Es ist eine Flut von Informationen, die es auf Landwirtschaftsbetrieben zu verarbeiten gibt. Mit Änderungen und Neuerungen konfrontiert, sieht die Bäuerin oder der Bauer zuweilen den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr, wie der Emmentaler Landwirt Urs Rindisbacher treffend sagt.

Was ist für mich wichtig? Welche Informationen erreichen mich auf welchem Kanal? Welche Neuerungen treten wann in Kraft? Wie und wann werden sie kontrolliert? Das sind Fragen, mit welchen die Betriebsleitenden konfrontiert werden. Viele Landwirtinnen und Landwirte sind mit langen Arbeitstagen konfrontiert. Hinzu kommen Jahresspitzen wie die Erntezeit. Gerade in jenen Wochen bleibt wenig Zeit, sich intensiv mit solchen Fragen auseinanderzusetzen und womöglich auch noch Antworten zu suchen.

Die Praxis zeigt: Bewegen sich die Neuerungen im täglichen Arbeitsumfeld des Landwirts, werden sie generell besser beachtet. Handelt es sich um Arbeiten oder Aufgaben, die am Computer erledigt werden müssen, ist das Interesse daran meist kleiner.

Noch wenig genutzt

Wie Valerie Wist, Leiterin Primärproduktion am Amt für Veterinärwesen Kanton Bern sagt, hat sie während ihres Einsatzes auf den Bauernhöfen nur vereinzelt festgestellt, dass sich Tierhalterinnen und Tierhalter bereits mit der Datenbank Abidat beschäftigt hätten. Demnach ist davon auszugehen, dass nur die wenigsten wissen, worum es sich dabei handelt.

Seit 2019 erfassen Tierärzte und Tierärztinnen alle Verschreibungen von Antibiotika in einer Datenbank. Damit sei die Grundlage geschaffen worden, dass nun auch Tierhalter und Tierhalterinnen von Nutztieren die Daten zu ihren Tieren einsehen könnten, informierte das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV diesen März. Antibiotika seien für die Behandlung von unzähligen bakteriellen Krankheiten unverzichtbar. Durch ihre breite Anwendung würden sie aber auch Resistenzen entwickeln und dadurch teilweise ihre Wirkung verlieren. Das zu verhindern, ist das Ziel der nationalen Strategie Antibiotikaresistenzen (StAR).

Als eine der Umsetzungsmassnahmen tragen Tierärztinnen und Tierärzte also seit 2019 alle Antibiotikaverschreibungen in einer Datenbank ein. Die Daten aus diesem Informationssystem Antibiotika in der Veterinärmedizin (IS ABV) ermöglichen seit diesem Frühling auch Tierhalterinnen und Tierhaltern eine Übersicht über ihren Antibiotikaverbrauch. Diese Daten stehen in Abidat (Zugang siehe Kasten) als detaillierte Tabellen und Übersichtsgrafiken zur Verfügung.

3,4 Mio Verschreibungen

In den ersten zwei Jahren seit dem Startschuss wurden 3,4 Millionen Verschreibungen in IS ABV erfasst. Bis Ende 2021 hatten sich zudem 1100 Tierarztpraxen und -kliniken registriert. Die Datenbank ermöglicht es, die Behandlungsintensität bei Nutz- und Heimtieren zu beurteilen. Abidat wird von der Identitas AG im Auftrag des BLV entwickelt und betrieben.

Abo Valerie Wist macht regelmässig Primärproduktionskontrollen auf Landwirtschaftsbetrieben. Sie hat im Beisein der Presse den Emmentaler Landwirt Urs Rindisbacher besucht. Kontrolle Wenn das Veterinäramt an der Haustüre klingelt Monday, 25. July 2022 Wie Dagmar Heim vom Bereich Tiergesundheit beim BLV bereits vor einigen Wochen ausführte, besteht für die Tierhaltenden keine Verpflichtung, «mit den Daten etwas anzufangen.» Dennoch rät sie, diese genau zu überprüfen. Denn diese Daten mit den Aufzeichnungen im eigenen Behandlungsjournal zu vergleichen oder erhaltene Mengen kritisch zu überprüfen, mache nur schon deshalb Sinn, weil in der Erfassung Fehler passieren könnten.

Auf den Teil der Daten aus dem Informationssystem Antibiotika der Veterinärmedizin, der in Abidat nur den zuständigen Betriebsleitenden angezeigt wird, haben auch das Bundesamt und die jeweiligen kantonalen Ämter Zugriff. Daher sei auch davon auszugehen, dass die Kantone diese Daten anschauen und auch nutzen würden, äusserte Dagmar Heim auf die Frage, ob es denn auch möglich sein könnte, dass diese Angaben künftig auch im Bereich der Betriebskontrollen zur Anwendung kommen.

