Bei den meisten Milchviehrassen wird im Bereich des Angebots an genetisch hornlosen Stieren deutlich aufgerüstet. Einzig bei den Simmentalern fehlt ein entsprechendes Angebot. Reine genetisch hornlose Schweizer Simmentaler für die Milchviehzucht gibt es nicht – noch nicht. Das soll sich ändern.
«Viele Reinzüchter lieben die behornte Simmentalerkuh und den Rassecode 60. Bei diesen Züchtern kommt die Hornloszucht nicht gut an», weiss Andreas Bigler, Sire Analyst Simmental und Swiss Fleckvieh bei Swissgenetics. Und eben diese Züchter hätten bisher auch die Rassenpolitik geprägt. Die Nachfrage für Lebendtiere am Markt, aber auch das Interesse an Stierensamen aus Schweizer Genetik zeigen ein deutliches Interesse an genetischer Hornlosigkeit. «Weil bei den anderen Rassen ein klarer Trend zu hornlos gezüchteten Tieren erkennbar ist, hat Swissgenetics 2017 mit dem Stier Wahrhaft (PP) erstmals einen hornlosen Simmentaler-Fleckviehstier aus Deutschland im Toro Spezial publiziert», erzählt Bigler. Die Nachfrage sei in der Folge nicht extrem ausgefallen, aber doch gross genug, um seither immer ein bis zwei hornlose Stiere im Angebot zu führen. Letztes Jahr waren es Majestaet (PP) und Vollkommen (PP); in diesem Jahr Mahari P und Memory PP. «Wir haben nach Möglichkeit auch gesexte Dosen importiert. Die Genetik kommt aus der grossen europäischen Fleckviehpopulation primär aus Deutschland und Österreich», ergänzt Bigler.
Beschluss der Kommission
Im Herbst 2021 hat die Rassenkommission Simmental beschlossen, dass die Hornlosigkeit auch in die einheimische Reinzucht Einzug haben soll. Dazu wird eine Zusammenarbeit mit Genetikanbieter Swissgenetics getätigt. Die Hornlosigkeit ist aber auch bei den Simmentalern nichts Neues. Immer wieder haben vereinzelte Betriebe versucht, das Hornlosgen in ihren Beständen zu verankern. Natürlich hat es aus diesen Kühen auch Stierkälber gegeben. «Es gibt bereits vereinzelte hornlose Stiere mit Rassecode (RC) 60, aber diese haben das Hornlosgen noch aus Fleischlinien und sind bezüglich Zuchtwerte nicht ganz konkurrenzfähig», weiss Andreas Bigler. Genau deshalb führe der Weg über die hornlosen Importstiere aus Deutschland oder Österreich mit hohen Leistungszuchtwerten. Und dabei ist die Hürde für die eingefleischten Züchter mit traditionellem Hintergrund nicht nur der Anblick der Kühe ohne Hörner, sondern auch die Sache mit der Reinheit – dem Code 60. «Es dauert drei Generationen, bis die auf diesem Weg gezüchtete Nachkommen wieder Code 60 haben», weiss Bigler.
1986 Code 60 eingeführt
1978 gründeten Reinzüchter die Schweizerische Vereinigung zur Erhaltung und Förderung der reinen Simmentaler Fleckviehrasse (SVS). Zwei Jahre später folgte dann der Stempel «Orig. Simmental» auf den Abstammungsausweisen. 1986 wurde schliesslich der Rassecode 60 eingeführt, den nur Tiere tragen dürfen, die über drei Generationen in der Schweiz rein gezüchtet wurden. Nichts da von österreichischer und deutscher Fleckviehgenetik.
Aber der Markt fragt nach hornlosen Tieren. Das bestätigen auch mehrere Händler auf Anfrage der BauernZeitung. Denn die Anzahl angebundener Tiere nimmt ab und in vielen Laufställen seien behornte Tiere nicht gefragt. Warum dann nicht einfach Enthornen, wie es schliesslich bei vielen anderen Rassen hierzulande auch gang und gäbe ist? «Diese Manipulation am Tier können wir im Bereich der biologischen Produktion irgendwann nicht mehr rechtfertigen», sagt Ueli Schärz auf Anfrage.
