Dass sich die Milch manchmal aus unerklärlichen Gründen nicht schäumen lässt, klingt vorerst nebensächlich. Schon in der Vergangenheit haben Verarbeiter und Abnehmer teils feststellen müssen, dass die Milch während einzelner Tagen nicht gut oder gar nicht schäumt. Aktuell handle es sich aber um Wochen, und das habe für die Branche weitreichende Folgen, wie Gregor Lanz, Geschäftsführer der Molkerei Lanz in Obergerlafingen, sagt: «Die Leute wollen heute einen schönen Cappuccino. Dafür muss die Milch schäumbar sein», beobachtet er die Konsumentenschaft. «Tut sie das nicht, leeren die Endkonsumenten (eine Cafeteria beispielsweise) die Milch weg», fährt Gregor Lanz fort.
Milch kostenlos ersetzen
«So kam es vor, dass wir chargenweise Milch kostenlos ersetzen mussten, weil die Schäumbarkeit nicht gewährleistet war», so Gregor Lanz. «Die Leute wollen zwar noch Pastmilch, Fehler und Unregelmässigkeiten aber nicht. Wir müssen uns damit rechtfertigen, dass es sich eben um ein Naturprodukt handelt und daher nicht immer berechenbar ist. Diese Rechtfertigung reicht für die Konsumenten aber nicht mehr aus – sie wollen einfach den Schaum», fügt er hinzu.
Die Gefahr sei dadurch gross, dass der Konsument auf die günstigere Variante, die UHT-Milch (Ultra-Hoch-Temperatur), zurückgreife, die viel länger haltbar ist und sich erst noch zuverlässig schäumen lässt, so Lanz gegenüber der BauernZeitung.
Keine handfesten Nachweise
In der Branche gebe es aber praktisch keine Bestrebung, dieses ungeklärte Phänomen zu untersuchen, geschweige denn Lösungen entlang der Wertschöpfungskette zu erarbeiten, wie Gregor Lanz bemängelt. Seine Molkerei habe allerdings mit der Vermarktungsorganisation Mooh Milchproben gesammelt, Fettsäureanalysen durchgeführt und die Milch auf deren Gefrierpunkt untersucht. Dabei hätten sie festgestellt, dass die Milch jeweils beim Wechsel vom Stall auf die Weide und von der Weide in den Stall an ihrer Schäumbarkeit einbüsst. Die Untersuchung mit der Mooh zeigte, dass es zwischen Bio- und konventioneller Milch keine grossen Unterschiede in der Schäumbarkeit gab. «Allerdings tritt bei UHT-Milch das Problem aufgrund der höheren thermischen Belastung nicht oder weniger auf», eruiert Lanz in seinem Schreiben.
Vor zwei Jahren sandte Lanz ein Infoblatt an seine Milchproduzenten aus, um auf das Phänomen aufmerksam zu machen. «Vom einen auf den anderen Tag hatten wir das Problem nicht mehr», erinnert er sich. «Zudem können die Kaffeemaschinen als Ursache ausgeschlossen werden, da es bei allen Typen nicht schäumt», stellt der Geschäftsführer im Schreiben klar. Und es handle sich auch nicht um ein betriebsspezifisches, sondern um ein generelles Frischmilchproblem.
Viele wilde Theorien
Nun stehen die wildesten Thesen im Raum, aber niemand scheint eine kohärente Erklärung zu haben. «Es könnte beispielsweise sein, dass das kalte Tränkewasser nach einer Schneeschmelze auf die Kuh einen Einfluss hat», denkt Gregor Lanz. Auch vermutet er eine Abhängigkeit von Fütterung, aktueller Milchzusammensetzung, Zusatzstoffen oder Reinigungsmitteln. Thomas Aeschlimann, Konsulent bei Agroscope, hat eine chemische Erklärung dafür: «Wir stellen fest, dass sich die Milch eher im Sommer schlechter schäumen lässt. Eine mögliche Ursache liegt in der abtransportierten Menge. In dieser Periode sind die Mengen tendenziell geringer, und die mechanische Belastung der Milch ist höher», erklärt er. Auch der Fettgehalt der Milch spiele eine zentrale Rolle. «Ist die Milch reich an freiem Fett, beeinträchtigt dies die Schaumbildung», so Aeschlimann.
Gregor Lanz wiederum relativiert diese These: «Dass Fett an die Eiweissstruktur anlagert, ist klar. Solange das Fett aber gekapselt ist, ergibt sich ein stabiles Gerüst (Schaum). Und es ist tatsächlich so, dass der Fettsäuregehalt aktuell erhöht ist, was sich wiederum auf die Schaumstabilität auswirken könnte. Aber wenn die Schäumbarkeit nur vom Fettgehalt abhängig wäre, würde fettreicher Rahm nie schäumen. Das tut er aber – man kann ihn ja sogar steif schlagen», entgegnet Lanz. Klar ist, dass die Homogenisierung, das Frieren oder Mischen einen negativen Einfluss auf die Schäumbarkeit der Milch haben können. Dies zeigt eine Studie aus dem Jahr 2006. Oder allgemeiner gesagt: Jegliche Art von «Fettschädigung» während der Verarbeitung verletzt die Membran der Fettkügelchen in der Milch. Das erlaubt es der Lipase (dem Fett spaltenden Enzym), das Milchfett aufzuspalten. In der Folge bricht das Enzym das Fett in Di-, Monoglyceride und eben freie Fettsäuren. Die Konzentration von freien Fettsäuren ist gemäss einer weiteren Studie aus dem Jahr 2019 dennoch abhängig von der Fütterung und dem Melk- und Haltungssystem.
Thema unbedingt aufgreifen
Agroscope hat die Problemstellung aktuell als mögliche Bachelorarbeit ausgeschrieben. Bisher ist das Thema noch nicht vergeben. «Es wäre aber wichtig, die Problematik aufzugreifen», betont auch Thomas Aeschlimann von der Agroscope. Bis dahin empfiehlt Aeschlimann den Molkereien, die FFA (free fatty acids, also freie Fettsäuren) der abgelieferten Milch sowie Stufenproben der Rohmilch im Betrieb zu bestellen. Auch sei darauf zu achten, welches Reinigungsmittel man verwende und bei einem Wechsel der Mittel allfällige Reinigungsrückstände zu beobachten, so Patrick Adler von Ufag Laboratorien.
Die Molkerei fragt sich nun: Wer greift das Thema auf? Was ist die genaue Ursache des Phänomens? Wie löst man das Problem zukünftig? Auch Agroscope unterstreicht die Relevanz der Problematik, denn letzten Endes geht es um viel Milch, die wegen mangelnder Schäumbarkeit entsorgt wird.