Auf den Flanken der jungen Milchkühe klebten bunte Blumen und Oktopusse. Nein, hier fand kürzlich nicht etwa ein Kreativworkshop im Kuhstall statt, sondern der Kurs «Taping am Rind». Dazu hatte sich am Strickhof in Lindau ZH im März 2024 eine Gruppe von Teilnehmer(innen) zusammengefunden, mehrheitlich Frauen, die zu Hause Kühe halten oder einen tierheilpraktischen Hintergrund haben. «Der Grundgedanke dieser Therapieform ist, das Tier bei der Heilung zu unterstützen», hielt Kursleiterin Rösmi Aeschlimann fest.
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Die Haut beginnt zu wellen
Dabei kommen flexible Baumwollbänder (Tapes) zum Einsatz, welche auf die Haut respektive beim Tier auf das Fell geklebt werden. Der Taping-Effekt ist physikalisch: Das Band erzeugt je nach angewandter Technik verschieden starke Zugkräfte, welche die Haut anheben. «Ziel ist es, Raum zu schaffen», erklärte Rösmi Aeschlimann, die hauptberuflich als Pferdephysiotherapeutin tätig ist.
Gut sichtbar wird dies durch den Hautfalteneffekt: Die Haut unter dem Tape beginnt zu wellen, es entstehen sogenannte «Convolutions» (Faltungen). Dabei können sowohl Durchblutung als auch der Lymphabfluss angeregt und sogar neurologische Impulse gegeben werden. Dies geschieht durch in der Haut liegende Rezeptoren.
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Keine roten Bänder bei einer Entzündung
Die Taping-Methode geht auf den japanischen Chiropraktiker Kenzo Kase zurück, der in den Siebzigerjahren damit experimentierte. Zu Beginn verwendete er starre Tapes, die sich nicht bewährten. In der Folge entwickelte er ein flexibles Band aus Baumwollstoff, welches die Haut in ihrer Funktion nicht beeinträchtigt. «Heutiges Taping-Band ist hochelastisch und bringt den Körper sehr rasch zum Reagieren», sagte Rösmi Aeschlimann. Die Bänder sind in verschiedenen Farben erhältlich, deren Wirkungsweisen sich unterscheiden. «Daher sollte man die Farbe nicht dem Zufall überlassen», so die Therapeutin. Es gilt strikt: Bei einer Entzündung werden keine roten (oder pinken) Bänder verwendet, da die Farbe Rot aktivierend wirkt. Hier ist vielmehr Blau angezeigt, das einen beruhigenden Effekt hat.
Das Fell muss gut vorbereitet werden
Die Braunviehkühe hielten schön still, als die Kursteilnehmerinnen sich in Taping übten. Ein erster Versuch galt der Space-Technik. Dazu klebt man zugeschnittene Bänder sternförmig auf Schmerz- oder Triggerpunkte. «Wichtig ist, Ecken zuvor mit der Schere abzurunden, damit das Band besser kleben bleibt», ermahnte die Taping-Instruktorin. Damit es auf dem Fell besser hält, sprüht sie die geputzte und trockene Stelle jeweils vorher mit einem speziellen Haftspray ein.
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Falls die Haare zu lang sind, kann man das Fell auch lokal scheren. Es braucht etwas Übung, das Tape mit den Fingern richtig zu halten und es – je nach Verwendungszweck – mit oder ohne Spannung aufzukleben und darüber hinaus die Ausrichtung des Fells zu berücksichtigen. Anschliessend soll es mit den Fingern leicht «angetäppelt» werden.
Die Haupteinsatzgebiete von Taping sind:
- Aktivierung von Stoffwechselprozessen
- Unterstützung bei Entzündungen
- Aktivierung des lymphatischen Systems
- Schmerzreduktion
- Energetischer Einfluss auf die Meridiane.
Ein Oktopus auf der Flanke
Eine Teilnehmerin, die für den Kurs aus Deutschland angereist war, machte sich an der Kuh Rosabella an die Arbeit. Die Tierheilpraktikerin, die immer häufiger auch Grossvieh behandelt, möchte sich in die Methode einarbeiten. «Das ist der erste Kurs für Taping speziell bei Rindern, auf den ich gestossen bin.» Andere Teilnehmerinnen hatten sich angemeldet, um Taping bei ihren Kühen zu Hause auszuprobieren. Rösmi Aeschlimann stellte weitere Techniken vor, etwa das Lymphtaping, bei dem die Bänder aufgefächert aufgeklebt werden und welches optisch an einen Oktopus erinnert. Geübt wurde zudem ein Tape zur Entspannung der Muskulatur sowie eines zur Behandlung von Narben.
Es gibt auch Situationen, bei denen Taping nicht das Richtige ist. «Finger weg bei einer Wunde oder offenen Stelle», betonte Rösmi Aeschlimann. Auch bei einer akuten Entzündung wie Mastitis sei darauf zu verzichten. Erst wenn diese medizinisch behandelt wurde und am Abklingen ist, darf mit Taping unterstützt werden. Die Bernerin wies zudem darauf hin, dass die Methode kein Ersatz für den Tierarzt sei. Auch empfiehlt sie, einen Kurs zu besuchen, bevor man die Methode daheim im Stall einführt.
