Wollen die Biobauern im kommenden Jahr gleich viel Soja im Futter einsetzen wie bis anhin, müsste die Schweiz 25-mal mehr produzieren. Denn um die bisher importierte Menge Biofuttersoja durch einheimische zu ersetzen, müsste auf rund 2500 ha angebaut werden. Trotz Aufforderung blieb der grosse Boom im Soja-Anbau aber bisher aus.
Keine Übergangsfrist
Hinzu kommt eine miserable Ernte; viel Ware blieb aufgrund der schlechten Bedingungen auf dem Feld stehen. Das stellt auch die Mischfutterhersteller vor grosse Herausforderungen. «Die zu geringen Anbaumengen von Körnerleguminosen sowie die schlechte Ernte führten dazu, dass das Protein knapp ist. Die Breite des Sortiments muss stark reduziert werden und die Rohproteingehalte fallen deutlich tiefer aus», informiert die UFA AG. «Proteinausgleichsfutter in der heutigen Form, die bis zu 39 % Rohprotein enthalten, können wir nicht mehr anbieten», erklärt Hansueli Rüegsegger von der UFA. Der Rohproteingehalt wird künftig fast halbiert, verglichen mit dem bisherigen Angebot. So wird es in Zukunft eine Herausforderung, die Kühe, vor allem in der Startphase, bedarfsgerecht zu füttern. Nebst den tieferen Gehalten sei zudem mit Preisaufschlägen zu rechnen.
Bei der Umsetzung der neuen Bestimmung, dass Biobetriebe nur noch Schweizer Knospe-Futter einsetzen dürfen, bestehen keine Übergangsfristen. Das am Lager liegende Futter darf noch verfüttert, aber nicht mehr verkauft werden. Wie Rüegsegger sagt, würde es für die Biobetriebe Sinn machen, sich jetzt noch mit qualitativ hochstehendem Futter einzudecken, bevor die neue Bestimmung in Kraft tritt. Bislang habe man bei der UFA aber relativ wenig davon bemerkt.
Mehr Betriebe steigen aus
Mit ein Grund dürfte sein, dass Betriebe zum Teil wieder auf ÖLN umstellen. Bei der Bio Suisse will man zwar noch keine Zahlen nennen, aber man könne jetzt schon sagen, «dass dieses Jahr mehr Betriebe ausgestiegen sind als in anderen Jahren», so Mediensprecher David Herrmann. Dabei gebe es immer auch solche, die aufgrund der Richtlinien aufhörten.
Kommentar von Adrian Krebs: Endlose Gratwanderung
Den Biobetrieben mit Rindvieh stehen zum Jahresende massive Änderungen ins Haus. Der erlaubte Kraftfutteranteil wird auf 5 Prozent reduziert und es darf nurmehr Schweizer Ware auf dem Futtertisch landen. Ebenso einschneidend: Es dürfen nur noch Biotiere gekauft werden. Dieses Paket ist dicke Post, die noch manchem Betriebsleiter Kopfzerbrechen bereiten dürfte.
Die Verschärfungen sind Teil eines dauerhaften Anpassungsprozesses der Richtlinien. Bio Suisse ist einem Zwang zur Verbesserung ausgesetzt, um den Mehrpreis zu rechtfertigen. Jüngstes Beispiel ist der Ausstieg aus dem Kükentöten. Denn die konventionellen Kollegen holen auf, auch inspiriert durch die Innovationen im Biobereich. Das heisst, man muss regelmässig Scheiter nachlegen, um den Labelofen heisser glühen zu lassen als denjenigen der Konkurrenz, die den Bio-Verantwortlichen in Form eines Käfers permanent um den Kopf schwirrt.
Das führt zu einer steten Gratwanderung für Bio Suisse. Es gilt, die richtige Balance zu finden zwischen neuen Herausforderungen und deren Umsetzbarkeit. Das ist bisher recht gut gelungen. Ob das auch diesmal der Fall ist, muss sich noch zeigen, unter anderem an den Betriebszahlen 2022.
Wie gehen Produzenten mit den verschärften Bio-Suisse-Richtlinien ab 2022 um?
Zweinutzungsrassen sind ein Thema
Grundsätzlich begrüsse ich die neuen Regelungen. Beim Kraftfutter wie beim Raufutter sehe ich die Problematik, wenn die Futterqualität schlecht ist oder die Raufuttermengen knapp sind – so wie dieses Jahr. Dann wird es darauf hinauslaufen, dass wir das fehlende Grundfutter mit einer Sonderbewilligung trotzdem importieren müssen. Auf unserem Betrieb werden wir in den nächsten fünf Jahren teilweise auf Zweinutzungsrassen umstellen, um eine anspruchslosere Kuh zu erhalten. [IMG 2]
Engpässe sinddurchaus möglich
Als Präsident des ZMP-Biomilchrings verfolge ich die Entwicklung gespannt und auch ein wenig kritisch. Für diesen Winter haben sich offenbar einige Betriebe mit Import-Luzerne eingedeckt. Nächstes Jahr muss das inländisch produzierte Biogrundfutter gezielt platziert werden. Gleiches gilt auch beim Nutzvieh. In Gebieten mit hohem Bioanteil werden viele Kühe noch in den konventionellen Handel verkauft. Beim Futter wie auch beim Vieh sind Engpässe durchaus möglich. [IMG 3]
Vermehrt mit Graswürfeln arbeiten
Die neue Regelung kam für mich nicht unerwartet. Als Gruyère- und Vacherin-Produzent habe ich natürlich grosses Interesse, trotz der Fünf-Prozent-Kraftfutterregelung die Milchmenge liefern zu können. Damit wir den Eiweissgehalt in der Ration sicherstellen können, werden wir in Zukunft vermehrt mit Graswürfeln arbeiten. Unser Fokus lag in den letzten Jahren sowieso auf der Verbesserung der Grundfutterqualität. Dort ist aus meiner Sicht noch viel Potenzial vorhanden.
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