Die graslandbasierte Milch- und Fleischproduktion (GMF) wurde mit der Agrarpolitik 2014–2017 am 1. Januar 2014 eingeführt. GMF sollte dazu beitragen, den Einsatz von Kraftfutter in der Wiederkäuerproduktion zu begrenzen, den Wettbewerbsvorteil im Bereich Raufutterveredelung langfristig zu sichern und die Qualitätsstrategie zu unterstützen. Der Maisanteil in der Futterration wurde im GMF-Programm gezielt beschränkt, da die grasbasierte Fütterung der raufutterverzehrenden Nutztiere gefördert werden sollte.
Für rote Köpfe
Der begrenzte Maisanteil bei GMF in der Futterration sorgt bisher bei vielen Bauern für rote Köpfe. Wie man munkeln hört, sollen nun diesbezüglich einige Anpassungen in der AP 22+ erfolgen. Das Bundesamt für Landwirtschaft lässt sich dabei noch nicht in die Karten schauen und sagt auf Anfrage: «Die geplanten Änderungen bei den GMF-Vorschriften sind in der Botschaft AP22+ enthalten, welche noch diesen Monat erscheint.»
Seit sechs Jahren besteht nun GMF. Die Beteiligung am Programm ist weiterhin auf einem hohen Niveau. Die durchschnittliche Beteiligung liegt bei zirka 3/4 der Grünlandfläche und bei zirka 2/3 der Betriebe. Im Vergleich zum Einführungsjahr (2014) haben sich bis heute 517 Betriebe (+1,7%) zusätzlich für GMF angemeldet. Die GMF-Beiträge belaufen sich auf zirka 110,8 Millionen Franken (+5,9% im Vergleich zu 2014). Wer also am Programm mitmacht, erhält 200 Franken pro Hektare. Von dem Beitrag profitieren Betriebe, welche den Futterbedarf vorwiegend durch Gras, Heu, Emd und Grassilage decken. Der Beitrag wird aber nur ausgerichtet, wenn die Jahresration aller auf dem Betrieb gehaltenen raufutterverzehrenden Nutztiere zu mindestens 90 Prozent aus Grundfutter besteht. Zusätzlich muss die Ration im Talgebiet zu mindestens 75 Prozent und im Berggebiet zu mindestens 85 Prozent aus Wiesen- und Weidefutter sein.
Auswirkungen auf Kraftfutter
Der hohe Prozentsatz an Grundfutter für das GMF-Programm hat automatisch auch Auswirkungen auf den Kraftfuttereinsatz. «In den letzten Jahren ging der Absatz an Milchviehfutter sicher gesamt-haft zurück», bestätigt Christian Oesch, Geschäftsführer der Vereinigung Schweizerischer Futtermittelfabrikanten (VSF). Dieser Rückgang müsse jedoch nicht unbedingt durch das GMF-Programm ausgelöst worden sein. «In der Milchproduktion hat ein grosser Strukturwandel eingesetzt. Auch Betriebe, welche die Milchproduktion zugunsten der Mutterkuhhaltung aufgegeben haben, setzen weniger Kraftfutter ein», sagt Oesch. Und noch einen Trend stellt der VSF-Geschäftsführer fest: «Ein Teil der Milchviehbetriebe intensiviert ihre Produktion und damit auch den Einsatz von Mischfutter. Der andere Teil versucht sich in «Low-Input» und reduziert demzufolge auch den Kraftfuttereinsatz», sagt Oesch. Nicht nach unten sondern sogar nach oben zeigt der Kraftfutter-Verkaufstrend bei der Kunz Kunath AG aus Burgdorf BE: «Im Vergleich zu 2014 hat sich der Verkauf von Rindviehfutter bei unserer Firma um 6% gesteigert», hält Philippe Savary, Verkaufsleiter und Bereichsleiter Rindvieh bei der Kunz Kunath AG, fest. Dies sei jedoch hauptsächlich auf die Steigerung von Marktanteilen zurückzuführen. «Bei Kunden, welche beim GMF-Programm mitmachen, stellen wir jedoch einen Rückgang der Bezüge fest. Auf Kundenniveau mussten wir eine Senkung der Futterbezüge pro Betrieb erkennen, die auch mit dem GMF-Programm zu begründen ist», sagt der Verkaufsleiter. So kaufen ihre Kunden grundsätzlich weniger Kraftfutter, um die GMF-Bedingungen erfüllen zu können.
Maisanteil ist ein Problem
Kritisch steht Philippe Savary bei GMF dem beschränkten Maisanteil, welcher in der Grundfutterration erlaubt ist, gegenüber. «Bei grasbasierten Rationen ergibt sich so für die Kühe ein Eiweissüberschuss und ein Mangel an pansenstabiler Stärke. Um dieses Defizit korrigieren zu können muss der Maisanteil im Kraftfutter erhöht werden», sagt der Berater. Dafür müsse ein hoher Anteil des eingesetzten Körnermaises importiert werden, welche die einheimische Produktion, entgegen dem Ziel des GMF-Programmes, nur schwäche. «Es wäre ernährungsphysiologisch sowie betriebsökonomisch sinnvoll, den Einsatz von einheimischer Maissilage nicht zu bestrafen», sagt Savary klar und deutlich.
