Der Nebel hängt an diesem Samstagmorgen noch tief und die Sonne hat noch Mühe, die Oberhand auf der Alp Egg zu gewinnen. Wie überall hat auch hier hoch über dem Kiental im Berner Oberland der Alpsommer verregnet begonnen. «Wir dürfen uns nicht beklagen, Futter hat es im Überfluss und Unwetter hatten wir auch noch keines», sagen Heidi und Fritz Zurbrügg dankbar.

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Ihre Mutschli sind beliebt

Die Kühe grasen an diesem Morgen zufrieden auf der Weide, während das Älplerpaar in der Alphütte mit Käsen beschäftigt ist. «Heute machen wir Mutschli», sagt Heidi Zurbrügg, während sie im Käsekessi rührt. Geredet wird kaum bei der Arbeit. Beide kennen sich so gut, dass es kaum Worte braucht. «Meine Frau ist die geborene Käserin», sagt Fritz Zurbrügg anerkennend. Ihre Mutschli sind gefragt, verkaufen sich entsprechend gut, ja sogar sehr gut.

Gegen 2000 Stück der kleinen schmackhaften Käsli stellen Zurbrüggs jeden Alpsommer her, dazu kommen noch einige Kilo Alpkäse, die sie in ihrer kleinen Alpkäserei herstellen. «Wir brauchten einige Zeit, bis die Mutschli so waren, wie wir sie wollten», so die Älplerin. Es sei zwar kein Geheimrezept, doch Heidi Zurbrügg weiss genau, welche Zutaten es in welchem Verhältnis braucht und wie sie hantieren muss, damit die Leute ihren Käse zu schätzen wissen.

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Kann man nicht beschreiben

Am 11. Mai zügelten Zurbrüggs diesen Frühling von ihrem Heimbetrieb in Scharnachtal auf die Alp Egg auf 1260 m ü. M. hinauf. Mit dabei ihre 18 Swiss-Fleckvieh-Kühe, ein paar Kälber und ein paar Rinder. Seit 1970 bewirtschaftet die Familie Zurbrügg diese gepachtete Alp; seit 1990 sind es Fritz und Heidi, die z Bärg gehen.

«Ein Virus ist es, das Älplerdasein, und dieses kann man nicht beschreiben», sagt Fritz Zurbrügg während des Morgenessens. Dann schweigt er wieder und trinkt ruhig seinen Kaffee. Er ist immer dort, wo seine Kühe sind, und kann es jeweils kaum erwarten, bis es wieder z Bärg geht. «Da bin ich etwas anderes», lacht seine Frau. «Einen Virus spüre ich im Frühling nicht, höchstens spüre ich, so, es ist wieder so weit, es geht z Alp», sagt sie. «Obwohl es zum Heimbetrieb nicht mehr als zehn Kilometer sind, übernachten wir während der Alpzeit immer hier oben auf der Alp. Bei meinen Kühen ist es mir am wohlsten», sagt Fritz Zurbrügg bestimmt.

Die Alp Egg ist einfach, aber gut eingerichtet. Mittlerweile gibt es hier oben Dusche und Waschmaschine sowie eine Geschirrspülmaschine. Mitten in der Hütte ist die Küche mit dem Käsekessi. Fernseher oder andere Geräte sucht man vergebens.

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Es wird nie langweilig

Die Alpweiden sind in hervorragendem Zustand. «Die Unkrautbekämpfung beansprucht viel Zeit. Jeden Sommer sind wir damit beschäftigt», sagt das Hirtenpaar. Jakobskreuzkraut, Disteln, Dornen und Sträucher müssen sie regelmässig ausreissen und wegschneiden, damit sie nicht überhandnehmen. «Uns wird es hier oben nie langweilig», sagt Fritz Zurbrügg lachend. Und die Heuernte im Tal muss auch noch erledigt werden. «Unser Sohn Martin, der Teilzeit bei uns angestellt ist, und auch die anderen Kinder, Bruno, Andrea und Thomas, helfen in Spitzenzeiten in ihrer Freizeit mit», hält er fest.

«Wir sind alle aufeinander angewiesen», sagt der Junior-Chef bestimmt, «erst recht da ich noch zu 80 % als Zimmermann auswärts arbeite», so Martin Zurbrügg. So pendeln die Familienmitglieder in Spitzenzeiten vom Berg wieder ins Tal und umgekehrt. Da die Alp noch eine Vorweide besitzt, habe man keine andere Wahl, als hin- und herzuziehen. «Von Frühling bis Herbst zügeln wir sechsmal, bis wir wieder zu Hause in Scharnachtal sind», rechnet Fritz Zurbrügg vor. Das sei halt so und man kenne nichts anderes. Zudem ist das Jungvieh über den Sommer in diversen Vorweiden verteilt. Es kommt vor, dass an fünf Standorten Vieh ist.

Wer Fritz und Sohn Martin Zurbrügg kennt, der weiss, dass ihr Herz für die reine Swiss-Fleckvieh-Kuh schlägt. Viele Titel konnte die Züchterfamilie mit ihren Tieren schon einfahren. Doch wer meint, die Ausstellungs-Diven bleiben im Sommer zu Hause im Tal, der hat sich getäuscht. «Jede Kuh, und sei sie noch so schön, kommt z Alp», hält Martin Zurbrügg fest.

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Es tut den Tieren gut

Beim Rundgang wird deutlich, dass die Alpzeit den Kühen guttut. «Sie werden dadurch robuster und widerstandsfähiger», so der Senior-Chef. Das beste Beispiel dafür ist ihre 10-jährige Zurbrügg’s Odyssey Havanna (55 55 98/EX-95). Trotz ihres Alters steht diese Traumkuh immer noch tadellos da, mit eindrücklichen Typ- und Eutereigenschaften. «Sie ist schon was Besonderes für uns», sind sich Vater und Sohn Zurbrügg einig.

Ohnehin hat der Stier Odyssey bei ihnen eingeschlagen wie eine Bombe. «Er hat auf unsere Kühe sehr gut gepasst», weiss Fritz Zurbrügg. «Wir erfreuen uns an schönen Kühen», sagt Fritz Zurbrügg. «Insbesondere, wenn dazu noch die Milchleistung und die Zellzahlen stimmen, haben wir auch nichts dagegen», ergänzt Sohn Martin. Freuen tut man sich auch auf den Alpabzug. «So um den 20. September ist es so weit und dann geht es mit Treichel- und Glockengeläut und Blumenschmuck wieder zurück ins Tal; das zelebrieren wir wie eh und je.»