[IMG 2]«Si on veut, on peut», ist das Motto von Joana und Joan Studer: «Wer will, der kann». Joan Studer sitzt in seiner Bauernstube vor weiss verputzten Steinmauern und bietet fein geschnittenen Rohschinken an. Der ist seine Spezialität: Bis zu drei Jahre lang reift das Fleisch unter dem Dachwerk in der jurassischen Bergluft. Der natürliche Wechsel von Temperatur und Luftfeuchtigkeit im Lauf der Jahreszeiten bestimmen den Geschmack. Gewürze und Nitrit werden nicht verwendet: «Nur Salz und Zeit», sagt er.

Studers «Pata Jura», wie sie sein Produkt im Delsberger Hinterland scherzhaft nennen, erinnert an die berühmte spanischen Pata Negra. Das ist kein Zufall: Studers Fleisch kommt vom iberischen Schwein. Die urigen Tiere werden von Studer selbst gezüchtet und verbringen vor der Schlachtung rund zwei Jahre auf den Weiden rund um den Hof.

Soja gibt es nicht

Zusätzlich zum Gras und den Kräutern, die dort wachsen, erhalten die Tiere Gemüsereste von regionalen Produzenten und Getreide. Davon verfüttert er pro Tier und Tag etwa ein Kilo. Soja gibt es auf Studers Hof nicht. So erreicht er einen hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren, die als gesund gelten. «Das Schweinefett hat keinen guten Ruf», weiss Studer.

Dies liege aber an der Fütterung und nicht am Tier: Dank der Weide stimme auch das Verhältnis von Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren. Die Qualität rechtfertigt den Preis: Am Stück liegt dieser bei über 60 Franken das Kilo, geschnitten können es je nach Alter bis 150 Franken werden.

Anklang findet das Fleisch vom Mont Lucelle nicht nur bei Feinschmeckern. Studer beliefert mehrere Läden in der Region und vermarktet seine Produkte auch über das Bio-Netzwerk «Les Saveurs de nos pâturages», zu dem sich Bauern aus dem Berner Jura und dem Kanton Jura zusammengeschlossen haben. Es bietet einen Heimlieferdienst für Fleisch, Gemüse, Milchprodukte und Eier an, alles bio. Bedient wird ein Gebiet, das von Neuenburg über Biel bis in die Ajoie reicht. Touristen können sich aber auch im Hofladen eindecken.

Neue Ideen aus den Ferien

Studer setzt auf lokalen Anbau und regionalen Verkauf, bei der Suche nach Inspiration lässt er aber keine Grenzen gelten. Dafür besteht er darauf, auch als Bauer regelmässig in die Ferien zu fahren, auch wenn das mit dem Betrieb nicht immer einfach sei. Aber eben: «Wer will, der kann.» Was Studer Ferien nennt, würde bei anderen eher in die Kategorie «Bildungsreise» fallen. Er besucht nämlich vorzugsweise seine Familie im Baskenland und befreundete Bauern in Frankreich und Grossbritannien. Dort holt er immer wieder neue Ideen für den Hof. Der baskische Rohschinken ist eine davon.

Wurzeln im Baskenland

Abo Geld von der Berghilfe gibt derzeit auch für Solarprojekte wie hier bei der Conditoria in Sedrun. Jubiläum Berghilfe im Wandel der Zeit Wednesday, 10. May 2023 Auch heute gehe es nicht ohne Kontakt zu den Züchtern im Baskenland, sagt Studer. Von ihnen bezieht er immer wieder männliche Tiere für seine Zucht im Jura. Im Baskenland stehen im die Türen auch wegen seiner Herkunft offen: Seine Mutter ist Baskin und hat in der Schweiz seinen Vater kennengelernt. Den Kontakt ins Baskenland hielt die Familie stets aufrecht. So hat Studer dort seine Frau Joana gefunden. Sie führt mit ihm gemeinsam den Hof und arbeitet zusätzlich Teilzeit ausserhalb.

