«Du bist ja allein, wie willst du den Hof ohne Frau führen?» Solche Sätze hört Christian Roth, aufgewachsen im Tannzapfenland und gelernter Landwirt, oft. Mehr als zehn Jahre arbeitet er auf verschiedenen Höfen, jahrelang chauffierte er als Lastwagenfahrer in der Schweiz umher und immer wieder bewirbt er sich um Betriebe – ohne Erfolg. Schliesslich lernt er Pamela Knobel kennen, aufgewachsen am Seerücken, gelernte Pferdepflegerin und Bereiterin, leidenschaftliche Hühnerhalterin und Besitzerin von vier Ponys.

Die lange Sache nach dem eigenen Hof

«Ihr seid ja nicht mal verheiratet und ohne Kinder», klingt es ihnen von da an entgegen – sie bekommen weiterhin Absagen. Via ein Inserat im Magazin «Bioaktuell» lernen die beiden schliesslich den Hofbesitzer und Vorgänger Heinz Brauchli kennen. Dieser sucht einen Nachfolger für seinen Biohof Rhyguet, der den Betrieb weiterhin nach den Biorichtlinien bewirtschaftet und auf Ackerkulturen setzt.

«Es war ein Glücksfall, dass wir im Thurgau einen Ackerbaubetrieb übernehmen konnten. Ein Obstbaubetrieb wäre nichts für mich gewesen, da habe ich doch schon lieber die Motorsäge und grosse Bäume», sagt Christian Roth.

Ein Jahr Einarbeitung, später Umstellung

Nach einem Jahr Einarbeitung pachten Christian Roth und Pamela Knobel 2022 den Rhyhof und stellen ihn 2023 auf Demeter um. «Wir machen Bio, Demeter und Regenerativ. Mehr Wahnsinn geht nicht mehr», sagt Roth im Gespräch. Mit «Wahnsinn» meint Roth die durch Demeter selbstauferlegten Regeln, nach welchen er seine Felder bestellen darf. Das Label baut auf die Bio-Richtlinien auf und geht noch «ein Ticken» weiter, sprich ist restriktiver. Weshalb wählte er diesen Weg?

«Meine Motivation ist es, in Einklang mit der Bodenfruchtbarkeit und der Bodengesundheit gesunde Lebensmittel anzubauen.» Dabei gehe es Roth auch darum, zu beweisen, dass er trotz, oder besser gesagt, dank seines Labels Lebensmittel in guten Mengen produzieren könne.

Zuletzt sei es auch ein pragmatischer Entscheid gewesen, denn die bisherige Bewirtschaftungsform lag nah am Demeter-Label.

100 Zwerg-Cochines und ein Wachtel-Eldorado

«Wenn ich meine Tiere mitbringen kann, dann mache ich mit», lautete die Bedingung von Pamela Knobel, dass sie gemeinsam mit ihrem Freund Christian Roth die Herausforderung eines eigenen Betriebes anpackte. Auf ihre Tiere angesprochen, erzählt Pamela Knobel, die nebenbei noch die Obfrau für Geflügel im Kanton Thurgau ist und so den Spitznamen «Chicken-Lady» trägt, von ihren rund 100 Zwerg-Cochine-Hühnern – einer alten chinesischen Rasse.

«Sie sind zutraulich, äusserst familiär und flugfaul», sagt Knobel, während sie in ihrem Hühnerstall steht und die Zwerg-Cochines um ihre Stiefel herumwuseln und emsig picken. Von ihnen hält sie gar mehrere Farbschläge und züchtet auch an einem neuen, schwarz-weiss-gepunkteten Schlag herum.

Ein separates Abteil im Stall beheimatet ihre rund 40 Wachteln. Für diese erschuf sie mit zahlreichen Tannenästen, Rindenstücken, Moos sowie Treppchen und Zwischenplattformen ein wahres Wachtel-Eldorado. Mit einer Handbewegung streut Knobel Futter aus, die Wachteln fiepsen und stürzen sich darauf. Aufgeplustert sehen sie aus wie Kügelchen, in der Grösse einer stattlichen Orange. Immer wieder halten sie beim Picken inne und mustern den Besucher mit gestrecktem Hals.

