind. Somit können Züchter, die alle ihre weiblichen Tiere genomisch testen, Risikopaarungen vermeiden und bei Bedarf mit erkannten O1C-Tieren gezielt weiterzüchten, auch wenn diese den Gendefekt zu 50 Prozent weitervererben.
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Wichtige Stierenauswahl
Doch nur wenige Original-Braunvieh-Züchter testen alle ihre Kälber genomisch konsequent und erkennen dadurch auch ihre weiblichen Trägertiere im Stall nicht. Wenn sie dann auch noch bei der Auswahl der Stiere unaufmerksam sind, steigt das Risiko an. Das ist schneller passiert, als man meint, denn auch das geübte Auge muss in den Hochglanzkatalogen der Genetik-Anbieter ganz genau hinschauen, um die Erbfehlerbezeichnung O1C zu erkennen.
Gefahr für die Rasse
«90 Prozent der Landwirte haben heute nicht die Übersicht, welche Stiere wirklich den Erbfehler O1C haben», so Josua Looser, Vorstandsmitglied des Original-Braunvieh-Zuchtverbandes und selber auch als aktiver Besamer unterwegs, gegenüber der BauernZeitung. Und da aktuell auch viele der OB-Top-Stiere diesen Erbfehler aufweisen, steige das Risiko für die Rasse überproportional an. «Für unsere Rasse ist es darum sehr wichtig, dass die OB-Züchter ihre Anpaarungen genau planen und auf die Erbfehlerdeklaration achten», so Looser weiter.
Kommentar
Zukünftig genau (hin)sehen
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Wenn bei einer aufstrebenden Rinderrasse der Vater der aktuellsten OB-Schausiegerinnen, der nach Gesamtzuchtwert höchste OB-Jungstier im KB-Einsatz und zwei der Top Vier bei den nachzuchtgeprüften OB-Stieren alle einen Erbfehler aufweisen, lässt das aufhorchen.
Ob Harlei, Orlando, Tiago oder Morin, alle diese absoluten Top-Vererber sind mischerbige Träger-Tiere (O1C) des Erbfehlers Original Braunvieh Haplotyp 1 (OH1). Für Züchter, die noch nie ein OB-Tier mit einer Sehschwäche im Stall hatten, ist dieses Problem vielfach noch weit weg.
Bauern und Älpler aber, die schon ein reinerbiges Träger-Tier (O1S) mit einer Sehschwäche hatten, wissen: Solche Tiere können kaum gealpt oder geweidet werden und müssen meist schon als Jungtier geschlachtet werden. Dank der genomischen Typisierung können heute Träger-Tiere erkannt und entsprechend angepaart werden. Dies tut aber nur eine Minderheit. Entsprechend unklar ist der OH1-Status in vielen Ställen. Umso wichtiger ist es darum, dass die OB-Züchter bei der Stierenauswahl ganz genau hinschauen – damit auch ihre Kälber zukünftig genug sehen.
r.betschart@bauernzeitung.ch