Unterstützung erhält hat das Paar von der Schweizer Berghilfe. Diese hatte anfänglich eine Finanzierung für die Umstellung auf eine Schnitzelheizung gegeben. Als Studer die ersten Versuche mit der Produktion des Rohschinkens unternahm, gewährte die Berghilfe eine Anschubfinanzierung.

«Damit war es möglich, richtig zu investieren», sagt Studer. Dies entspricht dem Konzept der Berghilfe, Betrieben dabei zu helfen, die «nächste Geländekammer» zu erschliessen, wie Beatrice Zanella von der Geschäftsleitung es formuliert: «Die Stiftung ermöglicht es Betrieben so, neue Geschäftsfelder zu eröffnen und innovativ zu sein.»[IMG 3]

Die iberischen Schweine sind die augenfälligste, aber nicht die einzige Innovation auf Studers Betrieb. Einen eigenen Weg geht er auch bei der Viehhaltung. Inspiriert von Besuchen in der Auvergne im Herzen Frankreichs setzt er auf die Salers-Rasse. «Es ist eine besondere Rasse, die Kühe haben einen starken Mutterinstinkt», sagt Studer. Beim Melken sei das Kalb deshalb immer mit dabei: «Sonst halten die Kühe die Milch zurück.»

Getreideproduktion mit Agroforst

Bei der Getreideproduktion setzt Studer neuerdings auf Agroforst. Die Ackerstreifen werden von langen Obstbaumreihen gesäumt. Er habe mit der Methode gute Erfahrungen gemacht, sagt Studer. Auf die maschinelle Bewirtschaftung hätten die Bäume keine negative Auswirkungen. Die einzige Einbusse bestehe darin, dass weniger Anbaufläche für das Getreide zur Verfügung stehe.

Allerdings sei damit die Rechnung noch vollständig gemacht, gibt Studer zu bedenken: Die Obstbäume seien nämlich gut für die Biodiversität und damit auch für Nützlinge, die wiederum zum Schutz der Kulturen beitragen. In heissen Sommern hätten die Baumreihen ausserdem positive Auswirkungen auf das Mikroklima der Felder. Neuerdings wird auf Studers Land auch Gemüse angebaut – allerdings nicht von ihm selbst, sondern durch eine «Mikrofarm», der er für ihr Projekt Land zur Verfügung stellt. Deren Betrieb sei geschäftlich unabhängig, trage aber zur Resilienz des Betriebs bei. Studer ist überzeugt, dass Landwirte für die Zukunft ein gutes Netzwerk in der Region bräuchten. Der Trend zu immer weniger Personal auf immer mehr Fläche berge Gefahren: «Sollte es einmal zu einer Energiekrise kommen, läuft so nichts mehr», sagt er.

Auch diese Beobachtung hat er von seinen Reisen mitgebracht. In Frankreich habe er oft sehr kleine Betriebe angetroffen. «Die haben vielleicht zehn Hektaren, aber können noch alles selber machen», erzählt Studer. «Ich dagegen wäre ohne Diesel sofort erledigt.» Das habe ihm zu denken gegeben.

Dem Instinkt vertrauen

Je mehr Hände es gebe, die auf dem Hof mit anpacken könnten, und je kleiner die Strukturen seien, desto besser könne die Landwirtschaft reagieren, wenn es einmal nicht mehr einfach so weitergehen sollte wie bisher. Studer ist deshalb überzeugt: «Wir brauchen resilientere Systeme.» Dabei könne aber niemand behaupten, den einzig richtigen Weg zu kenne. Wichtig sei aber, dem bäuerlichen Instinkt zu vertrauen und in Szenarien zu denken.

In Zahlen
130 kg Schlachtgewicht bringt ein iberisches Schwein auf die Waage.
18 Monate hat es dann auf dem Mont Lucelle verbracht.
1 kg Getreide beträgt die tägliche Futterration.
3 ha stehen als Weidefläche zur Verfügung.
36 Monate reift der Schinken an der Luft.
80 ha bewirtschaften die Studers insgesamt.