Zwischen hohen Tannen und «stotzigen» Hängen findet man das Wohnhaus von Familie Wyss. Würde sich der dichte Nebel nicht von einem Tal zum anderen ziehen, könnte man fast von einer romantischen Aussicht sprechen. Seit 2017 wohnt Simon Wyss mit seiner Frau Sandra und dem gemeinsamen Sohn Nick auf dem Hof im Emmental.

«Bekannte haben uns geholfen, einen Hof zu finden», erzählt Wyss. In Affoltern BE hat er mit seinem Vater und seinem Bruder angefangen, Schafe zu halten. Das Trio löste sich auf und seit 2010 hält der Berner allein eine Herde. 2017 zog Familie Wyss von Teuffenthal im Oberland ins Emmental und liess sich auf dem Hof Hackboden nieder.

Stall über der Grenze

Doch der Weg vom Schlafzimmer bis in den Stall ist nicht etwa kurz. Jeden Morgen fährt Simon Wyss ein paar Kilometer mit dem Auto zum Hof Hohstalden, über die Grenze in die Gemeinde Trub, wo er seine Schafe in einem Stall eingemietet hat. Mit zwei Hektaren Land kann er seinen Tieren Auslauf ermöglichen, wenn sie nicht auf der Alp weiden.

«Jeder von uns hat seine eigene Rasse», erzählt Wyss. «Schwarzbraune Bergschafe habe ich schon mit meinen Eltern gehalten und habe das weitergeführt. Meiner Frau haben die Suffolk-Schafe gut gefallen und meinem Sohn die Walliser Schwarznasenschafe», erzählt er und blickt in Richtung Küche zu seiner Familie. Das Kriterium für weitere Rassen im Stall war, dass es Ausstellungstiere sein mussten. Wyss war sich aber immer sicher: «Ich wollte sowieso auch etwas Neues im Stall.» Und so kam es, dass die Herde aus drei verschiedenen Rassen besteht.

Vom Züchter zum Älpler

Letztes Jahr konnte sich Familie Wyss an diversen Ausstellungen zu Siegern küren lassen. Mittlerweile ist Wyss etwas von dieser Art zu züchten abgekommen. «Mit der Zeit hast du es etwas gesehen. Wir setzen jetzt mehr darauf, dass wir die Herde aufstocken können, um die Alp zu bestossen, denn dort könnten 180 Schafe weiden.» [IMG 2]

Die bunte Schafherde verbringt nämlich nicht das ganze Jahr in den Emmentaler Hügeln. Im Sommer zügelt Familie Wyss mit ihrer Herde ins Berner Oberland auf die Alp Höuweggli bei St. Stephan, wo die Tiere zwischen 90 und 100 Tagen weiden. Da spiele das Wetter aber eine grosse Rolle. «Je nachdem wie sich der Frühling zeigt, kann man früher auf die Alp oder im Herbst länger bleiben. Aber der Schnee befiehlt», erklärt Simon Wyss klar.

Die Alphütte befindet sich auf 1800 m ü. M. und besteht aus einer kleinen Küche, einem Massenlager und einem Stallanbau, der aber nicht mehr für Tierhaltung tauglich ist. «Im Sommer ist es angenehm zum Übernachten, im Winter ist die Temperatur innerhalb der Hütte so tief wie ausserhalb», erzählen Simon und Sandra Wyss und lachen verschmitzt.

Die Mieschflue, der höchste Punkt der Alp und ein beliebter Wanderrouten-Ort, befindet sich auf gut 2100 m ü. M. und ermöglicht einen weiten Ausblick über das Berner Oberland. Über Facebook fand Simon Wyss die Ausschreibung der Genossenschaft Lenk, welche die Alp pachtet, und lobt die bisher gute Zusammenarbeit.

Er habe angefangen, sich Gedanken darüber zu machen. «Du, das wär iz öpis», habe er zu einem Arbeitskollegen beider der Wyss AG gesagt, wo er hauptberuflich arbeitet. «Der Kollege konnte über mehrere Ecken den Kontakt arrangieren und so erhielten wir die Chance, dass wir übernehmen können», erzählt der Schäfeler.

Moderhinke fordert

So konnte die Familie letztes Jahr einen ersten Alpsommer mit ihren Schafen verbringen. Auf ungefähr 100 Hektaren, wovon über die Hälfte aus Fels und Stein besteht, konnte Wyss 120 Schafe in fünf Umtriebsweiden halten. Davon waren 24 seine eigenen Tiere.

