Welches Fazit ziehen Sie nach den Workshop-Veranstaltungen zum Thema Nutzungsdauer?
Michael Walkenhorst: Mein Fazit ist durchaus gemischt. Das Ziel, mit den Workshops je rund 50 Landwirtinnen und Landwirte zu erreichen, wurde leider nicht erreicht. Das mag verschiedenste Gründe haben. Mit insgesamt rund 100 teilnehmenden Personen, von denen nur rund die Hälfte Milchkühe zu Hause hatten, liegen wir weit unter den erhofften Zahlen. Abgesehen von diesen blanken Zahlen werden mir die Workshops aber in sehr guter Erinnerung bleiben. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen waren sehr aktiv und die Diskussionen, sowohl in den Gruppen als auch im Plenum, äusserst konstruktiv und kreativ. Zum Glück ist dies ja erst die erste von drei Workshop-Runden. Zwei weitere folgen im Herbst 2022.
Das BLW scheint ab 2024 Beiträge zugunsten der Nutzungsdauer auszuzahlen. Braucht es da Ihre Studie überhaupt noch?
Danke für die Ehre (lacht). Diese Studie ist natürlich ein Gemeinschaftswerk von einem grossen, äusserst aktiven Team aus grossen Teilen der Branche, zu dem letztlich auch jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin der Workshops gehört. Aber zurück zum Kern Ihrer Frage. Selbstverständlich braucht es unsere Studie. Sie soll die Grundlage für die Arbeit am Thema Nutzungsdauer weit über das Jahr 2024 hinaus schaffen. Die Direktzahlung nimmt aus meiner Sicht da auch keinerlei Projektergebnisse vorweg, sondern stellt lediglich eine erste Massnahme dar.
Dann sehen Sie Einflusspotenzial?
Was sich derzeit aus der Schweizer Datenlage herauskristallisiert, aber auch aus anderen Ländern Europas bekannt ist, ist, dass die Nutzungsdauer von vielen Faktoren beeinflusst wird. Es ist somit kaum davon auszugehen, dass eine einzelne Massnahme ausreicht, um die Nutzungsdauer zu optimieren. Auch bin ich davon überzeugt, dass die Direktzahlung, selbst wenn sie 2024 in der vorgestellten Form eingeführt wird, nicht für die nächsten Jahrzehnte in Stein gemeisselt ist. Wenn wie geplant 2025 die Endergebnisse unserer Studie vorliegen und Justierungen auf Basis breit diskutierter wissenschaftlicher Erkenntnisse sinnvoll erscheinen, bin ich zuversichtlich, dass es auch zu Justierungen kommt.
Was glauben Sie, was bei dieser Studie herauskommt?
Ich bin natürlich sehr gespannt auf die Studienergebnisse. Forschung ist aber immer ergebnisoffen, sonst brauchte es sie ja nicht. Nicht selten gibt es auch Überraschungen. Für mich überraschend war, dass sich die Nutzungsdauer der Milchkühe in der Schweiz kaum verändert hat. Beim Verfassen des Forschungsantrags hatte ich stark vermutet, dass sie in dieser Zeitspanne gesunken ist.
Gehen die Kühe tatsächlich zu früh aus den Beständen ab?
Auch auf diese Frage gibt es natürlich noch keine abschliessende Antwort. Es gibt Indizien, die aktuell darauf hindeuten, dass die Kühe tatsächlich zu früh aus den Beständen abgehen. Bei der Definition für «zu früh» kommt es dabei aber immer sehr darauf an, aus welcher Perspektive man das betrachtet. Besser wäre es vielleicht, zu fragen: «zu früh für was?» Ich hoffe sehr, dass wir bis zum Abschluss des Projektes diese Frage mehrfach beantworten können, z. B. für die einzelbetriebliche Wirtschaftlichkeit oder auch für die schweizweite Ressourceneffizienz. Eines finde ich sehr eindrücklich, sowohl aus den Workshops als auch aus der vorhergehenden Umfrage. Gefragt nach der optimalen durchschnittlichen Nutzungsdauer von Milchkühen kam vonseiten der Praktiker kein einziges Mal eine Nutzungsdauer von unter vier Laktationen. Im Mittel wurden sogar deutlich über sechs angegeben. Auf Basis der Herdbuchdaten liegt aktuell bei keiner Schweizer Milchkuhrasse die mittlere Nutzungsdauer über vier Laktationen. Es scheint noch «Luft nach oben» zu bestehen.
Betriebe werden gesucht
In einem auf fünf Jahre angelegten Forschungs- und Dialogprojekt wird die Nutzungsdauer von Milchkühen unter die Lupe genommen. Dadurch sollen konkrete Strategien entwickelt werden, um die Nutzungsdauer der schweizerischen Milchkühe nach oben zu korrigieren. Die Bäuerinnen und Bauern spielen einen wichtigen Part in diesem Projekt. Sie sind eingeladen, sich aktiv daran zu beteiligen. «Für mich ist der Einbezug der Praktikerinnen und Praktiker, also die Workshops und die ab diesem Herbst anschliessenden Arbeitskreise das ausgesprochene Herzstück des Projekts», sagt Michael Walkenhorst. Die wissenschaftlichen Ergebnisse der Studie würden nämlich erst richtig an Wert gewinnen, wenn sie mit der Praxis diskutiert und auf Praxistauglichkeit geprüft wurden. «Unsere derzeit grösste Herausforderung ist, genügend Praktikerinnen und Praktiker für die geplanten Arbeitskreise zu finden. «In den Arbeitskreisen möchten wir gerne über zwei Jahre mit interessierten Betrieben zusammenarbeiten. Eine Zeitspanne, die aus Erfahrungen in früheren Projekten eine gezielte Änderung der gesamtbetrieblichen Nutzungsdauer möglich macht. Kürzer sollte die erfasste Zeitspanne allerdings nicht sein», sagt Walkenhorst. Interessierte Betriebsleitende können sich bei Markus Rombach, Agridea, unter Tel. 052 354 97 52 melden.
