Genetisch hornlose Schweizer Simmentalerkühe mit Code 60 für die Milchviehzucht – dafür braucht es Simmentalerstiere, die dieses hornlose Gen auch vererben. In der Schweiz gibt es solche Stiere nicht, noch nicht. Jetzt ist man einen Schritt weiter: Die ersten Schweizer hornlosen Simmentalerstiere, oder besser gesagt Kälber, sind für die Aufzucht bei Swissgenetics eingetroffen. Allerdings noch nicht mit Code 60, sondern erst mit Code 70. Der Grund: Die Väter dieser Kälber sind nicht reine Schweizer Simmentalerstiere, sondern sie sind genetisch hornlose Fleckviehstiere aus Deutschland und Österreich.
Passt nicht allen
Dass dies nicht allen Reinzüchtern passt, ist verständlich. Vor allem aus dem Frutig- und Saanenland sträubt man sich bezüglich hornloser Genetik aus dem Ausland in ihrer angestammten Reinzucht. Aber es gibt auch Betriebe, welche der Simmentalerrasse treu bleiben möchten, aber nur, wenn bald genetisch hornlose Stiere zur Verfügung stehen würden. Letzten November trafen sich nun beide Lager, die Befürworter und die Gegner, zu einem Informationsaustausch in Aeschi BE.
Die BauernZeitung hat mit vielen Züchtern gesprochen, keiner möchte aber seinen Namen in der Zeitung lesen. «Es ist ein Skandal, dass man die Reinzucht mit deutschem Fleckvieh beschmutzen will», hält ein Gegner fest. Obwohl diese Stiere sicher viel Milch vererben, bleibe doch das Exterieur und die Langlebigkeit auf der Strecke, ist er überzeugt. Das Lager der Gegner fordert auch, dass es zehn Generationen dauern müsse, bis ein solches Tier wieder den Code 60 in seinem Abstammungsausweis tragen dürfe.
Auf der Abstammung
Von dieser Forderung hält das Pro-Lager wenig: Drei Generationen seien genug und ab der 4. Generation müsse das Tier wieder den Code 60 tragen dürfen, sagen sie. Immerhin hat es das Contra-Lager aber fertiggebracht, dass, wenn ein Tier hornlos ist, dies auf dem Abtammungsausweis gekennzeichnet werden muss. PP bedeutet reinerbig, Pp ist mischerbig hornlos. Dennoch: Die Gegner befürchten, dass es mit der Zeit nur noch genetisch hornlose Simmentalerstiere geben könnte und es in 50 Jahren keine Kühe mehr mit Hörnern geben würde.
Lieber SF-Stiere
Und noch etwas anderes weckt Befürchtungen: Durch das Einkreuzen mit ausländischem Fleckvieh werde der Stock von wirklich reinen Simmentalerkühen weiter zurückgehen: Sogar der vieleingesetzte Simmentalerstier Brisago führe weit hinten in der Abstammung noch RH-Blut in seinen Adern. «Warum ausgerechnet deutsches und österreichisches Fleckvieh für dieses Experiment?», fragte sich ein Gegner. Als Alternative hätte er lieber genetisch hornlose Swiss- Fleckvieh-Stiere dafür gesehen. Für viele Reinzüchter sei die SF-Rasse das Pendant zur Simmentalerkuh, nicht nur exterieurmässig, sondern auch punkto Milchleistung, Langlebigkeit und Charakter.
Nichts wissen davon
Von diesem Vorschlag wollte die Gegenpartei aber nichts wissen: Das Swiss Fleckvieh führe zu viel RH-Blut. Und: «Mit der Einkreuzung von deutschem oder österreichischem Fleckvieh garantieren wir nicht nur eine gute Milchleistung, sondern erhalten dabei auch noch eine gute Fleischleistung», ist das Pro-Lager überzeugt. Hingegen stehen sie dazu, dass man beim Exterieur sicher einen Rückschritt von 10 bis 20 Jahren mache.
Und dennoch: Deutsches und österreichisches Fleckvieh haben den Ursprung in der Schweiz, somit gehören die Nachkommen auch der Simmentalerrasse an und werden vom Bund mit dem vollen Herdebuchbeitrag unterstützt. Auf Anfrage sagt der Bund dazu: «Laut Swissherdbook ist die Rasse Simmental die gleiche Rasse wie Fleckvieh aus Deutschland oder Österreich. Somit sind die Nachkommen reinrassige Simmentaler.» Da ist man beim Gegenlager aber noch nicht sicher: Mittels Blutproben wollen sie beweisen, dass diese genetisch hornlosen Fleckviehstiere ihren Ursprung nicht in der Schweiz haben.
Dauert Jahre
Obwohl es mindestens zehn Jahre dauert, bis der erste genetisch hornlose Schweizer Simmentaler-Milchviehstier mit Code 60 zur Verfügung steht, bleiben solche Stiere eine Nische in der Reinzucht, ist das Pro-Lager überzeugt. Denn für sie ist klar, dass es in Zukunft behornte und nichtbehornte Simmentalerstiere geben muss. Der Druck auf das Enthornen nehme zu, nicht nur auf der Konsumentenseite, sondern auch betreffend den Bio-Richtlinein. Und hier möchte man mit genetisch hornlosen Simmentalerstieren eine Alternative schaffen, sonst werde die Reinzucht noch mehr Mitglieder und noch mehr reine Kühe verlieren.