Abo Seit dem 1. Oktober werden alle Schafhaltungen in der Schweiz auf Moderhinke beprobt. Positiv getestete Betriebe werden gesperrt und müssen saniert werden.   Schafhaltung 902 Betriebe positiv auf Moderhinke getestet Saturday, 7. December 2024 «Ein ehemaliger Schulkollege aus Sumiswald sowie ein Genossenschaftskollege und mehrere Landwirte aus dem Simmental haben uns ihre Schafe mitgegeben. Wir sind gespannt, wie viele Tiere wir diesen Sommer von Aussenstehenden mitnehmen werden, aufgrund der Moderhinke-Sanierung», sagt Simon Wyss nachdenklich. Seine Tiere seien bis jetzt noch nicht positiv getestet worden.

Laut dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) sind schätzungsweise 25 bis 40 Prozent der Schweizer Schafhaltungen infiziert, doch Simon Wyss schätzt auf weit mehr. «Wir haben bereits im Oktober getestet und waren negativ», sagt Wyss froh.

Sandra Wyss, die hauptberuflich im Restaurant Gabelspitz auf dem Schallenberg in Röthenbach BE arbeitet, berichtet, dass sie ihre Schafe schon seit drei oder vier Jahren oft baden würden. Das Klauenbad ist eine Massnahme gegen die Bekämpfung der Klauenkrankheit. «Für eine Weile haben wir die Tiere fast jeden Tag durch das Bad geschickt», erzählt sie.

[IMG 3]

Jeden Abend sind die Schafe im Auslauf hinter dem Bauernhaus, damit Wyss neu einstreuen und füttern kann. Sobald die Tiere zur Fütterung wieder in den Stall kommen, müssen sie durch das Bad und sind so der Krankheit bisher entkommen. «Es hat etwas gedauert, bis wir herausgefunden haben, wie genau wir es einrichten müssen, damit es reibungslos klappt», erzählen die beiden und lachen.

Andere Probleme als der Wolf

Mit dem Wolf hat der 35-Jährige auf der Alp bisher keine Probleme gehabt. «Wir haben eher zu kämpfen mit Gänsegeier und Luchs», sagt Simon Wyss und erzählt von vier Schafen, die den Wildtieren zum Opfer fielen. Wenn man regelmässig die Schafe besuche, wisse man, wo sie sich ungefähr aufhalten würden. «Alle sieht man natürlich nicht immer, aber wenn wir am ersten Samstag des Augusts alle zusammentreiben, entwurmen und die Klauen schneiden, können wir ein erstes Fazit ziehen», klärt Wyss auf, während der Hund auf dem Knochen herumkaut, den er gerade bekommen hat. «Ja, der hilft natürlich beim Zusammentreiben», meint Wyss und schaut in Richtung des dreijährigen Hundes.

[IMG 4]

Nach der Kontrolle können die Schafe wieder in die erste Weide, in der sie im Frühling begonnen haben. «Den Wolf habe ich natürlich immer etwas im Hinterkopf, deshalb gehen wir auch regelmässig auf die Alp», sagt Wyss.

Familienzeit auf der Alp

Im Sommer fährt Sandra Wyss jeweils mittwochs ins Berner Oberland und kommt am selben Abend wieder nach Bärau. Gemeinsam mit ihren zwei Männern verbringt sie dann vom Freitagnachmittag, das ganze Wochenende auf der Höuweggli-Alp, bis dann am Sonntagnachmittag die ganze Familie wieder ins Alltagsleben hinabsteigt. [IMG 5]

«Ich habe in Lenk in einer Bar gearbeitet und mein Leben genossen», erzählt Sandra Wyss. «Und dann kam der daher», sagt sie und lacht. Seit Oktober 2013 sind die beiden ein Paar und konnten im Dezember 2014 bereits Nachwuchs erwarten.

Auch der nun zehnjährige Nick hat viel Freude an den Schafen und packt gerne mit an. «Die Wolle der Schafe haben wir jeweils direkt dem Scherer mitgegeben. Seit zwei Jahren geben wir sie nach Huttwil ins Sypcher Handwerk», erzählt Wyss. Die Schafe kann er meist lebendig zum Weiterzüchten verkaufen.