Eine starke Betroffenheit herrschte an der Medienkonferenz des Glarner Bauernverbandes zum Thema «Stressor Wolf – Gewaltiger Schaden für Leib und Seele». Ein Blick in die anwesende Runde zeigte, dass nicht nur ich, sondern auch die anderen Frauen und Männer nur mit Mühe ihre Tränen zurückhalten konnten. Auf das, was wir hier zu hören bekamen, waren wir nicht vorbereitet. Vier Älplerinnen und Älpler berichteten von den gerissenen Tieren, der verzweifelten Suche nach Vermissten, der Hilflosigkeit und der Überforderung des letzten Sommers. Ihnen gebührt grosser Dank für die schonungslose, ehrliche Berichterstattung. Es braucht viel Mut, seine Leidensgeschichte öffentlich zu teilen.
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Wegbereiter für psychische Krankheiten
Herdenschutzmassnahmen und nachgewiesene Risse werden entschädigt, doch was ist mit den seelischen Wunden? Sie sitzen tief und können mit Geld nicht geheilt werden. Der über Wochen, teilweise Monate andauernde Stress ist der beste Wegbereiter für psychische Krankheiten wie Burn-out oder Depressionen. Allgegenwärtig ist das Raubtier. Während des Sommers zucken Alpverantwortliche bei jedem Telefonklingeln zusammen, ist es schon wieder passiert? Tag und Nacht zermartert man sich den Kopf, wie die eigenen Tiere noch besser geschützt werden können. In aufwendig erstellten Pferchen werden jede Nacht mehrere hundert Schafe auf engstem Raum zusammengedrängt und ihr gesundheitliches Wohl aufs Spiel gesetzt, um sie vor Angriffen zu schützen. Alles immer ohne Geling-Garantie.
Natürlichste Art der Nutztierhaltung
Nach der Alpzeit ist das Personal ausgelaugt und ausgebrannt. Hier wird die Gesundheit von Menschen bewusst aufs Spiel gesetzt. Und wir riskieren den Erhalt unserer Alpwirtschaft, die erst letzte Woche in die repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Unesco aufgenommen wurde. Unsere Alpen sind nicht nur wertvolles Kulturgut, sondern auch unsere artenreichsten Biodiversitäts-Hotspots und die natürlichste Art der Nutztierhaltung unserer Zeit.
Nicht mehr zum Joggen in den Wald
Besonders in Bergregionen wie dem Glarnerland beeinflusst die Wolfspräsenz nicht nur die Alp- und Landwirtschaft. Die ländliche Bevölkerung fühlt sich bedroht, in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt und in ihrer Lebensqualität beschnitten. Rentner(innen) trauen sich nicht mehr mit ihren Hunden auf abgelegene Wege, junge Frauen joggen nicht mehr alleine im Wald, Kinder dürfen bei Dämmerung nicht mehr in Waldesnähe spielen und Eltern, die abseits wohnen, fragen sich, welcher Gefahr sie ihre Kinder auf dem Schulweg aussetzen. Nun lesen Sie die letzten Zeilen bitte noch einmal und lassen Sie diese auf sich wirken … Das sind nicht Szenen aus einem Horrorfilm, sondern die Realität. Hier bei uns in der Schweiz.
Leben in Angst und Unsicherheit
Angst, Hilflosigkeit und Ohnmacht unserer ländlichen Bevölkerung sind real. In einem ersten Schritt müssen diese Emotionen gesehen, anerkannt und respektiert werden. Gleichzeitig dürfen wir es nicht akzeptieren, dass Teile unserer Bevölkerung in ständiger Angst und Unsicherheit leben müssen. Es ist unsere Pflicht, auf dieses stille Leiden aufmerksam zu machen. Hier geht es nicht mehr um den Schutz eines wilden Tieres, sondern um das psychische Wohl unserer ländlichen Bevölkerung.
