Seit die Tierärztinnen und Tierärzte im Jahr 2019 angefangen haben, die Antibiotikaverbrauchszahlen zu erfassen, fällt eine Tiergruppe besonders auf: die Milchkühe. Ihr Antibiotikaverbrauch nimmt langsam, aber kontinuierlich zu. Es ist an der Zeit, eine Analyse vorzunehmen und konkrete Verbesserungen anzugehen.

Ein Teil der Zunahme des Antibiotikaverbrauchs ist höchstwahrscheinlich auf die geänderte Eingabepraxis zurückzuführen. Zudem waren viele Euterinjektoren mit einfachen Wirkstoffen nicht verfügbar. Dies allein erklärt aber den Trend nicht.

Als einziges Nutztier haben Milch-Rinder noch so viel Wert, dass sich Einzeltierbehandlungen lohnen. Bei anderen Nutztieren wie Geflügel und Schweinen, aber auch in grösseren Kleinwiederkäuer-Herden, steht die Gesundheit der Herde und damit die Prävention im Vordergrund. Könnte der Wert des Einzeltieres dazu geführt haben, dass die Prävention vernachlässigt wurde?

Die Schweizer Rinderzüchter gehören weltweit zu den erfolgreichsten. Die schönen Kühe mit der hohen Milchleistung haben aber einen Nachteil: Wie bei Profisportlerinnen muss jedes Detail stimmen, damit sie ihre Leistung erbringen können. Wenn die Kuh nicht entsprechend gefüttert und gehalten wird, ist sie krankheitsanfällig. Eine standortangepasste Produktion mit den entsprechenden Rassen muss systematischer umgesetzt werden. So sollte auch die Zucht von stoffwechselstabilen Kühen und von Kühen mit hoher Immunabwehr gefördert werden.

Die Nutztiermedizin hat sich bei der Diagnosestellung seit 50 Jahren kaum verändert. Es gibt keine Schnelltests, die eine Unterscheidung zwischen viralem Infekt und bakteriellem Infekt erleichtern. Um kein Risiko für bleibende Schäden einzugehen, müssen Tierärztinnen und Tierärzte in diesen Fällen Antibiotika einsetzen, obwohl sie manchmal nicht notwendig wären.

Eine Kuh mit Husten und leichtem Fieber, die noch frisst, braucht nicht unbedingt Antibiotika. Aber eine gute Überwachung. Es muss sich für die Tierhaltenden lohnen, anstelle einer sofortigen Antibiotikabehandlung mehr Zeit für die Tiere einzusetzen und den Tierarzt oder die Tierärztin bei Bedarf ein zweites Mal kommen zu lassen. Kurze Absetzfristen sollten kein Grund sein für kritische Antibiotika, wobei auch für die Entsorgung der anfallenden Antibiotika-Milch Lösungen gefunden werden müssen.

Im Rahmen einer regelmässigen Bestandesbetreuung kann man Probleme zeitig erkennen. Lösungsversuche auf Herdenebene werden mit den Tierhaltenden individuell vereinbart. Damit können Tierhaltende den Antibiotikaeinsatz insbesondere im Bereich Mastitis und Gebärmuttererkrankungen massiv senken. Ein neues System wird teilweise schon in der Schweinehaltung gelebt: der Service-Vertrag. Tierhaltende und Tierarztpraxis vereinbaren einen pauschalen Betrag für definierte tierärztliche Leistungen über ein ganzes Jahr. Dazu gehören auch regelmässige Besuche auf dem Betrieb. Dies ergibt für beide eine bessere Planbarkeit und motiviert zur Früherkennung. Wichtig im Bereich der Infektionskrankheiten ist auch, dass auf jedem Betrieb ein Minimum an Biosicherheitsmassnahmen eingeführt wird.

Die Tierärzteschaft hat fünf Forderungen: Die präventive Tätigkeit der Tierärzteschaft im Bereich Rindvieh muss in den Vordergrund gerückt werden. Wichtig ist eine standortangepasste Milchproduktion mit den entsprechenden Rassen mit guter Immunabwehr und stabilem Stoffwechsel. Die Diagnostik muss verbessert werden. Ohne klare medizinische Indikation werden keine Antibiotika verschrieben. Und einfache Antibiotika müssen besser verfügbar sein.

Michèle Bodmer, Schweizerische Vereinigung für Wiederkäuergesundheit(GST-SVW)