«Mit der automatischen Fütterung kann der Weideanteil erhöht werden» – was im ersten Moment widersprüchlich klingt, hat laut Lely-Verkaufsleiter Marcel Schwager durchaus seine Richtigkeit. Auf vielen Betrieben sieht er ein grosses Potenzial, den Weideanteil zu erhöhen und somit Grundfutter zu veredeln, statt teuer Futter zu produzieren. Die Erhöhung des Weideanteils scheitere jedoch häufig an einem entscheidenden Faktor: dem Zeitpunkt der Zufütterung im Stall.

Kühe mögen trockenes Gras

«Viele Betriebe füttern morgens zwischen sechs und acht Uhr sowie abends gegen fünf oder sechs – genau dann, wenn die Kühe im Sommer draussen grasen könnten», erklärt Marcel Schwager. Vor allem die Abendweide werde dabei verschenkt, obwohl gerade diese betriebswirtschaftlich besonders interessant sei. «Mit der Abendweide verdient man Geld», so Schwager. Warum das so ist, erklärt Weideexperte und IG-Weidemilch-Präsident Peter Trachsel: «Kühe fressen abends deutlich mehr Gras als morgens, weil sie trockenes Gras bevorzugen.»

Für eine optimale Ausnutzung der Weide müsse die Zufütterung daher spätabends (ab 22 Uhr) und während der Mittagshitze erfolgen – genau dann, wenn kein Mensch im Stall ist. «Das wäre schlichtweg ineffizient», so Schwager. Hier könne die automatische Fütterung Abhilfe schaffen.

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70 % Weideanteil

Ernst Brunner aus Niederwil SG setzt auf einen hohen Weideanteil und ein automatisches Fütterungssystem. «Unsere arrondierten Weideflächen sowie die Topografie und Hanglagen, die wir nur mit dem Vieh bewirtschaften können, setzten eine graslandbasierte Milchproduktion voraus», erklärt der Landwirt. Während der Vegetation erreicht er einen Weideanteil von mehr als 70 %. Dafür führt er eine mehrkopplige Kurzrasenweide mit 17 fix eingezäunten Koppeln. Diese sind durch feste, bei jedem Wetter zugängliche Auftriebswege und Weideübergänge mit Weiderosten bei den Zugangsstrassen erschlossen. Neben Weiderosten hat der Betrieb zusätzlich in Zaunübergänge für Reiter und Biker investiert. «Es verlaufen fünf Wander- und Reitwege über unsere Weideflächen; uns war es wichtig, allen eine möglichst angenehme Überquerung zu ermöglichen», so Brunner.

Je nach Graswachstum weiden die Kühe täglich auf zwei bis drei Koppeln. Alle sechs bis sieben Tage kehren sie auf die gleiche Koppel zurück. Den wöchentlichen Weideplan erstellt Brunner bei einem Sonntagsspaziergang durch die Weiden anhand des Grasbestandes. Die Zufütterung im Stall erfolgt mittags ab 11 Uhr, bei grosser Hitze ab 10:30 Uhr und nachts ab 22 Uhr. «Um 15 Uhr und 3 Uhr morgens muss der Futtertisch leer sein, damit sie auf der Weide möglichst viel fressen», erklärt Brunner. «Damit die Kühe draussen viel Futter aufnehmen, darf der Futteranreiz im Stall nicht zu gross sein», ergänzt Peter Trachsel. Auf die jeweilige Koppel werden die Tiere über ein automatisches Weidetor geleitet. Im Stall herrscht freier Tierverkehr.

Betriebsspiegel Brunner-Hof

Ernst und Monja Brunner

Ort: Niederwil SG
LN: 30 ha
Viehbestand: 45 Kühe und eigene Aufzucht, 2 Pferde
Betriebszweige: Milchwirtschaft, Glacéproduktion, Hofkiosk, Hofevents
Mitarbeiter: Familie, Vater von Ernst, 1-2 Angestellte

Mehr Gras, weniger Stallfutter

Im Frühling und Herbst bei starkem Graswachstum füttert der Lely Vector ausschliesslich Heu und Emd. Im Sommer bei längeren Trockenphasen wird die Ration mit Grassilage ergänzt. Je nach Grasangebot wird zusätzlich das Zeitfenster, in dem der Vector im Stall füttert, verlängert oder verkürzt. «Die automatische Fütterung ist auf dem Brunner-Hof ein Teil des Weidemanagements», erklärt Trachsel. Während Vollweidebetriebe die Koppelgrössen täglich an das Graswachstum anpassen, macht es Brunner in seinem Vielweidesystem mit der Anpassung der Futtermenge im Stall. Das mache das System sehr autonom, was eine Voraussetzung war, denn Brunner führt neben dem Landwirtschaftsbetrieb ein Unternehmen in der Eventbranche.

