Geht es um rechtliche Aspekte, wird es oft komplex. Nicht selten reicht hier der gesunde Menschenverstand nicht aus. Dann sind Fachpersonen nötig. So eine Person ist Michael Ritter. Er ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Ritter Koller in Möhlin AG und auf einem Milchwirtschaftsbetrieb im Oberbaselbiet aufgewachsen. Er sprach anlässlich der Tierärztetage über die rechtliche Grundlage von Tierschutzkontrollen und Tierarzneimitteln.
Die Kanzlei Ritter Koller hat sich auf landwirtschaftliche Fragen spezialisiert. Dazu gehören das Erbrecht, das bäuerliche Bodenrecht, das Raumplanungs- und Baurecht, das landwirtschaftliche Pachtrecht, das Familienrecht und das Agrarrecht.
Tierarzt beiziehen
«Wir empfehlen sämtlichen Tierhaltenden, wenn eine Kontrolle in die falsche Richtung geht, den Anwalt zu rufen oder aber den Bestandestierarzt um Hilfe zu bitten», sagte der Rechtsanwalt und erntete damit im Saal teilweise Erstaunen. Diese Person, die bei der Kontrolle unterstütze, könne aber auch ein Berufskollege oder einfach ein Nachbar sein. «Wenn der Veterinärdienst etwas finden will, dann findet er auch etwas, und meist passt das Ganze nicht in den Tagesplan des Bauern, der sicher nicht mit der unangemeldeten Kontrolle rechnet.» Nicht zu vergessen sei, dass es sich beim Veterinärdienst um eine Spezialpolizeibehörde handelt, so Ritter.
Verfahren haben zugenommen
Wie der Rechtsanwalt erklärte, hätten im Bereich der Tierschutzgesetzgebung die Gerichtsverfahren massiv zugenommen. «Wir stellen fest, dass die rechtlichen Grundlagen nicht überall gleich sind und auch die Handhabung des Rechts nicht in allen Kantonen identisch ist», sagte Ritter. Das erschwere die Ausgangslage.
Einige Dinge seien aber klar. So zum Beispiel, dass der Umgang mit den Behörden dem Verfassungsrecht unterliegt. Das heisst, dass ein Entscheid im Zusammenhang mit einem Mangel begründet werden muss. Das führe dazu, dass auch nicht einfach eine Sanktion ausgesprochen werden könne, erklärte Michael Ritter.
Weiter sei klar: Der Landwirt darf immer dabei sein. «Auch wenn zwei Kontrolleure kommen, darf die Kontrolle nicht zweigleisig fahren», sagte Ritter. Hier könne es zu Verletzungen des rechtlichen Gehörs kommen. Schliesslich entscheiden, ob das so ist, tue aber das Verwaltungs- oder nachher das Bundesgericht, erklärte Ritter den Ablauf.
Gut zu wissen
Tierschutzkontrollen dürfen nur in Anwesenheit des Tierhalters durchgeführt werden. Lediglich bei einer unmittelbaren Gefährdung der Tiere darf der Hof in Abwesenheit des Tierhalters betreten werden. Im Gegenzug gilt aber, dass der Tierhalter oder die Tierhalterin die Kontrolle nicht unbegründet verweigern darf. Das heisst, es besteht eine Mitwirkungspflicht (Zutritt gewähren und verlangte Dokumente vorlegen).
Die Tierhalter haben das Recht auf eine «faire und sachliche Kontrolle». Sind mehrere Personen des Veterinärdienstes anwesend, kann es für den Bauern oder die Landwirtin sinnvoll sein, Unterstützung beizuziehen (Bsp. Bestandestierarzt). In so einem Fall müssen die Kontrolleure warten, bis diese zur Unterstützung angeforderten Parteien anwesend sind.
Als unangemeldet gilt eine Kontrolle, wenn die Tierhalterin oder der Tierhalter ohne vorherigen Kontakt unmittelbar vor dem Kontrollgang am Betriebsstandort aufgesucht wird. Der Anteil unangemeldeter Grundkontrollen beträgt mindestens 20 %. Die unangemeldeten Kontrollen sind gleichmässig über alle Tierhaltungen zu verteilen.
Genau lesen
Rechtsanwalt Michael Ritter rät, nichts zu unterschreiben, mit dem man nicht einverstanden sei. Auch dann nicht, wenn die Zeit dränge oder eine andere Arbeit erledigt werden müsse. Ritter empfiehlt zudem, den Kontrollbericht genau zu lesen. Wenn die Zeit dazu fehle, soll der Tierhalter oder die Tierhalterin unter den Bericht schreiben: «Ich unterschreibe nicht, weil mir die Zeit fehlt, es genau zu lesen.» Auch bei fehlendem Einverständnis mit dem Inhalt des Kontrollberichts sei zu schreiben: «Ich unterschreibe das nicht, weil ich nicht einverstanden bin.»
Der Strafbefehl
Bei einem Verstoss gegen das Gesetz kann es zu einem Strafbefehl kommen. Wird ein Strafbefehl nicht innerhalb von zehn Tagen seit dem Erhalt angefochten, gilt er als Urteil. Wird er hingegen angefochten, muss die Staatsanwaltschaft weitere Beweise abnehmen, welche zur Beurteilung der Einsprache notwendig sind. Anschliessend kann sie entweder am Strafbefehl festhalten (in diesem Fall gilt der Strafbefehl als Anklage), sie kann das Strafverfahren einstellen oder einen neuen Strafbefehl erlassen oder aber Anklage beim erstinstanzlichen Gericht erheben.
Oft werden Strafbefehle nicht angefochten, weil die Strafe meist nur sehr gering ist. «Hinzu kommt, dass das Strafbefehlsverfahren in der Regel kurz ist und ohne Aufsehen zu erregen vonstattengeht», sagt Rechtsanwalt Michael Ritter. Das sei in der Landwirtschaft mit Konsequenzen verbunden. «Wird ein Strafbefehl nicht angefochten, wird der Sachverhalt anerkannt. Basierend darauf können die Direktzahlungen gekürzt werden», mahnt Ritter und rät, bereits sehr früh einen Rechtsanwalt beizuziehen und den Strafbefehl nicht einfach hinzunehmen.