[IMG 2-3]

Scharf auf Mikronährstoffe

Was für Pamela Knobel ihre Tiere sind, ist der Ackerbau für Christian Roth. Dieser zeichnet sich auf dem Rhyguet durch folgende Merkmale aus:

Boden und Wasser: Je nach Ackerfläche steinige, aber auch leichte Böden. Bei Sonneneinstrahlung erwärmen sie sich rasch und speichern wenig Wasser. Roth kann sämtliche Flächen mit Rheinwasser bewässern.

Bodenbearbeitung: Möglichst wenig und möglichst flache Bodenbearbeitung. Falls nötig, hauptsächlich bei Hackfrüchten, setzt Roth aber auch den Pflug oder die Egge ein. Dank der Maschinengenossenschaft Rheinklingen und der Zusammenarbeit mit dem Nachbarn kann Roth jeweils die für den Boden ideale Maschine auswählen.

Gründüngungen: Kommen nach Hackfrüchten und längeren Pausen aufs Feld. Im Herbst werden sie mit 20 Kubikmetern Mist gedüngt. Vor der Frühlingssaat lässt Roth sie zwei bis dreimal von Schafen beweiden, wird im Sommer (Soja) gesät, führt er eine Flächenrotte durch. Dazu fräst er die Gründüngung mit der Celli-Fräse ein und bringt gleichzeitig Effektive Mikroorganismen (EM) aus.

Düngung: Futter-Dünger-Kooperation mit einem Schafbesitzer sowie Zufuhr von Schweinegülle und Ergänzungsdünger (Bio-Enne) aus dem Sack. Gemäss Demeter-Richtlinie dürfen höchstens 60 % des Düngers von ausserhalb zugeführt werden.

Mikronährstoffe: «Ich bin scharf auf Mikronährstoffe», sagt Roth, weil sie seiner Meinung nach die Qualität der Produkte wesentlich verbessern. Vor Kartoffeln und Karotten lässt Roth jährlich eine Bodenprobe durchführen, die neben den Hauptnährstoffen auch die Spurenelemente analysiert. Diese düngt er bei Bedarf, auch via Blatt.

«Wir hatten noch nie so schöne Kartoffeln»

Zwei Ackerkulturen haben es Christian Roth besonders angetan: die Karotten und die Kartoffeln. Letztere hätten gar von diesem Jahr profitiert. «Wir hatten noch nie so schöne Kartoffeln wie dieses Jahr», sagt Roth.

Das liege zum Teil an den sandigen Böden, der regenerativen Bewirtschaftung und der Sortenwahl. Besonders zufrieden zeigt sich Roth mit der rotschaligen Cereza und der gelbschaligen Jelly, beide weisen eine hohe Resistenz gegen die Kraut- und Knollenfäule auf. Vom Typ her seien sie zudem ähnlich, Roth kann sie auf dem gleichen Feld anbauen, ähnlich düngen und weil sie die Trockenheit gut vertragen, verschaffen sie ihm nötigen Spielraum in der Bewässerung.

Insgesamt zeigt sich Christian Roth zufrieden mit dem Jahr. Er ist überzeugt, dass gerade die regenerative Bewirtschaftung mit all ihren Elementen den Anbau resilienter mache, und wird weiterhin darauf setzen. Er erziele zwar nicht immer Höchsterträge, dafür könne er auch in einem schlechten Jahr eine gute Ernte einfahren und sie im eigenen Hofladen verkaufen.

[IMG 4-5]

Biohof Rhyguet

Name: Christian Roth und Pamela Knobel
Ort: Diessenhofen
LN: 27,6 ha, davon 20 ha Ackerfläche
Kulturen: Saatgetreide, Dinkel, Weizen, Soja, Karotten, Kartoffeln und Salat, Kunstwiesen und Gründüngungen
Tierbestand: Vier Aufzucht- und sechs Mastrinder, 150 Legehennen, drei Ponys, 100 Zwerg-Cochine-Hühner, rund 40 Wachteln und eine Handvoll Cochine-Hühner