«Sind Nutztiere in der Schweiz noch nötig?» Während sich Akademiker an der Nutztiertagung am vergangenen Dienstag mit solchen Fragen herumschlugen, schreitet die Praxis in grösseren Schritten voran und passt sich dem ständig steigenden Leistungsdruck an. Eine von vielen Folgen dieses Druckes ist die deutliche Entwicklung hin zu Hochleistungskühen, die seit vielen Jahren zu beobachten ist.
Diese Verschiebung zu leistungsstarken Tieren, die in anderen Zuchtmerkmalen wie Fitness oder Klauengesundheit teilweise weniger gut abschneiden, lässt sich auch auf die Sömmerungsgebiete übertragen, denn was sich im Tal verändert, verändert sich schliesslich auch auf dem Berg. Dass ebendiese Tiere aufgrund ihrer hohen Milchleistung weniger gesömmert würden, sei nicht der Fall, wie Lucas Casanova, Direktor von Braunvieh Schweiz klarstellt. Im Rahmen der Milchleistungsprüfung wird erhoben, ob eine Kuh gealpt wird oder nicht. Diese Erhebung zeigt, dass der Anteil der gealpten Kühe seit vielen Jahren konstant ist.
«Rückzug auf bessere Standorte ist feststellbar»
Beim Braunvieh werden seit Jahrzehnten rund ein Viertel der Kühe gealpt, wie Lucas Casanova weiss: «Braunvieh zeigt nach wie vor eine relativ starke Saisonalität bei den Abkalbungen. Die meisten Kühe werden während der zweiten Laktationshälfte gesömmert und häufig auf den Alpen trockengestellt. Dadurch können Unterversorgungs-Probleme während der Startphase vermieden werden», so Casanova. Es komme jedoch vor, dass Kuhalpen mit schlechten Weideverhältnissen hin und wieder aufgegeben würden und ein Rückzug auf die besseren Standorte feststellbar sei, so der Direktor von Braunvieh Schweiz.
Wie gut können sich Hochleistungskühe an die teils stark veränderte Fütterung auf der Alp anpassen? Auf welchem Niveau können sie ihre Milchleistung halten? Wie verändert sich ihr Body Score Index während der Sömmerung? Diese Fragen lassen sich nur sehr schwer wissenschaftlich klären, wie Alex Barenco von Swissherdbook betont, denn die klimatischen, topografischen und haltungsbedingten Unterschiede in den Alpgebieten sind äusserst divers und können sogar innerhalb eines Alpgebietes stark differieren. Zudem müsste man zuerst definieren, ab welchem Produktionsniveau eine Kuh als Hochleistungskuh gilt.
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«Eine Erhöhung der Leistung heisst mehr kg Milch pro Lebenstag»
«Klar ist, dass durch den Zuchtfortschritt und die Managementverbesserungen der Trend in der Milchproduktion positiv ist und die Tiere generell produktiver werden», wie Alex Barenco betont. Dies gelte auch für Kühe, die auf die Alpen gebracht werden, auch wenn ihre Produktion aufgrund der weniger intensiven Fütterung geringer sei als die der nicht gealpten Kühe, so Alex Barenco. Dies bestätigt auch Michel Geinoz, Direktor von Holstein Switzerland: «Wir sind der Meinung, dass diese Effizienzsteigerung sehr positiv ist, da sich diese auf das innere Leistungspotential stützt und weil sie dazu führt, dass die Nahrungsmittelversorgung mit weniger Emissionen gesichert wird. Eine Erhöhung der Leistung heisst bei Milchkühen eine Erhöhung des Verhältnisses kg Milch pro Lebenstag. So wird die «Auswirkung» der unproduktiven Zeit reduziert, was ja zu begrüssen ist», wie Michel Geinoz auf Anfrage sagt.
«Wenn wir die Verteilung der Rassen über die Landkarte analysieren, finden wir in den Berggebieten (wo wir davon ausgehen können, dass es anspruchsvollere Alpen gibt) eine Prävalenz von Swiss Fleckvieh und Simmentaler Tieren, wobei sich vor allem die Simmentalerkuh perfekt an die Sömmerungsbedingungen anpassen kann», wie Alex Barenco von Swissherdbook abschliessend sagt.
Der Schweizerische Alpwirtschaftliche Verband (SAV) findet klarere Worte: «Extreme» Hochleistungskühe sind für die Alpwirtschaft nicht geeignet. Die Futtergrundlage auf den Alpen entspricht nicht deren Bedürfnis, das Zufüttern von Kraftfutter wird durch die Sömmerungsbeitragsverordnung eingeschränkt (100kg/NST à ungefähr 1kg/Tier und Tag)», so Selina Droz, Geschäftsführerin des Verbandes. Zudem seien grossrahmige Hochleistungskühe wegen dem oft steilen und schwierigen Gelände aufgrund der eingeschränkten Trittsicherheit und den Geländeschäden nicht geeignet.
«Ich würde behaupten, dass sehr wenige Hochleistungskühe gealpt werden»
Aber auch der SAV hat zu der Anzahl Hochleistungskühen, die gesömmert werden, keine Zahlen. «Ich würde behaupten, dass immer noch sehr wenige Hochleistungskühe gealpt werden», wie Droz sagt. Genaue Zahlen, die dies beweisen, gäbe es jedoch nicht. Das Zuchtziel der gealpten Tiere wäre gemäss Droz demnach nach wie vor: robuste, eher leichte Tiere mit guter Persistenz, die mit Schwankungen der Futterqualität gut zurechtkommen.
«Was nicht die angepasste Fütterung – oder die Fütterung, die nicht dem Leistungsniveau des Tiers entspricht – angeht, da sind die Expertenmeinungen ziemlich unterschiedlich, so die SAV-Geschäftsführerin. «Die meisten Praktiker sind da eher skeptisch und gehen von gesundheitlichen negativen Folgen für das Tier aus. Forschungsresultate zu diesem Thema wären durchaus willkommen», so Droz abschliessend.
Klar ist also, dass aufgrund der andauernden Entwicklung zu mehr Leistung pro Tier vermehrt Hochleistungskühe auf den kräuterreichen Alpweiden anzutreffen sein werden. Wie sie mit den dortigen Bedingungen zurechtkommen, davon existieren noch keine konkreten Daten.
