Im Durchschnitt verdient ein Landwirt mit dem Betriebszweig Milchkühe 16 Franken pro Arbeitsstunde. Jürg Sprenger, Landwirt aus Wängi, erreicht rund 40 Franken und übertrifft damit den Durchschnitt um das Doppelte. Wie gelingt ihm das?

Vollweide und Jersey-Kühe

Zuerst die nüchternen Zahlen: Jürg Sprengers Betrieb umfasst 40 ha Weiden und Naturwiesen, die um seinen Betrieb arrondiert liegen. Sein Stall umfasst 92 Kuhplätze und gewährt seinen 83 Jersey-Kühen ausreichend Raum. Diese führt er im Vollweidesystem ohne Kraftfuttereinsatz. Insgesamt produzieren die Kühe im Jahr etwa 350 000 kg Milch für die Appenzellerkäserei Wängi, was im Durchschnitt 4500 kg pro Kuh ausmacht.

Aufgrund der hohen Gehalte der Jersey-Milch erhält Sprenger für seine IP-Milch einen Zuschlag von 10 Rappen pro kg und liegt insgesamt bei etwas über einem Franken.

Auf den Dächern von Stall, Maschinenunterstand und Betriebsgebäude produziert eine Solaranlage 310 kW Strom, weiter erzeugt auf dem Betrieb eine Anlage Biogas und wandelt dieses in Strom (150 kw) um. Zusätzlich mästet Sprenger in einem Stall noch 200 Mastschweine, ist im Nahwärmeverbund, hält 30 Mutterschafe und vier Pferde.

Mehr Lohn, weniger Arbeit

«Wir Landwirte müssen denken wie ein Büezer. Und was will ein Büezer? Mehr Lohn und weniger Arbeit», sagt Jürg Sprenger.

Er beobachte in seinem Umfeld immer wieder das gleiche Muster: Sobald ein Landwirt einen Betrieb übernehme, gelte nur noch: höher, weiter, schneller. Das «Büezer-Denken» verschwinde. «Wenn ich 10 ha Land übernehme, will ich nicht mehr arbeiten, sondern nur gleichviel arbeiten und mehr verdienen», lautet seine Grundeinstellung. Diese verfolgt er seit seiner Lehre. Damals erlebte er, wie er vor seinen Brüdern aufstand, in den Stall ging, um die Kühe zu melken und als die Brüder um halb sechs nach Hause in den Feierabend gingen, musste er wieder in den Stall.

«Ich koste sowieso am meisten auf meinem Betrieb», sagt Jürg Sprenger. Betriebswirtschaftlich lohne es sich deshalb, die Abläufe sowie Arbeitszeiten zu optimieren. Aber es lohne sich auch, um gute Arbeitskräfte zu finden und diese zu motivieren: Sprengers Lehrlinge beginnen um 6 Uhr 30 und um 18.15 Uhr gehen sie in den Feierabend. Es sei für ihn selbstverständlich, dass sie sich noch anderweitig, zum Beispiel im Turnverein, engagieren sollen und können – wie er selber auch.

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80 zu 20 Regel

Das «Pareto-Prinzip», auch bekannt als «80-zu-20-Prozent-Regel», bestimmt die Weise, wie Jürg Sprenger seinen Hof führt. Dieses Prinzip besagt, dass man bereits mit einem kleinen Teil an Input die grösste Wirkung erzielt – mit 20 Prozent Aufwand eben 80 Prozent des Resultats.

Umgesetzt auf Sprengers Betrieb bedeutet das: Fokus aufs Wesentliche, nämlich die Milchproduktion, und eben auch das Weglassen von Unwesentlichem. «Wenn der Weizen reif wird, fahre ich in die Sommerferien und wenn der Mais reift, fahre ich in die Herbstferien», begründet Sprenger mit etwas Humor, warum er auf den Ackerbau verzichtet.

Platz dafür besässe er eigentlich: Sieben Hektaren Land liegen fünf Kilometerentfernt vom Betrieb – aber eben zu weit weg, um sie als Weide zu nutzen. So verpachtet er das Land lieber.

Betrieb Sprenger
 
Ort: Anetswil/Wängi TG
LN: 40 ha das meiste Vollweide und Naturwiese
Viehbestand: 83 Jersey-Milchkühe und 200 Mastschweine
Arbeitskräfte: Betriebsleiter mit Ehefrau und einem Lehrling

In Neuseeland entdeckt

Die Vollweide, die er auf seinem Betrieb praktiziert, entdeckte eigentlich schon sein Vater: 1987 unternahm er eine Reise nach Neuseeland und entdeckte dort dieses System für sich.

