Da kann der Besucher aus dem Tal nur noch staunen: Schafälpler Saro Keinath deutet seinem Hund Dingo auf die rund hundertköpfige Tiergruppe hin, welche mehr als einen Kilometer entfernt am Weiden ist. Auf Kommando rennt der Australian-Kelpie-Hirtenhund zu den Schafen. Von Auge kaum mehr zu erkennen, treibt er diese auf Anweisung von Saro Keinath zuerst zusammen und dann ganz ruhig innerhalb von rund zwanzig Minuten in die Richtung des Schafälplers. «Ich würde Dingo auch nicht für 10'000 Franken verkaufen, seine Dienste sind bei meiner Arbeit unersetzlich», so Saro Keinath. Wie hier auf der Alp Silberen Mensch und Hund harmonieren und professionell zusammenarbeiten, ist eindrücklich. Umso überraschender kommt diese Aussage des 48-jährigen Schafhirten: «Als ich bei der Fach-stelle Herdenschutzhunde anfragte, ob ich zwei offizielle Herdenschutzhundewelpen in meine Schafherde integrieren könne, erhielt ich eine Absage. Ich hätte zu wenig Erfahrung mit Hunden, war die Begründung.»

Saro Keinath ist selber Schafbauer und hält über die Wintermonate in Menzingen ZG um die 400 Tiere. Im Sommer geht er zusammen mit seinen eigenen Tieren und rund 600 fremden Schafen z Alp. Ab Anfang Juni wird auf der Voralp Schärmen-Obergross im Sihltal SZ geweidet, nach rund sechs Wochen zieht die Herde über den auf 1900 m ü. M. liegenden Saaspass auf die weitläufige Alp Silberen im Pragelgebiet.

Schutzkonzept erstellt

Die Vor- und die Hochalp sind in je drei enorm weitläufige Parzellen eingeteilt. Allein auf der Alp Silberen wurden sechs Kilometer Weidezaunnetze aufgestellt. Zusammen mit Herdenschutzexperten erstellte Saro Keinath im vergangenen Jahr ein Weide- und Schutzkonzept, damit die Alp den Status «zumutbar schützbar» erreichen könnte und die grossen Mehraufwände etwas besser abgegolten würden.

Herdenschutzhunde aus einem Bündner Zuchtbetrieb

Abo Herdenschutzhunde sind momentan gesucht. Zentralschweiz Politischer Druck für Ausdehnung der zugelassenen Hundrassen Monday, 4. September 2023 «Da ich keine offiziell anerkannten Herdenschutzhunde habe, ist aber noch offen, ob ich diesen Status heuer auch wirklich erreiche», betont der engagierte Älpler. Auf der karstigen Schafalp, welche im Besitz der Oberallmeindkorporation Schwyz ist, laufen zwar zwei Herdenschutzhunde mit. Diese gehören aber nicht den beiden vom Bafu anerkannten Rassen Montagne des Pyrénées oder Pastore Maremmano Abruzzese an, sondern zur Rasse Kaukasischer Owtscharka.

«Ich habe meine zwei Hunde Pipo und Ari als Welpen von einem Schafbauern aus dem Bündner Oberland gekauft, der seine Tiere mitten im Wolfsgebiet sömmert. Im Kanton Graubünden, welcher ein eigenes Herdenschutzhundeprogramm unterhält, spielt die Hunderasse keine Rolle», erklärt Schafälpler Keinath. Durch das junge Alter der Tiere verlief die Integration in seine eigene 400-köpfige Schafherde gut. Damit Schutzhunde und Herde auch auf der Alp gut harmonierten, brauche es aber noch Zeit. «Vor allem die fremden Schafe akzeptieren die beiden Hunde noch nicht und entfernen sich von diesen.» Für seine aktuell zwei Jahre jungen Schutzhunde erhält er bisher keinerlei finanzielle Unterstützung. Wöchentlich fressen diese rund 20 kg Hundefutter.

