Auf der Weide am Waldrand tummelt sich zufriedenes braunes Federvieh, pickt und scharrt. «Ich werde die Herde vermissen», hält Tobias Affentranger mit Blick auf das Treiben fest. Bald werden die 2000 Legehennen ausgestallt. Es war die erste Herde von Nadine und Tobias Affentranger-Widler auf dem Lindenhof. Im Juli vor einem Jahr konnten die Bioproduzenten aus Jonen AG ihren neuen Stall in Betrieb nehmen.
Rasse Lohmann Dual
Was der Laie nicht auf Anhieb erkennt: Affentrangers halten keine gewöhnlichen Legehybriden, sondern Zweinutzungshühner der Rasse Lohmann Dual. Die Eier gehen an die Ei AG und werden bei Coop unter dem Label «Zweinutzungshuhn» verkauft. Inzwischen sind es vierzehn Legehennenbetriebe, welche für das Projekt produzieren. Parallel zur Aufzucht der Weibchen werden die Männchen auf Bell-Mastbetrieben gemästet und anschliessend als ganze Poulets verkauft.
[IMG 2]
Das Projekt läuft seit 2014, die Familie Affentranger gehört seit einem Jahr zu den Produzenten. «Wir sind sehr zufrieden mit dem ersten Umtrieb», sagt Nadine Affentranger. «Die Hühner sind robust und gesund, wir hatten kaum Abgänge, selbst wenn sie zweistöckig aufeinanderhocken, passiert nicht viel, natürlich muss man sie dann trennen.» Sie seien ausserdem friedlich, neugierig und nicht sonderlich schüchtern, ergänzt ihr Mann: «Als sie wegen der Vogelgrippe im Wintergarten bleiben mussten, hatten wir kaum Probleme mit Federpicken oder Kannibalismus. Da haben wir von Berufskollegen anderes gehört.»
Betriebsspiegel Lindenhof
Name: Nadine und Tobias Affentranger-Widler
Ort: Jonen AG
Produktion: Bio-Knospe
Ackerfläche: 18 ha LN (12 ha Ackerfläche, 6 ha Naturwiese)
Viehbestand: 2000 Legehennen (Zweinutzungshühner), 10 Mutterkühe
Kulturen: Getreide, Weizen, Dinkel, Zuckermais, Silomais, Erbsen, Bohnen, Futtersoja.
Arbeitskräfte: Betriebsleiterpaar, Eltern und Schwiegereltern helfen aus
Eher phlegmatisch
«Wir haben sie natürlich beschäftigt, zum Beispiel die Körner zweimal täglich statt nur einmal gestreut», erzählt Nadine Affentranger. Die Dual-Hennen haben nicht sonderlich viel Temperament. Dass sie etwas phlegmatisch sind, verursacht jedoch Mehraufwand. «Wir können die Nester nicht einfach automatisch schliessen, sondern müssen vorher durch den Stall gehen und sie verscheuchen. Sie bleiben ansonsten einfach sitzen», sagt Tobias Affentranger.
Während die männlichen Dual eine zufriedenstellende Mastleistung erreichen, legen die Legehennen deutlich weniger und kleinere Eier im Vergleich zu den gängigen Legehybriden. In guten Zeiten hatten Affentrangers von 2000 Hühnern pro Tag 1800 bis 1900 Eier. Jetzt, kurz vor Ende des Umtriebs, sind es noch 1500 bis 1600 Eier.
Die Dual-Hennen benötigen dafür weniger Futter. Ohne Körner sind es etwa 90 Gramm pro Huhn und Tag. «Wir brauchen etwa 180 bis 190 Kilo Futter pro Tag», sagt Tobias Affentranger. Dieses reichern sie mit Effektiven Mikroorganismen (EM) Bokashi an, die sie auch im Stall versprühen. «Das sorgt für eine bessere Darmgesundheit, und die Hühner haben es wahnsinnig gern», so Nadine Affentranger.
