«Für mich ist das wie eine Prüfungssituation», sagt Urs Rindisbacher. Der Landwirt aus dem bernischen Signau hat Valerie Wist zu Besuch. Die Tierärztin ist Leiterin Primärproduktion beim Amt für Veterinärwesen des Kantons Bern. Mindestens einmal pro Woche vollzieht sie – neben vielen anderen Aufgaben – eine solche Kontrolle, die früher als «blaue Kontrolle» bekannt war. Dieser Begriff sei allerdings veraltet und solle künftig im Zusammenhang mit dieser Kontrolle keine Verwendung mehr finden.
Rund alle vier Jahre sollte diese Kontrolle auf einem Landwirtschaftsbetrieb stattfinden. Im Gegensatz zu anderen Kontrollen – wie beispielsweise jener des ökologischen Leistungsnachweises (ÖLN) – ist sie aber nicht relevant für den Bezug von Direktzahlungen. «Es ist vielmehr ein Überprüfen», erklärt die Tierärztin beim Besuch der Familie Rindisbacher. Was diesmal anders ist als sonst: Christine und Urs Rindisbacher haben sich bereit erklärt, die Kontrolle auf ihrem Betrieb von landwirtschaftlichen Medien begleiten zu lassen.
Wie auf Nadeln
Grundsätzlich hat Urs Rindisbacher gegenüber den Kontrollen auf den Höfen eine positive Einstellung. Dennoch sei er tags davor immer wie auf Nadeln und stelle sich die Frage: «Habe ich alles?» Insbesondere bei der «KUL-Kontrolle», die im Kanton Bern durch die landwirtschaftliche Inspektionsstelle KUL/Carea mit Sitz im bernischen Lyssach vollzogen wird und der Kontrolle auch den Namen gibt, sehe er oft vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr.
Verständlich, denn die KUL kontrolliert im Bereich der Direktzahlungsprogramme zahlreiche Punkte wie ÖLN und weitere wie BTS und RAUS, die Biodiversitätsförderflächen, Vernetzung und Landschaftsqualität sowie die Sömmerung. Hinzu kommen Labels wie IP-Suisse oder auch Milchprogramme, AOP oder Swiss Garantie und weiteres.
«Lebensmittel produzieren ist einfach nicht Privatsache.»
Valerie Wist, Tierärztin und Leiterin Primärproduktion
Blick in die Stallapotheke
Beim Besuch von Valerie Wist sind diese Dinge aber nicht relevant. Sie will die Tiere sehen, die Stallungen, den Milchraum, das Futter, den Tierarzneimittelschrank und die Aufzeichnungen, welche der Einsatz von Medikamenten im Stall mit sich bringt. Und dabei läuft es ähnlich ab wie bei anderen Kontrollen auch – zuerst der Rundgang über den Hof, möglichst zu allen Tieren, dann folgt der administrative Teil mit dem Überprüfen des Schriftlichen.
So viel Mühe sich die Bauernfamilien auch geben, es fehlt bei der «blauen Kontrolle» doch immer mal wieder etwas im Bereich der Eintragungen. Teils sind auch verlangte Dokumente (siehe Kästen unten) gar nicht oder unvollständig vorhanden, oder aber sie sind nicht mehr aktuell. Oft scheint beispielsweise immer noch nicht bekannt, wann und weshalb es eine Tierarzneimittelvereinbarung braucht. «Lebensmittelproduktion ist einfach nicht Privatsache», sagt Valerie Wist. Das erklärt auch gleich die Notwendigkeit dieser Kontrolle, die im Fachjargon amtliche Primärproduktionskontrolle oder PRP-Kontrolle genannt wird.
Vorsicht bei Antibiotika
Neben anderen Punkten sind es vor allem drei Bereiche, bei denen laut Veterinärbehörden auf den Bauernhöfen Informationsbedarf besteht. Es sind dies zum einen die Tierarzneimittelvereinbarung und zum anderen die in dieser Vereinbarung festgelegte Frequenz für die Betriebsbesuche des Bestandestierarztes und die schriftliche Dokumentation (Checklisten) der letzten drei Jahre. Der dritte Punkt ist die Lagerung und der Einsatz von antibiotischen Trockenstellern (genaue Angaben zu diesen drei Punkten sind den Kästen unten zu entnehmen).
Die Kontrolle mit Valerie Wist zeigt: Christine und Urs Rindisbacher sind diese Punkte bekannt. Die Tierärztin attestiert den beiden eine vorbildliche Tierhaltung und Buchführung. Natürlich finde man auch auf solchen Betrieben etwas, das im Anschluss an eine Kontrolle geändert oder angepasst werden müsse, erklärt die Tierärztin. «Wir wollen niemanden plagen», sagt sie. Es sei eine Kontrolle, die auch zu Gesprächen überleiten solle und hohen Informationscharakter habe. Werden Dinge «beanstandet», gibt die Kontrollperson eine Frist, in der die Anpassung zu vollziehen ist. Wenn die Mängel nicht «zu gross» seien, könne der Tierhalter mit einem bei der Kontrolle abgegebenen Formular beim Veterinäramt die Rückmeldung machen, dass die Anpassungen vollzogen worden seien. Manchmal kommt es zu einem zweiten Kontrollbesuch, bei dem überprüft wird, wie die Anpassung gemacht wurde. Welcher Weg gewählt wird, hängt ganz stark davon ab, wie viel und was beanstandet wurde.
