«Ich merkte einfach, dass ich mit Antibiotika nicht mehr weiterkomme», meint Milchbauer Max Hauri aus dem aargauischen Staffelbach in einem Gespräch mit der BauernZeitung. Wie auch Landwirt Hans Schüttel aus Hirschthal im Kanton Aargau produzierte Hauri seit dem Jahr 2015 sogenannte NOP-Milch (National Organic Program). Diese wird hauptsächlich zur Herstellung von Schweizer Bio-Milchschokolade zum Export in die USA verwendet. Dabei darf weder die Milchviehherde noch deren Aufzucht antibiotisch behandelt werden.

Seit April 2022 produzieren nun beide Betriebe für das neu gegründete Aldi-Label «Retour aux sources». Neben dem Verzicht auf Antibiotika setzt das Label ausserdem auf eine Rindviehfütterung ohne jegliche Kraftfuttergaben.

Aufbau einer Robustheit gegen den Erreger

Abo Die Rinder von Thomas Michel dürfen neu kein Antibiotika mehr bekommen. Das hat Aldi ohne Vorlaufzeit bestimmt. Nur noch antibiotikafrei «Man entscheidet über unsere Köpfe hinweg» Monday, 27. November 2023 Ausschlaggebend für den Entscheid einer antibiotikafreien Milchviehhaltung war für Landwirt Max Hauri die Beobachtung, dass die Behandlungen mit Antibiotika zwar schnell anschlugen, die Tiere jedoch meist nach ein paar Monaten erneut erkrankten. So suchte der Landwirt nach Alternativen und entschied sich, auf eine antibiotikafreie Milchviehhaltung umzusteigen.

Nach der Umstellung sei es keinesfalls so gewesen, dass keine Kuh im Stall mehr an einer Euterentzündung litt. Doch mithilfe von Ausmelken und Homöopathie verlief der Heilungsprozess zwar langsamer, aber wesentlich effektiver, sodass die Tiere nicht einige Monate später erneut erkrankten. «Es scheint mir, als würden die Tiere eine Robustheit gegenüber dem Erreger aufbauen», meint Hauri.

Züchtung von Problemen

Auch Hans Schüttel berichtet davon, trotz der Umstellung teilweise Tiere mit hoher Zellzahl oder einem Gustviertel zu haben. Doch auch bei ihm scheinen sich diese ohne Antibiotika gut behandeln zu lassen. «Bei einer Kuh mit immer wiederkehrenden Problemen muss man sich jedoch auch überlegen, ob es nicht besser wäre, diese aus dem Bestand zu nehmen, denn manchmal züchtet man sich die Probleme auch an», ist Schüttel überzeugt. Lässt Schüttel eine Kuh mit wiederkehrenden Problemen dennoch in der Herde, ist für ihn klar, dass er diese nur noch mit einer Mastrasse besamt. Ein Kuhkalb einer solchen Kuh möchte er in seiner Aufzucht vermeiden.

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Maximale Tierdichte sei zu hoch

Die Umstellung erfordere auf jeden Fall auch Mut, ist sich Max Hauri sicher. «Auch ich hatte zu Beginn Angst», sagt er. Wichtig sei es, eine Krankheit frühzeitig zu erkennen und vorbeugend zu behandeln. Als wichtigen Faktor bei der Vorbeugung sieht Hauri die Tierdichte, im Speziellen bei den Kälbern. Die gemäss Tierschutzgesetz maximale Tierdichte findet er immer noch zu hoch. «Ich habe es selbst gemerkt: Sobald ich mehr Kälber im Stall hatte, häuften sich die Probleme», meint er überzeugt.

Grösste Errungenschaft der Menschheit

Auf keinen Fall möchte Max Hauri jedoch den Einsatz von Antibiotika verteufeln. «Antibiotika sind für mich eine der grössten Errungenschaften der Menschheit, doch sie sollen nur dort eingesetzt werden, wo es auch wirklich nötig ist. In der Tierhaltung wurden sie meiner Meinung nach teilweise zu viel verwendet», meint der Aargauer. Beide Landwirte sind sich einig, dass sich in manchen Fällen eine Behandlung mit Antibiotika nicht vermeiden lässt. «Vor ungefähr zehn Jahren hatten wir auch einmal eine Kuh mit Kaiserschnitt, hier kamen wir um eine Antibiotikagabe einfach nicht herum», erinnert sich Hans Schüttel. An erster Stelle steht für beide Landwirte immer noch das Wohl der Tiere.

