In der Strategie 2030 positioniert sich die Braunvieh Kuh als Rasse, die auf graslandbasierten Betrieben mit vorwiegend betriebseigenem Futter gefüttert wird und dazu bei Bedarf auch noch auf der Alp überzeugt. Was hat Braunvieh Schweiz zu dieser Vision bewogen?
Lucas Casanova: Die Überzeugung, dass unsere Kühe ihre Milch langfristig vorwiegend aus betriebseigenem Futter produzieren müssen. Die Möglichkeiten der Betriebe sind in unserem Land je nach Lage (Niederschläge, Höhenlage, Bodenbeschaffenheit und Hanglage) sehr unterschiedlich. In guten Lagen kann ein Betrieb auch mit betriebseigenem Futter und einer sinnvollen Futterergänzung nachhaltig hohe Leistungen erfüttern.
Wie waren die Rückmeldungen aus der Züchterschaft auf diese mutige Neuausrichtung?
Unterschiedlich. Es gibt jene Züchter, die kritisieren, dass Braunvieh Schweiz mit der neuen Strategie keine hohen Leistungen mehr wolle – was so per se nicht stimmt! Und dann gibt es auch Züchter, welche die Strategie sehr positiv sehen. Es ist aber auch so, dass die grosse Mehrheit – wie in anderen Fragen auch – sich gar nicht zu Wort meldet.
Wie sieht die Umsetzung der Strategie konkret aus? Im aktuellen Zuchtziel liegt die angestrebte Jahresmilchleistung bei ausgewachsenen Tieren im Talgebiet bei hohen 9‘000 kg Milch. Ist da eine Korrektur geplant?
Wir haben das sehr intensiv diskutiert und sind zum Schluss gekommen, dass keine Korrektur notwendig ist. Unsere neue Nachhaltigkeitsstrategie beruht auf den drei Nachhaltigkeitsdimensionen Wirtschaftlichkeit, Soziales und Ökologie. Oder anders gesagt, wenn es hinten rechts nicht stimmt, das Soziale (Familie, Nachfolge) zu kurz kommt oder beispielsweise die Böden nicht mehr fruchtbar sind, wird ein Betrieb langfristig nicht überleben können. Die Herausforderung für die Betriebe ist, eine gute Balance zwischen diesen drei Dimensionen zu finden. Dieser Gedanke ist nicht neu, sondern wurde schon von vielen Generationen in der Landwirtschaft gelebt.
Findet der Braunvieh Züchter heute schon die passende Genetik, um seine Viehherde dieser Neuausrichtung anzupassen?
Ja, durchaus. Das Genetikangebot ist sehr breit. Dank der Genomik stehen heute Stiere mit sehr unterschiedlichen Profilen zur Verfügung. Mit einer klugen Anpaarung kann man heute Kühe züchten, die sehr gut auf den eigenen Betrieb passen.
Feed no Food, also keine Ackerflächen für die Tierhaltung verschwenden, sondern darauf Lebensmittel produzieren, soll zu einer nachhaltigeren Ernährungswirtschaft führen. Wird es im Talgebiet in 50 Jahren überhaupt noch Kühe geben?
Ja, wird es! Ackerbau und Tierhaltung gehören auch in Zukunft zusammen. Möglichst geschlossene Kreisläufe und das Erhalten der Bodenfruchtbarkeit sind nur mit Tierhaltung möglich. Von 5 kg produzierte Biomasse aus dem Ackerbau sind lediglich 1 kg direkt für die menschliche Ernährung zugänglich. Die restlichen 4 kg können hauptsächlich durch unsere Wiederkäuer für uns genutzt werden. Es ist auch ökologisch betrachtet ein grosser Trugschluss zu meinen, dass eine vegane Ernährung das Beste für alles sei!
