Die Bereitschaft, Milch zu produzieren, nimmt ab. Die Jungen, die dereinst den Hof übernehmen sollen, wollen sich diesen Stress, den sie an ihren Eltern beobachten, nicht mehr antun. Aber auch in den Reihen der aktiven Produzenten sind immer mehr Stimmen zu vernehmen, die vom Aufgeben berichten. Genährt werden diese Gedanken massgeblich vom Wunsch nach mehr Freizeit und Unabhängigkeit. 60- oder gar 70-Stunden-Wochen sind in der Milchproduktion an der Tagesordnung. Bei Aushilfen oder Angestellten soll man mit 40 Stunden rechnen, im Wissen, dass in Spitzenzeiten – wie der Heusaison – auch 70 Stunden pro Woche eigentlich nicht ausreichen.

Die Schweizer Milchproduzenten (SMP), aber auch Marktorganisationen wie die IP-Suisse machen sich Gedanken zum Befinden der Milchbauern. Mittels Umfragen und Fragebogen soll ermittelt werden, wie es ihnen geht. Die Branchenorganisation Milch thematisiert die sinkende Bereitschaft der Landwirtschaft, an der Milch festzuhalten, ebenfalls. Was, wenn der Milchhahn im Käseland dereinst versiegt?

Was kann getan werden?

Die Situation, in der sich die Milchproduktion in der Schweiz befindet, ist erkannt. Man scheint zu spüren, dass die sinkende Bereitschaft, weiter zu melken, mit dem Wunsch nach mehr Lebensqualität einhergeht. Nun stellt sich die Frage: Was kann getan werden?

Ein entscheidender Aspekt, dass in der Schweiz überhaupt noch Milch produziert wird, ist der Preis. Aber es ist nicht der einzige. Die Rahmenbedingungen der Politik, mit stets steigenden Auflagen, werden begleitet vom Anstieg der Ansprüche durch Labels und Abnehmer. Grüner Teppich, Wiesenmilch oder Weideprogramm – um nur einige zu nennen. Die Angst, die anfängliche Freiwilligkeit werde irgendwann zur Pflicht, ist zumindest in einigen Programmen begründet. Mit dem Argument der steigenden Ansprüche der Konsumgesellschaft und dem Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit – gerade in der tierischen Produktion – werden diese Programme vorangetrieben.

Die Hochleistungskuh ist nicht mehr erwünscht

Diese Nachhaltigkeit ist schliesslich auch der Grund, weshalb sich der Bund einen Abschied von der Hochleistungskuh wünscht. Ohne genau zu benennen, was ein Hochleistungstier ist, heisst es, man wolle solche Kühe nicht mehr. Während die Schweiz, zumindest in den Mauern des Bundesamts, Kühe mit tieferen Leistungen wünscht, ist weltweit eine Holsteinisierung zu beobachten. Diese schwarze Kuh wurde in den letzten Jahren, ja gar Jahrzehnten, ganz stark auf Leistung gezüchtet. Sie ist damit alles andere als das, was man sich in Bern wünscht – aber sie ist auf dem Vormarsch und das übrigens auch in den Schweizer Ställen. Und mit ihr kommen Züchtungsmethoden wie das Klonen, auf welche die Schweiz, zumindest thematisch, schlecht vorbereitet scheint.

Bundesbern und die Welt gehen in verschiedene Richtungen

Die Diskrepanz ist offensichtlich. Bundesbern und die Welt gehen in eine ganz andere Richtung. Während das BLW vermehrt auf Nachhaltigkeit setzen will und mit einem Beitrag an ältere Kühe bereits ab 2024 das auch finanziell abzugelten gedenkt, steigen die durchschnittlichen Leistungen der Kühe in den Ställen. Entsprechend wird auch auf passende Genetik gesetzt. Milch ist nicht nur beim Genom des Stiers gefragt, sondern auch beim Abnehmer. Wieso sollte der Milchproduzent seinen Stall mit Kühen füllen, die weniger Milch geben, wenn er im identischen System mit Holsteinern entsprechend mehr produzieren kann und sich zudem Aufwand und Arbeit kaum unterscheiden?

Die Einsicht der Betriebsleiter, dass sie solchen Kühen mit ihrer Futtergrundlage, zum Beispiel im Berggebiet, nicht gerecht werden, ist einer von wenigen Gründen, nicht auf Holsteiner zu setzen. Ein weiterer Grund ist traditionelles Gedankengut. Die Rasse, die im Stall steht und im Herdebuch des jeweiligen Zuchtverbands eingetragen ist, bindet die Bauern an die Milch. Viehzucht und Milchproduktion haben eine enge Verbindung. Und sie wird unterschätzt. Rassen wie Simmentaler und Swiss Fleckvieh sind vermutlich jene Rassen, wie das Bundesamt sie sich wünscht. Sie sind dort zu Hause, wo die Viehzucht mit den damit verbundenen Traditionen wie Alpabzügen und Viehschauen eine wichtige Rolle spielt.

Es wird der Schweiz nicht gelingen, der Holsteinisierung Einhalt zu gebieten. Was sie aber anstreben sollte, ist, ihre eigenen Rassen zu schützen. Dazu zählen auch SF-Kühe. Und ein paar Franken pro Kuh werden nicht reichen.