Regelmässige Tierarztbesuche

Während der Tierarzt auf dem Betrieb von Hans Schüttel ein selten gesehener Gast ist, arbeitet Betriebsleiter Max Hauri eng mit seinem Tierarzt zusammen. Alle zwei Wochen kommt dieser auf den Hof für das Fruchtbarkeitsprogramm. Gleichzeitig werden während den Besuchen alle anstehenden Kastrationen und Enthornungen zusammen durchgeführt. «Finanziell bin ich für die Tierärzte sicherlich weniger interessant, doch ich denke, auch sie lernen dazu, wenn sie plötzlich nach alternativen Behandlungsmöglichkeiten ohne Antibiotika suchen müssen», vermutet Hauri.

Keine finanzielle Veränderung

Neben der antibiotikafreien Milchviehhaltung wird in den Richtlinien von Aldi auch der Verzicht von Kraftfutter vorausgesetzt. Dadurch sank die durchschnittliche Milchleistung auf dem Betrieb von Hans Schüttel von rund 7100 kg auf 5900 kg Milch. Beachtet werden müsse dabei aber auch, dass die Kraftfutterkosten entfallen, bemerkt Schüttel. Ziel des Betriebsleiters ist es jedoch, die Milchleistung der Herde wieder zu steigern, dies bedinge jedoch auch eine gute Grundfutterqualität. «Bei einem Grossteil unserer Futterflächen, ungefähr 30 Hektaren, handelt es sich um Naturwiesen.

Durch das Einsäen von Klee und vor allem 330er-Mischungen versuchen wir nun, das Qualitätslevel der Wiesen zu erhöhen», berichtet Schüttel. Ziel des Betriebs sei es, die jährliche Milchmenge pro Tier um rund 500 kg zu steigern. Ob dies gelingt, werde sich noch zeigen. Finanziell stehe es um den Betrieb momentan jedoch gleich wie vor der Umstellung. Zur Bioprämie erhalten die «Retour aux sources»-Milchproduzenten eine zusätzliche Aldi-Prämie von 10 Rappen.

Leicht mehr Besamungen

Bei der Umstellung hatte Max Hauri am meisten Bedenken, dass sich aufgrund der fehlenden Kraftfuttergaben die Fruchtbarkeit der Herde verschlechtern könnte. Bis jetzt konnte der Bauer aber noch keine Veränderungen feststellen. Vollkommen verschreien möchte der Landwirt dies jedoch noch nicht, denn die Umstellung liege ja erst 1,5 Jahre zurück.

Auch Landwirt Hans Schüttel ist zurückhaltend mit einer Aussage über die Fruchtbarkeit. Zwar habe der Betrieb heuer leicht mehr Besamungen aufgewiesen als im letzten Jahr, doch diese könnten auch in Zusammenhang mit der diesjährigen Hitze stehen.

Auf Zweinutzungsrassen setzen

Eine erfolgreiche Umstellung erfordert laut den Landwirten neben einem tiefen Krankheitsdruck der Herde auch die richtige Kuh. Durch den Verzicht auf Kraftfutter setze man hier statt auf eine Hochleistungskuh mit einer Milchleistung von 10 000 kg oder mehr lieber auf eine Zweinutzungsrasse mit moderater Milchleistung.

Während die Herde von Hans Schüttel aus Schweizer-Fleckvieh-Kühen besteht, setzt Max Hauri vermehrt auf die Rasse Montbéliard. Die Tiere sind robust, eher klein und weisen eine gute Fleischigkeit auf. «Mit dieser Rasse habe ich einfach am wenigsten Sorgen», meint Hauri.

Milchleistung einer kranken Kuh sinkt spürbar

Durch den Verzicht auf Antibiotika muss man sich laut Hauri zudem bewusst sein, dass die Milchleistung einer kranken Kuh spürbar sinkt und somit während der Krankheit nur wenig Geld mit der Kuh verdient wird. «In dieser Zeit muss man Geduld haben und der Kuh die Zeit geben, die sie benötigt», sagt Hauri. Finde sich eine kranke Kuh im Bestand, so sei das Thermometer der beste Freund des Landwirts. Die Kuh müsse engmaschig überwacht werden, um bei kleinster Veränderung des Zustands sofort reagieren zu können.