Auch während der Winterfütterung biete der Vector einen entscheidenden Vorteil. So sei eine präzisere Rationsgestaltung möglich. «Früher warf man einfach einen ganzen Siloballen in den Mischwagen – heute kann ich die Futterkomponenten präzise mischen und so die Milchleistung optimieren», erklärt Brunner. Zusätzlich bringe das System noch mehr Ruhe in die Herde. Besonders profitieren würden rangniedrigere Tiere. «Sie können den ranghohen Kühen aus dem Weg gehen und ihren eigenen Rhythmus wählen, aber dennoch ist der grobe Tagesablauf gegeben», erklärt Brunner.

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7000 kg Milch sind das Ziel

Auch die Genetik stimmt Brunner auf die Weidehaltung ab. Ziel ist eine leichte, effiziente Kuh mit 500 kg Gewicht, die mit maximal 2 % Kraftfutter rund 7000 kg Milch und 8,5 % Inhaltsstoffe liefert. Noch ist das hochgesteckte Ziel nicht erreicht: «Aktuell liegen wir bei 6700 kg Milch mit 7,9 % Inhaltsstoffen und 3 % Kraftfutteranteil. Ich bin aber überzeugt, dass es funktioniert, wenn Weiden und Genetik optimal zusammenspielen», so Brunner.

Brunners Herde besteht aktuell aus Kiwi Cross, Holstein und Jersey. Da für den Betrieb passende Kühe kaum vorhanden sind, setzt der Betriebsleiter zur Erreichung seines Ziels auf Eigenremontierung mit einer Rotationskreuzung. Jede Holsteinkuh wird mit Jersey besamt, zur Erhöhung der Inhaltsstoffe und Reduktion der Grösse. Danach wird mit Kiwi Cross gekreuzt, anschliessend wieder mit weidetauglicher neuseeländischer Holsteingenetik.

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Nicht nur die Milchmenge zählt

Gezielt gepaart werden die 20 besten Kühe. Entscheidend bei der Auswahl seien nicht nur die Milchleistung und die Inhaltsstoffe, sondern auch die Futtereffizienz. «Die Kühe sollen möglichst viel Milch aus dem Gras produzieren», erklärt Brunner. Dafür hat sich Brunner eigens eine Excel-Tabelle erstellt, Milchleistung und Inhaltsstoffe werden darin zur einen Hälfte und das Gewicht zur anderen Hälfte gewichtet. «Die Kuh mit der besten Futterverwertung benötigt beinahe 1 MJ NEL weniger pro produzierte Milch als die schlechteste», sagt Brunner.

Automatische Fütterung in Kombination mit hohem Weideanteil ist heute noch eine Nische. Für Schwager liegt darin aber grosses Potenzial. «Ohne Automatisierung würde Ernst nur 40 bis 50 % Weideanteil erreichen – langfristig ist dies teurer als die Investition in Technik», sagt er. «Nicht das Fütterungssystem ist teuer – das Futter selbst ist es. Das sind sich viele aber nicht bewusst.»

Der Brunner-Hof lädt ein

Gemeinsam mit Lely lädt Familie Brunner am 3. August 2025 zum Tag der offenen Tür auf dem Brunner-Hof ein. Alle Besucher sind von 11 bis 17 Uhr herzlich zur Betriebsbesichtigung eingeladen. Wer bereits am Samstag auf dem Betrieb vorbeischauen möchte, kann dies ab 11 Uhr und ab 20 Uhr beim Hoffest. Zur Stärkung und für das leibliche Wohl steht die Festwirtschaft bereit.

Adresse: Familie Brunner, Glattburg 559, 9203 Niederwil SG