Antibiotika-Resistenzen nehmen zu und gehören zu den drängendsten Herausforderungen unserer Zeit. Schätzungen gehen davon aus, dass weltweit pro Jahr fast 1,3 Millionen Menschen an Infektionen mit resistenten Bakterien sterben, mit steigender Tendenz.
Der Bundesrat hat mit der Strategie Antibiotikaresistenzen (StAR) bereits 2016 Massnahmen zur Bekämpfung resistenter Erreger beschlossen. Damit konnten erste Erfolge erzielt werden: Die Schweiz hat die Resistenzen vorläufig stabilisiert und den Antibiotika-Einsatz gesenkt. Das ist wichtig. Denn je weniger Antibiotika eingesetzt werden, desto eher kann die Bildung von Resistenzen vermieden werden. Im europäischen Vergleich gehört die Schweiz heute zu den Ländern mit dem niedrigsten Antibiotikaverbrauch. Aber es braucht weitere Anstrengungen. Die Schweiz muss ihre Massnahmen verstärken.
Ein neuer Aktionsplan
Der Bundesrat hat dazu vergangene Woche einen neuen Aktionsplan lanciert. Damit werden Früherkennung und Überwachung, Prävention, Forschung und Entwicklung sowie die Bekämpfung von Resistenzen weiter verbessert. Weil das Problem Mensch, Tier und Umwelt betrifft, setzen wir auf den «One-Health»-Ansatz: mit Massnahmen in all diesen Bereichen. Der Aktionsplan stärkt deren Verbindlichkeit und ermöglicht neue, innovative Ansätze.
Eine wichtige Rolle spielen zum Beispiel die Spitäler. Da liegt ein Fokus auf konsequenter Infektionsprävention und -kontrolle, um Spitalinfektionen zu vermindern. Die Ärztinnen und Ärzte werden zudem mit sogenannten Stewardship-Programmen unterstützt, Antibiotika so sachgemäss wie möglich einzusetzen. Dazu kommen Fortbildung, Monitoring von Antibiotikaverbrauch und Feedback-Systeme. Heute nimmt rund die Hälfte der Spitäler an einem Monitoring zum Antibiotikaverbrauch teil. Ziel ist, diesen Anteil bis Ende 2027 auf 80 Prozent zu erhöhen.
In der Veterinärmedizin wird der Antibiotikaverbrauch noch konsequenter erfasst. Ein Benchmarksystem ermöglicht es zudem zukünftig, den eigenen Verbrauch mit jenem von anderen Praxen oder Tierhaltungsbetrieben zu vergleichen. Weiter soll auch die Menge an Antibiotika minimiert werden, die etwa bei Starkregen via Abwasser in die Umwelt gelangen. Dies durch gezielte Information der Kläranlagen-Verbände, Gemeinden und weiterer Behörden, welche die Empfehlungen bei der Abwasserbewirtschaftung umsetzen.
Auch die wachsende Mobilität trägt zu Resistenzen bei
Ein weiteres Augenmerk gilt dem Vermeiden von Resistenzen, die mit der wachsenden Mobilität zusammenhängen. Nicht selten bringen Reisende aus Risikoländern multiresistente Erreger mit nach Hause. Müssen sie ins Spital, besteht ein Risiko, dass sich Erreger im Spital verbreiten und andere Patienten anstecken. Mit einem gezielten Screening beim Spitaleintritt, insbesondere von Rückkehrenden, die im Ausland behandelt wurden, kann die Gefahr gesenkt und damit auch die Übertragungskette durchbrochen werden.
Ebenfalls wichtig ist, Ursprung und Verbreitungswege von Resistenzen zu kennen. Dank neuer Technologien können Bakterien rasch und umfassend genetisch analysiert und Übertragungswege rekonstruiert werden.
Der Bund möchte diese Gesamtgenom-Sequenzierung in der Schweiz fördern. Ziel ist es, genetische Resistenzdaten aus den Bereichen Mensch, Tier, Lebensmittel und Umwelt auf einer gemeinsamen Plattform zu sammeln, zu analysieren und auszuwerten.
Es braucht neue und bewährte Antibiotika
Um resistente Erreger besser bekämpfen zu können, braucht es zudem neue Antibiotika. Dazu unterstützt der Bund über den Nationalfonds entsprechende Forschungsprogramme. Die Schweiz setzt sich auch auf internationaler Ebene für Verbesserungen ein und beteiligt sich z. B. an den EU-Programmen für Forschung und Innovation zu Antibiotikaresistenzen. Wichtig ist ausserdem, dass bewährte Antibiotika in der Schweiz zuverlässig verfügbar bleiben.
Der Bund hat den Aktionsplan gemeinsam mit zahlreichen Akteuren partizipativ erarbeitet. Setzen wir uns darum nun auch gemeinsam dafür ein, die Ausbreitung resistenter Bakterien einzudämmen – und die Wirksamkeit von Antibiotika für Mensch und Tier langfristig zu sichern.
Anne Lévy ist Direktorin des Bundesamts für Gesundheit