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Integration der Herdenschutzhunde braucht Zeit

Abo Südostschweiz Der Kanton Graubünden hat sein eigenes Herdenschutzhunde-Programm Monday, 4. September 2023 Ausgebildete offizielle Schutzhunde habe es aktuell viel zu wenige, die Wartezeit dauere mindestens zwei Jahre. «Und eine erfolgreiche Integration der Hunde in die Herde benötigt ebenfalls mehrere Jahre, Zeit, die wir schlichtweg nicht mehr haben.» Saro Keinath zeigt in Richtung Glarnerland. Das aktuell in den Schlagzeilen stehende Kärpf-Wolfsrudel sei nicht weit von der Silberen-Alp entfernt. «Es ist reine Glückssache, dass wir hier bei uns noch keine Wölfe haben. Wir müssen jetzt alles Machbare unternehmen, damit wir bei einer Wolfspräsenz vorbereitet sind.» Saro Keinath hat kein Verständnis, dass in der Schweiz nur die Rassen Montagne des Pyrénées oder Maremmano Abruzzese zugelassen sind. Es habe bei allen, auch bei den anerkannten Herdenschutzhunde-rassen, gute und weniger gute Tiere.

Präsenz der Herdenschutzhunde nicht auf Karte vermerkt

Mitten durch die Schafalp führt ein beliebter Wanderweg. Die beiden Schutzhunde verhalten sich gegenüber Fremden bisher vorbildlich. «Ganz unschön ist aber, dass auf der interaktiven Wanderkarte, wo die Präsenz von Schutzhunden aufgeführt ist, meine Alp nicht aufgelistet ist. Und das nur, weil Pipo und Ari nicht den beiden anerkannten Rassen zugehören.» Würden seine beiden Hunde einen Wolf töten, müsste er im Moment als Halter sogar mit einem Verfahren wegen Wilderei rechnen. Auch besteht für Saro Keinath aktuell keine Möglichkeit, mit seinen beiden Hunde die Einsatzbereitschaftsüberprüfung zu machen.

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Kantonale Lösungen für genügend Herdenschutzhunde

«Auch wenn es wenig sinnvoll ist, dass jeder Kanton, wie es Graubünden macht, aufwendig sein eigenes Herdenschutzhundeprogramm aufbaut, bleibt uns in der Zentralschweiz infolge der fehlenden Kompromissbereitschaft vom Bundesamt für Umwelt wohl zukünftig nichts anderes übrig, als selber eine Einsatzbereitschaftsüberprüfung aufzubauen.»

An zukünftige Wolfspräsenz gewöhnen

Saro Keinath arbeitet nicht nur mit Schutzhunden, sondern treibt seine rund tausend Schafe auch jeden Abend möglichst zusammen. «Noch pferche ich meine Tiere nicht ein. Ich möchte sie aber daran gewöhnen, um bei einer zukünftigen Wolfspräsenz bereit zu sein.» Zudem setzt er auch auf den Einsatz von Drohnen. «Damit kann ich den Zustand von abgelegenen Herdenschutzzäunen effizient überprüfen und so viel Zeit sparen.» Ob diese oder eine andere Technologie zukünftig auch bei der Wolfsbekämpfung zum Einsatz kommt, wird sich weisen.

Woher in Zukunft genügend Alppersonal finden?

Dank seiner grossen Erfahrung, der vielen Zäune und seiner guten Hunde kann er die Alp mit der Unterstützung von mehreren Helfern beim Zäunen und beim Alpwechsel noch allein bewirtschaften. Das wäre bei einer Wolfspräsenz aber sicher nicht mehr machbar. «Aber woher soll ich in der heutigen Zeit gutes Alppersonal bekommen, welches auch bei garstigem Wetter wochenlang im gefährlichen Gelände arbeitet?», fragt der 48-Jährige und schaut zu Hirtenhund Dingo, seinem wichtigsten und unverzichtbaren Mitarbeiter. Reto Betschart