Abo Herausfordernde Behandlung: Kälber, die im Herdenverband leben, sind oftmals weniger zugänglich. Tiergesundheit Pflanzliche Arzneimittel: «Es gibt vieles, das man selbst ausprobieren kann» Tuesday, 17. May 2022 Er ist verbreitet wie auch gefürchtet: Wohl jeder Viehbetrieb hat sich schon mit dem Thema Kälberdurchfall herumschlagen müssen. «Doch Durchfall ist nicht gleich Durchfall. Wenn es dazu kommt, ist es wichtig, zu unterscheiden», stellte Strickhof-Dozent Roger Bolt am Arbeitskreis Arzneimittelanwendung im Stall fest, der vor einer Woche auf dem Brändlehof im thurgauischen Guntershausen stattfand. Generell gilt: Am häufigsten sind Kälber im ersten Lebensmonat davon betroffen.

Die Suche nach den Erregern

Handelt es sich im Stall um einen Einzelfall, ist zunächst die Standardbehandlung angezeigt. «Das heisst, das betroffene Tier erhält eine Elektrolyttränke bei gleichbleibendem Nährstoffangebot und allenfalls Schwarztee, um den Flüssigkeitsverlust möglichst schnell wettzumachen», so Bolt. Klingen die Symptome nach 48 Stunden nicht ab oder sind mehrere Kälber betroffen, ist die Ursache vermutlich infektiöser Natur. Daher gilt es, den Erreger ausfindig zu machen. Dazu eignen sich im Handel erhältliche Schnelltests, die eine Kotprobe auf bestimmte Keime hin überprüfen.

Je nach Alter unterschiedliche Ursachen

Durchfallerkrankungen haben verschiedene Gesichter, je nachdem treten sie mit oder ohne Blutungen und Fieber in Erscheinung. Je nach Alter des Tieres treten bestimmte Keime mit grös­serer Wahrscheinlichkeit auf. Ein Durchfall in den ersten Lebenstagen ist häufig dem Fäkalbakterium Escherichia coli zuzuschreiben. «Dies zeigt uns, dass die Hygiene in der Abkalbebox nicht stimmt», sagte Bolt. Häufige Durchfallerreger in den ersten drei Lebenswochen sind das Rotavirus und das Coronavirus. Diese kommen im Stall so oder so vor. Um das Kalb davor zu schützen, ist die Versorgung mit Kolostrum ganz besonders wichtig. In den ersten drei, vier Wochen sind auch Kryptosporidien häufige Verursacher von Durchfall. Der Befall mit diesen einzelligen Parasiten schädigt die Darmzellen, wodurch das Tier die Nährstoffe nicht mehr gut aufnehmen kann. «Was beim Kalb, das ohnehin keine Reserve hat, problematisch ist», so Bolt. Eine solche Infektion macht sich häufig durch Blutungen bemerkbar (wie auch bei E. coli). Ab der vierten Lebenswoche muss ausserdem mit Eimerien (Kokzidiosen) gerechnet werden. Die Infektion mit diesen Einzellern sorgt ebenfalls für einen blutigen Durchfall. Auch Salmonellen müssen jederzeit in Betracht gezogen werden. Bei einer Infektion mit diesen Bakterien besteht zudem eine Meldepflicht.

Möglichst früh eingreifen

Um das Risiko für Durchfall zu reduzieren, empfiehlt Roger Bolt eine konsequente Hygiene. «Besonders wichtig ist es, die Abkalbebox regelmässig heiss auszuwaschen und zu desinfizieren.» Ein steriler Stall sei jedoch nicht das Ziel, mahnte er. Damit würden auch positive Erreger eliminiert werden, zudem müsse sich das Immunsystem der Tiere mit verschiedenen Keimen auseinandersetzen können. «Daher geht es darum, eine Balance zu finden», so Bolt. Zudem sei es wichtig, bereits einzugreifen, wenn sich erste Durchfallsymptome zeigen. Er nannte verschiedene Arzneimittelanwendungen zur Vorbeugung und Behandlung von Durchfall bei Kälbern:

  • Gerbstoffe: Diese lassen die Darmschleimhaut zusammenziehen, was es Erregern erschwert, sich auszubreiten. Beispiele für gerbstoffhaltige Pflanzen sind Eiche, Walnuss, Blutwurz, Tee (Schwarztee).
  • Galakturonsäure: Werden Rüebli lange gekocht, wandelt sich der Zucker in Galakturonsäure um. Diese kann – ähnlich wie Antibiotika – Erreger binden. Als ­Anwendung eignet sich beispielsweise die altbekannte Morosche Rüeblisuppe.
  • Zeolith: Das Gesteinsmehl Zeolith bindet ebenfalls Giftstoffe. Es kann zusätzlich beigemischt zur Anwendung kommen. Kohle dagegen eignet sich zur Regulierung des Wasserhaushalts, bindet jedoch nur teilweise Giftstoffe.
  • Homöopathische Nosoden: Erregerstämme aus der Stallumgebung lassen sich zu Nosoden ­verarbeiten (spezialisierte Tierärzte, Apotheken).
  • Ei/Kolostrum: Eier sowie Ko­lostrum enthalten Antikörper ­gegen verschiedenste Erreger. Beides kann z. B. der Suppe beigemischt werden und ist auch in Form von Pulver erhältlich. Wichtig: Das Kolostrumpulver muss aus der Schweiz stammen.
  • Wühlerde: Auch Ferkelerde wirkt unterstützend gegen Durchfall. Sie kann z. B. mit Thymian, Walnussblättern und Salz angereichert werden.

Morosche Rüeblisuppe 
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Zutaten
- 500 g frische Rüebli
- 1 gestr. TL Salz (ca. 3 g)
- 1 l Wasser

Zubereitung
Die Rüebli waschen und evtl. schälen, klein schneiden, mit dem Wasser aufkochen und mindestens 90 Minuten köcheln lassen. Anschliessend durch ein Sieb drücken oder fein pürieren. Mit abgekochtem Wasser wieder auf einen Liter auffüllen. Das Salz zugeben und umrühren.

Verwendung
Ca. 1 dl, 3- bis 6-mal täglich. Eine Besserung sollte bereits nach 1 bis 2 Tagen eintreten.

Wichtig

- Kochzeit: Die lange Kochzeit muss eingehalten werden, damit aus dem Rübenzucker Oligogalakturonsäure entsteht. Zudem nur frische Rüebli verwenden.

- Kein Milchersatz: Die Suppe ist kein Nahrungsersatz, die Kälber sind weiterhin mit Milch zu füttern.

- Mischen: Sie kann der Milch beigemischt werden. Sehr fein püriert kann sie auch via Automat verfüttert werden. Dazu ist ein Flüssigdosierer notwendig.