[IMG 3]
Milchproduktion aufgegeben
Vor einem guten Jahr hatte die Familie noch Milchkühe. Diesen trauern sie allerdings nicht nach: «Wir hatten eine Gemeinschaft mit einem Nachbarn, bei der bereits länger klar war, dass sie aufgrund seiner Pensionierung nicht ewig weitergehen würde», sagt Nadine Affentranger. Sie schauten sich auch die Mastpouletproduktion an, aber bald war klar, dass es Zweinutzungshühner sein sollten. «Wir entschieden uns für die Eierproduktion, weil der Deckungsbeitrag besser ist als bei der Mast. Ausserdem hat man nur einen Umtrieb pro Jahr, auch ein Vorteil», so Tobias Affentranger. «Es war für uns auch eine Chance, einen Eierabnahmevertrag zu bekommen, als klassische Produzenten schon nicht mehr einsteigen konnten.» Derzeit stagniert der Bioeiermarkt.
Natürlich macht sich das Ehepaar Gedanken, wie sich der Markt nach dem von Bio Suisse für 2026 anvisierten Ausstieg aus dem Kükentöten entwickeln wird. «Danach wird man sicher mehr auf unsere Schiene setzen. Es ist ein exklusives Ei, aber ich beobachte immer wieder Konsumenten beim Einkaufen, die danach greifen», bleibt Tobias Affentranger zuversichtlich.
Die beiden würden sich wünschen, dass man das Zweinutzungshuhn noch bekannter machen würde: «Wäre es nur eine Tafel, die wir an der Weide anbringen könnten, damit die Konsumenten noch bewusster solche Eier kaufen.» Den allermeisten Spaziergängern, die an der Herde vorbeikommen, sei nicht bewusst, dass eine Legehenne und ein Mastpoulet nicht das Gleiche sei, sagt Nadine Affentranger.
Eher spontan übernommen
Neben den Hennen halten Affentrangers zehn Mutterkühe und produzieren Getreide, Weizen, Dinkel, Zuckermais, Silomais, Erbsen, Bohnen und heuer erstmals Futtersoja. Schon Nadine Affentrangers Eltern hatten den Betrieb vor zwanzig Jahren auf Bio umgestellt. Den Hof 2020 zu übernehmen, war eher ein spontaner Entscheid. «Als ich 25 war, war es mal ein Thema, damals konnte ich mir das noch nicht vorstellen, aber jetzt ist es super!» Auch die beiden Kinder, 10 und 12, sind von der Landwirtschaft begeistert.
Technisches Know-how hilft im Hühnerstall
Nadine Affentranger war KV-Angestellte, holte dann die Ausbildung zur Landwirtin nach, ihr Mann war Maschinenmechaniker und Servicetechniker, in den letzten zehn Jahren Gebietsverkaufsleiter. Von diesem Know-how profitiert er noch heute. «Ich kann nicht nur unseren Traktor und die Waschmaschine flicken, sondern muss auch nicht jedes Mal den Techniker holen, wenn etwas mit der Technik im Hühnerstall ist.» Auf dem Betrieb machen beide alles. «Wir besprechen am Morgen, wer was macht», sagt Nadine Affentranger. «Manchmal muss ich mich mit ihr um den Traktor streiten», scherzt ihr Mann.
[IMG 4]
Pro Tag vier Stunden
Sie sind zufrieden mit ihrem Einstieg in die Dual-Haltung. «Das Huhn ist ein tolles Tier, das Ei ein hochwertiges und vielseitiges Lebensmittel», sagt Nadine Affentranger. Sie schätzen die neue Freiheit, die sie mit den Milchkühen noch nicht hatten. «Wir können nun mal einfacher tagsüber weg und die Kinder morgens in Ruhe in die Schule schicken und müssen erst danach in den Stall.» Den Arbeitsaufwand pro Tag schätzen sie auf rund vier Stunden. Die Eier werden klimatisiert gelagert und zweimal pro Woche abgeholt. «Nun hoffen wir natürlich, dass unsere zweite Herde ebenso gefreut sein wird wie die erste», sagt Tobias Affentranger.
