Stier Ignaz gibt sich genüsslich der elektrischen Kuhbürste hin. «Sein Lieblingsspielzeug», bemerkt Andreas Wälli. Der Landwirt steht im Laufhof, um ihn herum verweilen sich etwa 14 Grauviehkühe. Sie geniessen die Sonne. Auf die Weide können sie noch nicht, denn dort liegt noch der Schnee von Anfang April. «Grauvieh ist genügsam, hat einen guten Futterinstinkt und eine gute Futterverwertung», fährt Wälli fort, während er eine Kuh am Kopf krault. «Es ist die perfekte Rasse für unseren Betrieb.»
An der Tier & Technik kennengerlernt
Andreas Wälli hat 2011 die ersten Grauviehkühe eingestallt. «Ich bin mit den Braunen nicht mehr zurecht gekommen», erzählt er. Er sah mit den Brown-Swiss-Kühen kein Ziel mehr für seinen Betrieb. Hohe Tierarztrechnungen und neue Tierschutzvorschriften, die einen Stallumbau erfordert hätten, führten zu einer Neuorientierung. An der Tier & Technik 2009 habe er am Stand des Tiroler Grauviehzuchtverbands erstmals von dieser Rasse gehört. «Für mich war sofort klar: Das ist die Kuh für mich und meinen Betrieb», hält er fest.
Zwischen 2011 und 2014 wurde der Braunviehbestand laufend durch Grauvieh ersetzt. Heute sind es 38 Tiere. «Wir haben bald mehr Grauvieh als früher Brown Swiss», sagt seine Frau Sibylle Stadelmann lachend. Nebst den 16 Milchkühen und dem Stier stehen derzeit drei Rinder, fünf Jährlinge und elf Kuhkälber im Stall. Weil die Kühe mit einer Widerristhöhe von 129 bis 139 cm deutlich kleiner sind als Braunvieh, musste der Anbindestall nicht umbaut werden. Hörner hatten schon die Brown-Swiss-Kühe. «Eine Kuh muss einfach Hörner haben», findet Wälli.
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Betriebsspiegel
Name: Andreas Wälli und Sibylle Stadelmann
Ort: Nesslau SG
Fläche: 18 ha Grünland
Viehbestand: 1 Stier, 16 Milchkühe, Rinder, Aufzucht;Kleinvieh (Hühner und Ziegen)
Milchwirtschaft: Käsereimilch, 50 000 kg/Jahr
Alpung: 110 Tage mit dem gesamten Rindviehbestand
Genügsame Zweinutzungsrasse
Grauvieh ist eine Zweinutzungsrasse. Etwa die Hälfte der Betriebe in der Schweiz, die Grauvieh halten, sind Mutterkuhbetriebe, schätzt Andreas Wälli. Die andere Hälfte, zu welcher der Nesslauer gehört, betreibt Milchwirtschaft.
«Solange wir im Dorf eine Käserei haben, melke ich.»
Andreas Wälli, Grauviehzüchter
Die Milch, etwa 50 000 Kilogramm pro Jahr, wird zu Appenzeller Käse verkäst.
Es würde auch ohne Kraftfutter gehen
Als silofreier Betrieb füttert er ausschliesslich Heu und Emd und zusätzlich etwas Kraftfutter. Würde er nicht Käsereimilch produzieren und könnte Silage verfüttern, käme er ohne Kraftfutter aus, ist er überzeugt. Auch in Sachen Fütterung hebt er die Vorzüge von Grauvieh für seinen Betrieb hervor.
«Vorher war ich immer etwas knapp dran, jetzt reicht das Grundfutter – und dies notabene bei einer höheren Tierzahl.»
Andreas Wälli zu den Vorzügen von Grauvieh.
Das liegt laut Wälli daran, dass die Grauviehkuh zuerst ihren Erhaltungsbedarf deckt und erst mit der überschüssigen Energie den Produktionsbedarf. Bei den meisten Milchviehrassen sei das umgekehrt.
Im Sommer auf der Alp
Den Sommer verbringt die Herde auf der Alp. Eine Stunde dauert der Fussmarsch auf die Voralp Perfieren, die 1300 m ü. M. liegt. Dort sind die Kühe während vier Wochen. Danach geht es für acht Wochen auf die Hochalp Breitenalp auf 1700 m ü. M. Auf diese Alp beträgt der Fussmarsch sechs Stunden. Schliesslich geht es wieder auf die Voralp, wo die Hälfte der Herde abkalbt. Mitte September, um den Bettag herum, kehrt Andreas Wälli mit der Herde auf den Heimbetrieb im st.gallischen Nesslau zurück.
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Früher liess Wälli die Kühe bedenkenlos auf der Weide abkalben, heute kann oder will er dies nicht mehr verantworten. Denn auch im Toggenburg treiben sich seit letztem Sommer Wölfe herum. «Wenn ich sehe, dass eine Kuh vor dem Abkalben ist, nehme ich sie in der Nacht in den Stall.» Angst um seine Kühe hat er jedoch nicht. «Die wüssten sich schon zu wehren gegen einen Einzelwolf.»
Passionierter Grauvieh-Züchter
Die Zucht ist nebst der Milchwirtschaft ein weiterer Betriebszweig.
«Mein Zuchtziel ist eine gesunde, langlebige Kuh, die gesunde Klauen hat und fruchtbar ist.»
Andreas Wälli zu seinen Zuchtzielen
Pro Jahr kalben 14 bis 16 Tiere ab. Die Kuhkälber werden aufgezogen, um sie später als Zuchttiere zu verkaufen. Die Stierkälber werden als Tränker an Mastbetriebe verkauft, «ausser es sei eine seltene Blutlinie, dann wird er aufgezogen». Der Stier Ignaz ist seit acht Jahren wieder einmal so ein Exemplar. Ansonsten werden die Kühe künstlich besamt, so sei die Gefahr für Inzucht klein.
Vorfreude auf die Expo
Grauvieh hat es dem Landwirt richtig angetan. Er gehörte, wie er selber sagt, zu jenen, die beim ersten Grauvieh-Boom ums Jahr 2010 eingestiegen sind. Seit fünf Jahren ist Wälli Vorstandsmitglied von Grauvieh Schweiz und OK-Präsident für die Grauvieh-Expo, die Ende April in Zug stattfindet. Die Vorfreude darauf ist gross. Wälli wird mit sechs Tieren nach Zug reisen. Mit dabei wird auch seine erste Grauviehkuh sein, die 14-jährige Manu.
Erste Grauvieh Expo
Am 30. April findet in Zug auf dem Stierenmarktareal die erste Grauvieh-Expo statt. Es werden insgesamt 120 Mutterkühe, Milchkühe, Rinder und Stiere präsentiert. Hier geht's zum Programm.