Valerie Wist hat bei ihrem Besuch bei der Familie Rindisbacher den Ausdruck aus Abidat dabei. Stichprobenartig vergleicht sie die Eintragungen aus dem Behandlungsjournal mit den Daten aus Abidat. Die Primärproduktionskontrolle sei eine gute Gelegenheit, zu Abidat und den darauf erfassten Daten ins Gespräch zu kommen. Auch Urs Rindisbacher hat sich zuvor noch nie auf der Datenbank, die über das Agate-Login erreichbar ist, «umgesehen». «Es ist interessant, das in dieser Darstellung einmal zu sehen», sagt der Landwirt zum Säulendiagramm aus dem er entnehmen kann, in welchen Monaten und für welche Beschwerden Antibiotika zum Einsatz kamen.

Benchmark kommt

Einen deutlich höheren Stellenwert als nur interessante Hintergrundinfo soll Abidat aber bereits 2023 erlangen. Dann soll ein Benchmark zum Tragen kommen. Das heisst, dass bereits im kommenden Jahr schweizweit Durchschnittswerte vorliegen werden. Jeder Landwirt und jede Landwirtin sieht dann, wo der Verbrauch auf dem Hof im Vergleich zum Durchschnitt liegt. Die Tierkategorien sollen dabei so genau als möglich unterschieden werden (Bsp. Legehenne und Poulet oder Milchkühe und andere Rinder).

Was ist bei Vielverbrauch?

«Was passiert, wenn mein Verbrauch weit über diesem schweizweiten Durchschnitt liegt?», fragt Urs Rindisbacher. Um das zu regeln hat der Bundesrat eine Änderung der Tierarzneimittel-Verordnung vorgenommen. Zunächst soll das BLV ab 2023 jedes Jahr über alle Nutztierhaltungen und Tierarztpraxen Vergleichsdaten berechnen, heisst es in der angepassten Verordnung. Daraus abgeleitet wird die Grenze zwischen normalem und erhöhtem Verbrauch (Signalwert) sowie jene zum übermässigen Verbrauch (Aktionswert). Anschliessend ist es an den Kantonen, die verbrauchten Mengen in ihren Zuständigkeitsgebieten zu vergleichen sowie jene Tierhaltenden oder -ärzt(innen) zu informieren, die über dem Signalwert liegen. Das heisst, dass auch hier die Veterinärämter aktiv werden müssen. Wie, wird sich zeigen.

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Alles zu Antibiotika auf dem eigenen Betrieb steht in Abidat

Alle Tierhalter haben seit mehreren Monaten Zugang zum Portal Abidat. In diesem werden alle Antibiotika-Einsätze auf dem Betrieb ausgewiesen. Die Eintragungen nehmen die behandelnden Tierärzte vor. Das heisst, Antibiotika, das auf Vorrat abgegeben wird, muss auch so deklariert werden. Zur Datenbank gelangen die Tierhalter über das Portal Agate. Im Portal selbst werden drei Bereiche unterschieden: die Übersicht, die Verschreibungen und der Verlauf.

Übersicht: Hier stehen die Grundlagen und die allgemeinen Informationen.
Verschreibungen: In diesem Bereich werden alle Medikamente in einer Liste aufgeführt, die auf dem jeweiligen Hof zum Einsatz kamen. Die Liste gleicht sehr stark dem Behandlungsjournal, das die Tierhalter selbst führen. Werden Medikamente auf Vorrat abgegeben, ist die Liste nicht vollständig geführt, weil das oder die zu behandelnde(n) Tier(e) dem Tierarzt bei Abgabe auch nicht bekannt sind.

Verlauf: Der wohl interessanteste Bereich für Bäuerinnen und Bauern ist jener, in dem der Verlauf beschrieben wird. Der Bereich bietet durch das Darstellen in Säulendiagrammen eine gute Übersicht über die Einsätze. Hier kann auch eingesehen werden, ob kritische Antibiotika zum Einsatz kamen oder was die Ursache war, weshalb überhaupt Antibiotika verschrieben werden musste (Indikationen).

Ab 2023 wird der Benchmark eingeführt, damit Tierhalter sehen, wie sie im schweizerischen Vergleich stehen. Das dürfte zumindest für Vielverbraucher mit Konsequenzen verbunden sein. Bevor dieser eingeführt wird, macht es in jedem Fall Sinn, sich mit Abidat vertraut zu machen. Wer sich auf der Seite bewegt, entdeckt interessante Infos zum Betrieb und erkennt, welche Krankheiten auf seinem oder ihrem Betrieb am häufigsten eine Antibiotikabehandlung auslösen.