Fast gleichzeitig arbeitete Jürg Sprenger dann in der «Stifti» und sah an der Landwirtschaftsschule Arenenberg die ersten 10 000er-Kühe. «Das kann so für meinen Betrieb nicht die Zukunft sein», dachte er und nahm sich stattdessen Neuseeland zum Vorbild. «Die müssen zu Weltmarktpreisen Milch produzieren und sie setzen auf Vollweide und Jersey», sagte sich Sprenger, stieg auf diese Produktionsform und setzte vollends auf das System Neuseeland.

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Die ideale Vollweidekuh

Seine Jersey stellen in vielen Punkten die idealen Kühe für das Vollweidesystem und für seinen Betrieb dar: Sie benötigen für ein Kilogramm Milch weniger Futter als andere Kuhrassen, wiegen weniger und eignen sich darum besser für die Weide – Übersaat war in all den Jahren nie ein Thema – sie kalben leicht ab und verhalten sich zudem äusserst friedfertig. «Jersey kämpfen praktisch nie und man kann ihnen problemlos auch andere Kälber anhängen, falls man das mal möchte», sagt Jürg Sprenger.

Etwa ab dem 15. März verbringen seine Kühe die meiste Zeit auf den Weiden. Das ergibt für ihn Sinn: «Eine gute Weide liefert Werte zwischen 6,5 und 6,3 MJ NEL, die Kuh holt sich ihr Futter selber und bringt den Dünger wieder gleichmässig aus.» Während der Vegetationszeit beschränken sich so die Fütterungskosten auf ein altes Betriebsvelo und einen ausgebildeten Hütehund. Arbeiten, ausser bei der Dürrfutterproduktion und Düngung gibt es nur rund ums melken.

«Das kann so nicht die Zukunft sein.»

Bereits in der Lehre entschied sich Jürg Sprenger gegen Hochleistungskühe.

Sprenger setzt auf ein System aus mehrkoppligen Kurzrasenweiden, wobei ständig 20 ha eingezäunt bleiben. Die Grösse der Koppeln variiert: Kleinere Koppeln umfassen zwei Hektaren, die grösste – die Nachtweide – weist eine Grösse von 9 Hektaren auf. Bei der Weidepflege vertraut Sprenger ganz seinen Kühen. «Sie erledigen die Bestandespflege selber, reissen zum Beispiel ganzflächig das gemeine Rispengras aus und lassen es an der Sonne verdorren», sagt er. Die einzige Arbeit, die er auf der Weide durchführt: Er fährt gelegentlich mit der Wiesenegge durch, um die Mäusehaufen zu verstossen.

Saisonale Abkalbung

Seine Herde führt er in saisonaler Abkalbung. Vom 1. April bis etwa zum 21. April besamt er alle Tiere. Danach kommen vier maximal anderthalbjährige Jungstiere auf seinen Betrieb, welche diejenigen Kühe, die nicht aufgenommen haben, bespringen. Am liebsten setzt Sprenger auf Aubrac-Stiere: «Simmentaler funktionieren nicht, die Köpfe der Kälber werden zu gross, da muss dann jemand bei der Geburt dabei stehen und helfen.»

Nach drei Wochen verlassen zwei der vier Jungstiere den Hof wieder, die restlichen zwei laufen noch bis in den Sommer mit der Herde mit.

Je nach Wetter stallt Jürg Sprenger die Herde Ende Oktober ein und am 15. November lässt er sämtliche Tiere vergalten – bis zum 6. Januar herrscht dann «Melkruhe».

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Breiten- statt Spitzensport

«Ich betreibe mit meinen Kühen Breitensport und nicht Spitzensport, denn dass Spitzensport nicht gesund wirkt, wissen wir ja alle», fasst Sprenger sein System zusammen.

Seinen Kühen scheint es zu bekommen – im Durchschnitt durchlaufen seine Kühe sechs Laktationen, seine älteste Kuh ist gerade 16 Jahre alt geworden.

Jürg Sprenger hat das Vollweidesystem so auf seinen Betrieb optimiert. Er fungiert in puncto Weide und Tierwohl als Vorreiter und blickt pragmatisch auf die Landwirtschaft und die Politik. «Ich praktizierte bereits von Anfang an vieles, was später von der Politik durchgesetzt wurde. Die Landwirtschaftspolitik entspricht schliesslich dem, was die Bevölkerung will: Die wollen Kühe auf der Weide und keine übergrossen Euter sehen. Wenn man das umsetzt, dann verdient man Geld.»

Während also andere Milchviehbetriebe mit 16 Franken pro Arbeitsstunde oder weniger kämpfen, beweist Jürg Sprenger mit seinem System aus Vollweide, Jersey-Kühen und saisonaler Abkalbung, dass mehr Lohn bei weniger Arbeit funktionieren kann. Das «Büezer-Denken» zahlt sich aus: Über 40 Franken pro Stunde sprechen eine klare Sprache.