TVD prüfen
Hat ein Betrieb aufgrund einer Umstrukturierung (Pacht/Betriebsübernahme) an einem anderen Standort eine zweite TVD-Nummer muss der Tierhalter die Tiere nach Verbringung an den anderen Standort zwingend auf diese Nummer ummelden. Eine Alternative ist, diese Nummer – in Absprache mit dem Vorbewirtschafter – zu sperren. Dann laufen alle Tiere unabhängig des Standorts über eine Nummer. Das Sperren ist aber nur möglich, wenn die Standorte nicht weiter als 3 km Luftlinie voneinander entfernt liegen und der Vorbewirtschafter keinen künftigen Anspruch darauf mehr erhebt. Sonst gilt: Bei jedem Standortwechsel ummelden.
Manchmal nur Kleinigkeiten
Bei Familie Rindisbacher brauchen die Kaninchen in vereinzelten Ställen noch eine Rückzugsmöglichkeit, also ein Brett, unter dem sie sich verstecken können. Weiter erinnert Valerie Wist daran, dass eine zweite und aktive TVD-Nummer auch zu nutzen sei (siehe Kasten rechts). «Es bereitet Freude, solche Betriebe zu besuchen», attestiert sie der Bauernfamilie.
Weitere Informationen: www.blv.ch
TAM-Vereinbarung bei Vorrat
Gemäss der Tierarzneimittelverordnung müssen Tierärztinnen oder Tierärzte vor der Abgabe eines Tierarzneimittels (TAM) den Gesundheitszustand der zu behandelnden Nutztiere anlässlich eines Bestandesbesuchs persönlich beurteilen. Das heisst, bevor ein Tier behandelt werden darf, braucht es zwingend einen tierärztlichen Untersuch. Hier wurde im Sinne aller Beteiligten schon länger eine Vereinfachung umgesetzt. Tierärztinnen oder Tierärzte können mit der Tierhalterin oder dem Tierhalter eine schriftliche Vereinbarung über regelmässige Betriebsbesuche und den korrekten Umgang mit TAM abschliessen. In dem Fall können sie TAM auch ohne vorgängigen Bestandesbesuch verschreiben oder abgeben.
Die TAM-Vereinbarung ist ein Vertrag, den man mit seiner Bestandestierärztin oder seinem Bestandestierarzt bei Bedarf abschliessen kann. Darin sind die Voraussetzungen für eine Abgabe von TAM auf Vorrat geregelt. Folgende Punkte sind dabei entscheidend:
Wann brauchen Tierhalter-(innen) eine TAM-Vereinbarung? Wenn TAM direkt durch Tierhalter in der Praxis bezogen werden, ohne dass der Tierarzt den Gesundheitszustand der Tiere beurteilt hat oder wenn der Tierarzt TAM auf Vorrat abgibt. Für eine Tierart darf jeweils nur mit einer Tierarztpraxis eine TAM-Vereinbarung abgeschlossen werden
Was gilt als Abgabe auf Vorrat? Der Tierhalter oder die Tierhalterin entscheidet selbstständig, welches Tier wann behandelt wird. Das heisst, eine Abgabe von TAM für ein spezifisches Tier und einen definierten Zeitpunkt ist nicht das Gleiche wie eine Abgabe auf Vorrat.
Trockenstellkonzept bei Vorrat
[IMG 3]Die Anwendung von antibiotischen Trockenstellern ist eine prophylaktische Behandlung mit Antibiotika, und somit ist deren Abgabe auf Vorrat gemäss Tierarzneimittelverordnung nicht erlaubt. Vorrat heisst, dass der Tierhalter oder die Tierhalterin selbstständig entscheidet, welches Tier wann antibiotisch trockengestellt wird. Allerdings darf die Tierärztin oder der Tierarzt nach vertieften Abklärungen der Betriebssituation Trockensteller auf Vorrat abgeben.
In diesem Fall muss zwingend ein schriftliches Trockenstellkonzept vom Tierarzt oder der Tierärztin auf dem Betrieb vorhanden sein. Dieses Trockenstellkonzept soll betriebsspezifisch sein und laufend überprüft und angepasst werden. Verschreibt die Tierärztin oder der Tierarzt einen Trockensteller für eine bestimmte Kuh, ist hingegen kein Trockenstellkonzept nötig.
Bestandestierarzt muss Bestandesbesuch machen
[IMG 2]Im Rahmen der TAM-Vereinbarung muss je nach Betriebsstruktur ein- bis viermal jährlich ein Bestandesbesuch durch den Tierarzt durchgeführt und protokolliert werden. Die Frequenz wird in der Vereinbarung durch die Tierärzte festgelegt (Frequenz steht im Vertrag).
Die Tierärztin oder der Tierarzt muss anlässlich dieses Bestandesbesuchs folgende Punkte überprüfen und schriftlich dokumentieren (sog. «Checkliste»):
- die aktuelle Gesundheitssituation im Bestand
- die seit dem letzten Besuch festgestellten gesundheitlichen Probleme sowie die erfolgten Behandlungen und Nachkontrollen
- die seit dem letzten Besuch gestellten Indikationen für Prophylaxemassnahmen und Therapien
- die Aufzeichnungen zum Tierarzneimitteleinsatz sowie die Lagerung der Tierarzneimittel, die im Rahmen der TAM-Vereinbarung abgegeben werden.
Im Rahmen des Besuchs können zudem Fragen und Anliegen rund um die Anwendung und Lagerung von TAM geklärt werden und es soll auf nicht konformen Umgang mit TAM hingewiesen werden. Zudem können abgelaufene TAM zur Entsorgung mitgegeben werden. Er soll auch als Anlass dienen, allfällige Gesundheitskonzepte, wie z. B. das Trockenstellkonzept, zu überprüfen und allenfalls anzupassen und so den Tierhaltern einen zusätzlichen Mehrwert bringen.
