Die Sorgenfalten auf der Stirn jener, die Tränker platzieren sollten, werden von Woche zu Woche tiefer. Christian Probst, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Anicom, spricht von einer angespannten Situation: «Wir beobachten auch bei Anicom, dass das Angebot an Tränkern die Nachfrage zunehmend übersteigt.» Dies bedeutet, dass derzeit mehr Tränker auf dem Markt sind, als Mastplätze zur Verfügung stehen.
Keine Neukunden mehr
Um die eigene Kapazität im Griff zu behalten, hat Anicom aktuell entschieden, keine Tränker von Neukunden mehr anzunehmen. «Bislang konnten wir unseren Kunden sämtliche Tränker abnehmen», sagt Probst, doch nun sei es notwendig, die Aufnahme auf Bestandskunden zu beschränken. In den letzten Wochen gelang es Anicom, die meisten Tränker – insbesondere die für die Mastrassen (AA-Tränker) – entweder in der Kälbermast oder in der Grossviehmast unterzubringen. Ein kleiner Anteil musste jedoch aufgrund von Qualitätsanforderungen direkt in die Verarbeitung gehen.
Probst rechnet damit, dass es in den kommenden Wochen schwerer werden könnte, alle geeigneten Tränker auf Mastplätze zu verteilen. Frühestens im Frühjahr erwartet er eine saisonbedingte Entlastung des Marktes. Bis dahin rät er den Milchproduzentinnen und Milchproduzenten, möglichst viele Tränker selbst abzutränken und auf die Produktion von Mastkälbern oder Mastremonten umzusteigen. «Jeder Tränker, der jetzt nicht auf den Markt kommt, bringt etwas Entlastung», erklärt Probst.
Hans Peter Wolf, Geschäftsführer der ASF Tiervermarktung AG in Sursee LU, warnte bereits vergangene Woche vor den Problemen bei der Platzierung von Tränkern. Die Milch könne derzeit attraktiver in den Industriekanal geliefert werden, anstatt zur Kälbermast verwendet zu werden, was zu einem Mangel an Mastplätzen führt. Viele Betriebe ohne Verkehrsmilchproduktion stellten um. Hinzu kommt die aktuell moderate Nachfrage nach Kalbfleisch, die auf die Preise während des ganzen Jahres drückte. Trotzdem ist laut Wolf aktuell die Nachfrage nach IP-Suisse-Kälbern weiterhin stabil.
Fresser produzieren
Um den Markt zu entlasten, schlägt Wolf vor, anstatt Tränker zu verkaufen, kurzfristig die Kälber auf dem Hof auszumästen oder Fresser zu produzieren, und verweist auf die Unterstützung: «ASF anrufen, wir unterstützen.» Er weist jedoch darauf hin, dass Einzeltiere wenig sinnvoll seien und eine gewisse Gruppengrösse notwendig ist. Gerade Betriebe, die früher Kälber gemästet haben, könnten ihre vorhandene Infrastruktur und ihr Know-how wieder nutzen.
Verantwortung übernehmen
Hans Peter Wolf unterstreicht, dass der Handel Unterstützung anbietet, betont jedoch die Notwendigkeit eines gemeinsamen Ansatzes. Eine nachhaltige Lösung zur Stabilisierung der Marktbedingungen müsse auch von der weissen Linie, also den Milchproduzenten, kommen. Im Juli kämen rund 30 000 Tränker auf den Markt, aktuell seien es mehr als doppelt so viele pro Monat. «Wenn jeder Milchproduzent ein oder zwei seiner Tränker zu Hause mästet und auch isst, dann haben wir einen bedeutenden Teil des Problems bereits gelöst.» Für die Zukunft sieht Wolf vor allem das Brechen der Saisonalität als Lösung. Die Geburten müssten sich besser übers Jahr verteilen. Und: «Die unsinnigen hohen, teils marktfremden Preisforderungen der Schweizer Milchproduzenten für Tränker müssen ein Ende haben.»
Markt entlasten
Bei den Milchproduzenten (SMP) wird auf Anfrage die Marktsituation auf dem Kälbermarkt sehr ernst genommen und keinesfalls beschönigt: «Es ist in mehrfacher Hinsicht aktuell für die Märkte sehr vorteilhaft, wenn etwas mehr Milch an Kälber vertränkt wird; einerseits damit einige Kälber vorerst nicht auf den Markt kommen, anderseits damit die Butterlager schneller sinken. Beides ist aktuell höchst wünschenswert», sagt Direktor Stephan Hagenbuch. Jeder Milchproduzent treffe dazu aber seine eigene Entscheidung. Wenn junge Kälber aktuell früh geschlachtet würden, sei das jederzeit tierschutzgesetzkonform. Wenn Kälber allerdings nicht korrekt gehalten und gepflegt würden, wäre dies nicht entschuldbar und ein gesetzlicher Sanktionsfall.