Der Einsatz von Antibiotika ist aus dem medizinischen Alltag nicht mehr wegzudenken – sei es für Mensch oder Tier. Doch jeder Einsatz kann auch Resistenzen fördern. Geschätzt wird, dass in der Schweiz jährlich 300 Todesfälle solchen Resistenzen zugeschrieben werden müssen – weltweit spricht man von 1,3 Millionen Toten. Und zwischen 200 und 750 Mio Franken hoch könnten sich hierzulande bis 2050 die jährlichen Kosten aufgrund solcher Resistenzen belaufen.

Gefahr für alle

Die globale Zunahme von Antibiotikaresistenzen wird als stille Pandemie bezeichnet. Sie schreitet schleichend voran und erhält nicht annähernd die gleiche Aufmerksamkeit wie akute Pandemien wie Covid-19. Sie hat aber schwerwiegende und weitreichende Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit.

Seit 2016 setzt sich der Bundesrat mit der Strategie Antibiotikaresistenzen Schweiz (Star) dafür ein, dass Antibiotika auch in Zukunft für Mensch und Tier wirken. Acht Jahre später zeigen die Massnahmen Erfolg: In der Humanmedizin sank der Verbrauch von wichtigen «Watch»-Antibiotika zwischen 2015 und 2022 um 30 Prozent. Diese «Watch»-Antibiotika sind eine Kategorie von Antibiotika, die laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) besonders sorgfältig überwacht werden sollten. Denn diese Antibiotika sind wichtig für die Behandlung bestimmter Infektionen, bergen aber ein hohes Risiko für die Entwicklung von Resistenzen.

Was sind Antibiotikaresistenzen?

Antibiotikaresistenz bedeutet, dass manche Bakterien sich so verändern, dass Antibiotika ihnen nichts mehr anhaben können. Es sind also die Bakterien, die resistent werden, und nicht die Menschen.

Diese resistenten Bakterien können sich vermehren und von einer Person zur anderen übertragen werden. Dadurch wird die Behandlung von Infektionen schwieriger, dauert länger oder ist im schlimmsten Fall gar nicht mehr möglich. Das ist besorgniserregend, weil Antibiotika wichtig sind, um bakterielle Infektionen zu behandeln oder zu verhindern.

Resistente Bakterien führen neben Todesfällen auch zu längeren Krankenhausaufenthalten und höheren Gesundheitskosten. Weltweit nimmt die Zahl der Infektionen mit resistenten Bakterien zu. In der Schweiz geht man aktuell davon aus, dass der obere Plafond erreicht ist. Ein positives Beispiel ist hier die Anzahl der Infektionen durch Methizillinresistente Bakterien der Art Staphylococcus aureus, die etwa Hautinfekte hervorrufen können. Sie ist seit 2004 deutlich gesunken. Dieser Rückgang ist laut Bund auf die Bemühungen in den Spitälern zurückzuführen.

Ein entscheidendes Problem ist: Werden Antibiotika eingesetzt, können resistente Bakterien überleben. Sie vermehren sich, weil die nicht resistenten Bakterien abgetötet werden.

Reisende, die aus dem Ausland zurückkehren, können resistente Bakterien mitbringen, besonders nach einem Krankenhausaufenthalt. Wenn man innerhalb von zwölf Monaten nach der Rückkehr in der Schweiz ins Krankenhaus muss, sollte man auf Empfehlung des Bundes das medizinische Personal darüber informieren. So könnten resistente Bakterien frühzeitig erkannt und ihre Verbreitung kann verhindert werden.

Resistenzen stabil

In der Veterinärmedizin gingen die Antibiotikaverschreibungen um rund 41 Prozent zurück, der Verbrauch kritischer Antibiotika sogar um über 77 Prozent. Die gute Botschaft dazu: Die Resistenzraten scheinen sich vorerst zu stabilisieren. Doch angesichts höherer Raten im Ausland bleibt Vorsicht geboten. Weitere Massnahmen zur Prävention und Bekämpfung von Resistenzen seien weiterhin wichtig, auch in der Schweiz, ist man sich beim Bund daher einig.

«Es wird genutzt – aber eben noch nicht von allen.»

Dagmar Heim, Leiterin Fachbereich Tierarzneimittel beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV).