Eine Veränderung beim Kraftfutter kann auch Hansueli Rüegsegger, Bereichsleiter Milchvieh bei der UFA AG, bestätigen: «Der Kraftfuttereinsatz ist vor allem bei denjenigen Betrieben im ‹mittelhohen Leistungsniveau›, das heisst zwischen 8000 und 9000 kg Milch, zurückgegangen», sagt Rüegsegger. Diese setzen, sofern sie bei GMF mitmachen, tendenziell etwas weniger Kraftfutter ein. Aber: «Nicht selten ist bei diesen Betrieben eine schlechtere Tiergesundheit feststellbar», hält der Fütterungs-spezialist fest. Dies sei sofern nachvollziehbar, weil die Genetik, zusammen mit der Fütterung, nicht mehr zum Betrieb passe. Die Kühe geben auf diesen Betrieben, mit ihrem hohen Leistungspotenzial, mehr Milch, als es die Futtergrundlage hergeben würde. Eine schlechtere Fruchtbarkeit sei unter anderem die Folge. «Diese ‹unnötigen› Fruchtbarkeitskosten ‹fressen› den GMF-Beitrag wieder weg. Dies zeigt, dass bei einer GMF-Teilnahme die Fütterungsstrategie angepasst werden muss oder auf den GMF-Beitrag besser verzichtet werden sollte», so Rüegsegger.
Schwierig zu sagen
Auf die Frage, ob seit der GMF-Einführung bei der UFA weniger Protein- oder Energieträger verkauft werden, sagt Hansueli Rüegsegger: «Das ist schwierig zu sagen, da auch andere Faktoren, wie die Grundfutterqualität oder Trockenperioden wie 2018 mitspielen. Grundsätzlich wird die Ration nach Energie und Protein, und idealerweise auch anhand der Pansenfermentation nach W-FOS (Wahre Fermentierbare Organische Substanz), ausgeglichen, was bedeutet, dass nicht unbedingt weniger Eiweissträger eingesetzt werden», sagt der Profi. Auf GMF-Betrieben, wo die Ergänzungsfütterung der limitierende Faktor sei, werde tendenziell weniger Leistungsfutter eingesetzt, dies sei jedoch nach Energie und Protein ausgeglichen.
Ein wichtiges Programm
Philippe Savary, Hansueli Rüegsegger und Christian Oesch sind der Meinung, dass GMF ein wichtiges Programm für die Landwirte sei. Das Mischfutter werde dabei optimiert und in einer bedarfsgerechten Ration bei den Wiederkäuern eingesetzt. «Gesunde und optimal gefütterte Tiere erreichen so ihr Leistungsoptimum und sind gleichzeitig langlebig – damit ist ein wesentlicher Teil der ökologischen und wirtschaftlichen Nachhaltigkeitsziele erreicht», sagt Oesch. Etwas kritischer sieht es Philipp Savary. «Unseres Erachtens gilt es bei GMF Folgendes zu beachten: Der Kraftfuttereinsatz in der Schweizer Milchproduktion gehörte bereits vor Beginn des GMF-Programms zu den tiefsten im globalen Vergleich», sagt Savary klar und deutlich. Auch zeige das Programm in zahlreichen Studien hierzulande keinen Effekt zur Förderung der futterbaulichen Standortvorteile. Ein Beweis dafür seien die jährlich zunehmenden Dürrfutter-Importe, obwohl die Rindviehpopulation sinke. Auch Hansueli Rüegsegger schlägt in die gleiche Kerbe: «Die Idee, die Grundfutterproduktion in der Schweiz zu fördern, ist gut, denn schlussendlich sind die Schweizer Milchviehbetriebe Weltmeister in der Herstellung von qualitativ hochwertigem Grundfutter, das zeigen auch die jährlichen Auswertungen der UFA-Herd-Support-Betriebe», hält Rüegsegger fest.
Gras allein reicht nicht
Da Gras alleine jedoch nicht ausgeglichen sei, müsse das Programm eigentlich «grundfutterbasierte Milch- und Fleischproduktion» heissen. Denn auch andere Grundfutter, wie zum Beispiel Mais, seien für viele Milchviehbetriebe wichtig für die Futterproduktion. «Denn nicht selten ist es der Maisanteil in der Ration, der eine Teilnahme an GMF verunmöglicht. Betriebe die Dürrfutter aus Deutschland oder Luzerne aus Spanien importieren, haben weniger Hürden für die Teilnahme», sagt Rüegsegger. «Deshalb sollten inländische Maisprodukte ebenfalls zu GMF gehören, jedenfalls bis zu einem entsprechenden Prozentsatz, sagt der Fütterungsprofi klar und deutlich. Und eines macht auch Christian Oesch klar: «Aus unserer Sicht dürfen mit dem Umbau des GMF-Programms in der AP 22+ nicht noch weitere Hürden und administrative Zeitaufwände eingebaut werden», hält Oesch ausdrücklich fest.
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Talregion |
Hügelregion |
Bergregion |
Total oder Durchschnitt |
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Anzahl Betriebe |
8677 |
9285 |
12 154 |
30 116 |
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Fläche (ha) |
136 029 |
165 521 |
258 094 |
559 643 |
|
Fläche pro Betrieb (ha) |
15,68 |
17,83 |
21,24 |
18,58 |
|
Beitrag pro Betrieb (Fr.) |
3061 |
3527 |
4236 |
3679 |
|
Total Beitrag (Mio Fr.) |
26,6 |
32,7 |
51,5 |
110,8 |
Viele Betriebe machen beim GMF-Programm mit. Quelle: BLW