Red Holstein im Sinkflug
Die Simmentalerkuh befindet sich auf den Schweizer Milchviehbetrieben zwar im Abwärtstrend, hat aber deutlich tiefere Rückgänge zu verzeichnen als andere rote Rassen. So befindet sich beispielsweise Red Holstein regelrecht im Sinkflug. Während vor zehn Jahren noch beinahe 130 000 RH-Tiere im Herdebuch von Swissherdbook eingetragen waren, ist der Bestand 2021 auf unter 80 000 Tiere gesunken.
Es ist kein Geheimnis, der RH-Kuh setzt ihre schwarze Schwester zu. Das Angebot dieser beiden Rassen bei den Genetikanbietern sei kaum zu vergleichen, monieren die RH-Züchter und greifen vermehrt zu Holsteingenetik, was aus der Grafik links hervorgeht. Auch im letzten Jahr sind Swissherdbook im Vergleich mit dem Bestand 2020 wiederum 3000 Tiere abhanden gekommen.
Im Gegenzug hält sich die Rasse Swiss Fleckvieh konstant auf einem Niveau von rund 65 000 Tieren. Unerfreulich daran ist, dass der Anteil Kreuzungstiere, sogenannte C-Tiere, jedes Jahr zunimmt (wir berichteten). Während 2014 etwas über 3000 SF-C-Tiere bei Swissherdbook ausgewiesen wurden, sind es 2021 bereits 24 000. Damit sind mehr als ein Drittel der SF-Tiere Kreuzungsprodukte mit SI- oder RH-Tieren.
Die Simmentaler kämpfen in Sachen Herdebuchtiere demnach an kleineren Fronten als ihre roten Kolleginnen im gleichen Verband. Neben der SVS (siehe Nachgefragt oben rechts) hat die Rasse mit «Simmentaler original» noch eine weitere Organisation, die sich insbe-sondere mit verschiedenen Vermarktungsprodukten aus dieser Rasse stark macht.[IMG 2]
Nachteile in Sicht
Der Präsident der Rassenkommission Simmental bei Swissherdbook geht davon aus, dass bereits in zehn Jahren der Biobetrieb mit Simmentalern mit dem Rücken zur Wand stehen könnte. Und genau das müsse verhindert werden. Diese Züchter stünden dann vor der Wahl auf Swiss Fleckvieh umzusatteln oder sich an der ausländischen Fleckviehgenetik zu bedienen. Und das habe schliesslich zur Folge, dass die Rasse Züchter und Herdebuchtiere verliere. Ueli Schärz nennt noch einen weiteren Nachteil: «Die leistungsstärksten Kühe der Deutschen könnten wir hier im Schweizer Berggebiet gar nicht mehr füttern», weiss er und spricht von «regelrechten Laufstall-Tigern».
Auf seinen Besichtigungen in Deutschland und Österreich sind ihm nur im Ausnahmefall Tiere auf der Weide begegnet. «Wir müssen nicht ihre Kühe holen. Das sind Tiere mit schweren Eutern, wenig Seite und Fundamenten, denen wir keine Berggängigkeit abverlangen könnten», weiss er. Es braucht also eigene hausgemachte Hornlosigkeit. Das Hornlosgen muss aber importiert werden, sei es nun über den Weg der Fleischrinder oder eben über die Landesgrenze. «Wir müssen mit den besten Tieren arbeiten», weiss Schärz. Das Ziel ist demnach klar. Man will die Simmentalerkuh im Schweizer Format erhalten – einzig die Hörner, die müssen weg, und das nur dort, wo die Züchter es explizit wollen.
Swissgenetics hat nun X-Dosen von weiteren hornlosen Stieren importiert. «Wir wollen damit potenzielle Stierenmütter aus starken Kuhfamilien gezielt anpaaren. So hoffen wir auf gute hornlose weibliche Nachkommen, die als Stierenmütter in Frage kommen. Die ersten Söhne werden zwar noch Rassencode 70 sein. Längerfristig ist RC 60 und PP das klare Ziel. Die Nachfrage wird auch die Breite des Angebots bestimmen», sagt Andreas Bigler, der weiss, dass noch ein langer Weg vor den Simmentaler-Züchtern liegt. «Wir haben das bei den SF-Stieren erlebt», erinnert sich der Sire-Analyst und spricht von rund zehn Jahren, die verstreichen werden, bis ein Code-60-Stier (PP) im Angebot von Swissgenetics stehen wird.