«Wir haben viel erreicht», sagt Dagmar Heim, Leiterin Fachbereich Tierarzneimittel am Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Aber es brauche noch mehr. So hat der Bundesrat jüngst den neuen «One Health-Aktionsplan Star 2024–2027» verabschiedet. Die Verantwortung für dessen Umsetzung liegt bei den vier Bundesämtern für Gesundheit (BAG), für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV), für Landwirtschaft (BLW) und für Umwelt (Bafu). Zentral im Zusammenhang mit diesem Aktionsplan sei, dass das, was in den letzten Jahren erarbeitet worden ist, auch wirklich genutzt wird. «Es wird genutzt – aber eben nicht von allen», präzisiert Heim und nennt als Beispiel die Therapieleitfäden. «Da steht wunderbar drin, was präventiv gemacht werden kann oder auch, ob und welches Antibiotikum verabreicht werden sollte.» Genaue Zahlen, wie viele Nutzerinnen und Nutzen von diesen Informationen Gebrauch machen, kennt das BLV aber nicht.[IMG 2]

Der neue Aktionsplan definiert sechs Handlungsschwerpunkte und setzt konkrete nationale Ziele mit jährlichen Meilensteinen. Doch was davon ist nun für die Bäuerinnen und Bauern wichtig und was genau ändert sich?

Im Veterinärbereich soll die Schweiz beim Vertrieb von kritischen Antibiotika das Niveau der fünf besten Länder Europas erreichen, ohne dabei Tiergesundheit und Tierwohl zu gefährden. Die Gesundheit von Tieren in der Schweiz soll insgesamt verbessert werden, indem die Tierärzteschaft präventive Massnahmen zur Erhaltung und Verbesserung der Tiergesundheit fördert und die Tierhalter die vorhandenen Instrumente und Empfehlungen kennen und umsetzen.

Hier spielt laut Dagmar Heim auch die Biosicherheit eine entscheidende Rolle. Nicht nur betreffend die Resistenzen, sondern auch, um Einträge von Seuchen – wie die Afrikanische Schweinepest – zu verhindern. Bei der Schweinehaltung gäbe es schon viele Biosicherheits-Massnahmen, die umgesetzt würden. «Bei der Rinderhaltung hingegen erst ein paar wenige. Daran werden wir arbeiten», so Heim.

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Endlich kommt der Benchmark

Abo Gastbeitrag Es braucht neue Antibiotika und eine zuverlässige Verfügbarkeit Friday, 5. July 2024 Schon im Jahr 2022 war die Rede von einem Benchmark – einem Vergleichswert, der eingeführt werden sollte, damit die Tierarztpraxen, aber auch die Tierhalterinnen und Tierhalter selbst einen Anhaltspunkt erhielten, wo sie mit ihrem Antibiotikaverbrauch stehen. Doch der Benchmark liess auf sich warten.

Ein möglicher Ansporn

Auf dem Agate-Portal kann der Tierhalter zwar seinen Antibiotikaverbrauch in der Datenbank Abidat einsehen – ob dieser jedoch im schweizweiten Vergleich hoch oder niedrig ist, weiss er nicht. Noch nicht. Denn genau dieses Wissen könnte laut Dagmar Heim ein Ansporn sein, besser zu werden und den Verbrauch mit passenden Massnahmen zu senken. So jedenfalls zeigt es die Erfahrung in skandinavischen Ländern.

«Wir haben das einfacher eingeschätzt», gibt Dagmar Heim zu, als sie gefragt wird, warum der Benchmark nicht wie geplant vor zwei Jahren eingeführt wurde. Der Grund dafür ist ein einfacher: Das BLV hätte gerne zwischen verschiedenen Nutztierkategorien wie Kälber- und Rindermast unterschieden. Diese Unterscheidungen werden jedoch in der Tierverkehrsdatenbank nicht gemacht und sind daher nicht verfügbar. «Deshalb haben wir nun entschieden, diese beiden Gruppen zusammenzufassen», erklärt Heim.

Rindviehhalter gefordert

Zunächst wird der Benchmark zu Informationszwecken und zur Sensibilisierung veröffentlicht. Ein Vergleichswert für Geflügel ist bereits online verfügbar. Im Spätherbst soll auch ein Vergleichswert für Rinder folgen. Die gesammelten Daten des Informationssystems Antibiotika in der Veterinärmedizin (IS ABV) zeigen besonders bei Milchvieh und in der Kälbermast einen hohen Antibiotikaverbrauch. Laut Bund müssen für diese Nutztierkategorien Ansätze entwickelt werden, die den Antibiotikaverbrauch senken, ohne die Tiergesundheit und das Tierwohl zu gefährden.