Ein Kuhkalb auf Bestellung – dank dem Einsatz von gesexten Samendosen ist das heute kein Problem mehr. Doch diese Zuchtmethode hat auch einen bitteren Nachgeschmack: Dank dem Einsatz von gesexten Samendosen werden vermehrt Kuhkälber aufgezogen. Laut Tierverkehrsdatenbank gibt es mehr Jungrinder als sonst. Nun reagiert der Markt. An den vergangenen Zuchtviehauktionen waren die Preise rückläufig, die Händler und die Käufer im Jubel, sie können aus einem grossen Angebot auswählen, dementsprechend drücken sie auf die Preise. Für «gewöhnliche» Kühe und Rinder gibt es zurzeit fast keinen Markt mehr.
Die Messerschneide beim Nutztiermarkt ist schmal
Es ist wie bei den Schweinen, die Messerschneide ist auch beim Nutzviehmarkt sehr schmal geworden. Ob zu viel oder zu wenig, hängt manchmal nur von ein paar Hundert Tieren ab. Dank dem gestiegenen Tierwohl und der Professionalität auf den Betrieben leben die Kühe länger im Stall und schliessen gerne eine Laktation mehr ab als sonst. Das heisst, es braucht weniger Kuhkälber für die Aufzucht, das heisst, es sollten mehr Besamungen mit Maststieren durchgeführt werden. Für die Züchter ist es sicher schwer, zu begreifen, dass sie einen Teil ihrer Kühe nicht mit den besten Stieren besamen sollen, im Gegenzug sind die Händler froh, sind gute, nähige Rinder für 3000 Franken zu haben. Jeder Aufzuchtbetrieb muss ehrlich sein, dass er mit einem Erlös von 3000 Franken kaum die Aufzuchtkosten decken kann. Je nach Aufzuchtbedingungen und Erstkalbealter sind diese über 3500 Franken.
Auch die Unterschiede bei den Tränkekälber-Preisen sind riesig. Liegen die Preise bei Milchrassentypen von 250 bis 350 Franken, betragen sie bei Mastrassentypen 700 bis 900 Franken. Das heisst, pro Kalb verdient man im Durchschnitt zirka 600 Franken mehr. Die Rechnung ist daher schnell gemacht: Besamt man bei einem Bestand von 50 Tieren 80 Prozent davon mit Mastrassenstieren, hat man Ende Jahr nur durch den Verkauf der Tränkekälber einen Mehrerlös von 24'000 Franken. Notabene bei gleichem Aufwand und bei gleichen Kosten. Hält man an dieser Strategie zehn Jahre fest, kommt man auf die stolze Summe von 240'000 Franken.
Gesexte Samendosen sind unverzichtbar geworden
Heute ist gesexter Samen zu einem unverzichtbaren Mittel in der Zucht geworden. Heutzutage haben viele Landwirtinnen und Landwirte eine klare Strategie, da das Angebot an Stieren, von welchen gesextes Sperma erhältlich ist, deutlich gestiegen ist. Doch an dieser Strategie haben die Stierenhalter wie die Kälbermäster keine Freude: Die besten Kühe werden mit gesextem Sperma belegt, es fehlen die Stierkälber mit Top-Abstammung. Für den Natursprung wie auch für die Stieren-Aufzuchtbetriebe ein Ärgernis: Sie finden kaum noch Stierkälber aus prominenten Stierenmüttern. Und wer will schon von einer «zweitklassigen» Kuh einen Stier in seinem Stall einsetzen?
Das Gleiche gilt für die Kälbermäster. Tränkekälber von reinen Milchviehrassenstieren sind rar, sie müssen auf Kälber von Maststieren ausweichen. Für die Mäster sind diese vielfach zu teuer, ihr Gewinn schmilzt, das Einkommen sinkt. Zudem erreichen bei der Milchmast die Kälber von Maststieren oft die geforderte Fettabdeckung nicht, bei den Milchrassen hingegen ist dies weniger der Fall.
Die Anbieter produzieren, was die Kundschaft verlangt
Der Trend, dass vermehrt gesexte Samendosen zum Einsatz kommen, geht weiter. Bei der Rasse Holstein sind es mittlerweile schon mehr als zwei Drittel der Besamungen, die mit X-Dosen durchgeführt werden. Bei den Zweinutzungsrassen ist der Anteil noch nicht so hoch. Die Genetikanbieter wissen von dem Trend und sind schon lange auf den Zug aufgesprungen. Sie produzieren nur das, was die Kundschaft auch verlangt.
Schon jahrzehntelang diskutierte man über die Möglichkeit, gesextes Sperma einzusetzen zu können, um entscheiden zu können, welches Geschlecht die Kälber haben sollen. Ein bedeutender Durchbruch gelang 1989, als ein gewisser Johnson im Rahmen eines Versuchs mit gesextem Sperma 50 Kaninchen produzierte. In der Rindviehzucht gelang dies 1997, als das erste aus gesextem Sperma resultierende Kalb geboren wurde. Heute besteht die Gefahr, dass es durch den Einsatz von X-Dosen zu viele Nutztiere auf dem Markt haben wird. Die Händler und die Abmelkbetriebe wirds freuen, für die Züchter und die Aufzuchtbetriebe ist es ein Fluch. Es empfiehlt sich, eine Balance zu finden, sonst regelt es der Markt. Wir wissen sonst, was einem blüht – der Schweinemarkt ist das beste Beispiel dafür –, das gilt es in der Rindviehhaltung zu vermeiden.