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Die Kanalisierung der Rohstoffe ist die grosse Herausforderung
Mehr Wertschöpfung aus der Simmentalerkuh. Das ist das Ziel des Vereins Simmentaler Original. Der Vorstand des Vereins ist aus Personen entlang der Wertschöpfungskette zusammengesetzt. Im Vorstand sitzen fünf Vertreter aus der Landwirtschaft, eine Person aus der Fleischwirtschaft, eine aus der Milchbranche sowie je eine Person vertritt den Detail- und Gastrogrosshandel. Unter anderen nehmen auch Martin Liechti, Präsident SVS, und Ueli Schärz, Rassenkommission SI, darin Platz.
Es läuft sehr viel
Im Verein läuft derzeit sehr viel, wie Geschäftsführer Simon Bach auf Anfrage ausführt. Einerseits gehe es um interne organisatorische Belange, andererseits ist man mit den Käseprodukten am Markt beschäftigt. Mehrere Produkte sind bereits im Angebot, so der Gstaader Käse und der Schönrieder Bergkäse. «Hinzu kommt die Pro-Montagna-Pastmilch, welche in Schwarzenegg BE abgefüllt wird und der Weichkäse Schangnauerli. Im Bereich Fleisch wird im Offenverkauf Fleisch von Simmentaler-Natura-Beef-Tieren ausgelobt. Bis heute beläuft sich der Umsatz auf über 6 Mio Franken», führt Bach aus.
Für die Lancierung von weiteren Fleischprodukten stelle zudem die Kanalisierung von Simmentaler-Schlachtvieh einen wichtigen Punkt der aktuellen Arbeit des Vereins dar. «Dies alles immer mit dem Ziel, dass man die Produkte an der Front ausloben und eine gute Nachfrage für die Simmentaler-Tiere erwirken kann», sagt Simon Bach.
Enge Zusammenarbeit
Zentral für den Verein sind Produktelancierungen im Bereich von Milch- und Fleischprodukten. Ende März wird der neue Käse «Simmentaler Original» lanciert. «Dieser neue Käse wurde in Zusammenarbeit mit Agroscope entwickelt und ist ein Leuchtturmprojekt für den Milchbereich von Simmentaler Original», erklärt Bach. Auf die Frage, welche Zusammenarbeit im Fokus stehe, erklärt er, dass die Zusammenarbeit mit den Partnern der Milch- und Fleischbranche für Simmentaler Original sehr wichtig sei. Diese Zusammenarbeit werde insbesondere auch im Vorstand praktiziert. «Weiter sind gerade auch Institutionen wie Agroscope, das Bundesamt für Landwirtschaft oder auch die Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften in Zollikofen BE sehr wertvolle Partner, mit denen wir zusammenarbeiten. Für die Unterstützung, die uns gerade auch von solchen Organisationen entgegengebracht wird, ist der Verein Simmentaler Original sehr dankbar», so Bach.
Die Herausforderungen
Gefordert ist der Verein insbesondere im Bereich der Kanalisierung der Rohstoffe. Wie trennt man die Produkte der Simmentaler von den anderen? «Gerade bei der Milch ist die Logistik eine grosse Herausforderung. Letztlich ist aber eine Kanalisierung der Schlüssel dazu, dass man die Menge der unter dem Gütesiegel vermarkteten Produkte deutlich steigern kann und so auch an Sichtbarkeit im Regal dazu gewinnen kann», sagt Simon Bach. Voll werde das Verkaufsregal immer sein und letztlich gehe es auch als Simmentaler Original darum, sich seinen Platz zu erkämpfen. «Ein tolles Produkt, dass letztlich die Konsumentinnen und Konsumenten überzeugt, ist dazu die Grundvoraussetzung», bilanziert er.

