Heute dauert eine Standard-Laktation 305 Tage. Das kommt daher, dass hochwertiges Grasfutter als Grundlage der Milchviehfütterung früher eigentlich nur einmal im Jahr mit dem ersten Grasaufwuchs zur Verfügung stand. So erzählte es Martin Kaske von Rindergesundheit Schweiz anlässlich einer Veranstaltung von Agridea zur verlängerten Zwischenkalbezeit.

Ein Mantra, das heute nicht mehr in Absolutheit gilt 

Heute stehen den Tieren qualitativ hochwertige Grundfutterrationen in Form von Silage und Dürrfutter das ganze Jahr zur Verfügung. Damit entfalle das zentrale Argument für eine 305-Tage-Standard-Laktation. Trotzdem werde in der Beratung noch immer auf die zentrale Bedeutung einer kurzen Zwischenkalbezeit für die Ökonomie der Milchproduktion hingewiesen.

«Es war ein Mantra, das den Landwirten immer wieder gesagt wurde», erklärte der Tierarzt. Dieser Leitsatz gilt für den Experten heute jedoch nicht mehr absolut.

Höhere Milchleistung, tieferer Erstbesamungserfolg

Martin Kaske ist sich sicher, dass auf vielen Betrieben eine verlängerte Zwischenkalbezeit Sinn ergibt. Die moderne Milchkuh sei subfertil – was so viel heisst wie, dass sie schwerer trächtig zu bringen ist.

Mit der Zunahme der Milchleistung in den letzten Jahren habe sich gleichzeitig die Deutlichkeit der Brunstsymptome und der damit einhergehende Erstbesamungserfolg verringert. «Man muss mehr tun, um die Kühe tragend zu bekommen», so der Tierarzt. Daneben sei das Risiko einer Mastitis bei Kühen erhöht, die zum Zeitpunkt des Galtstellens noch viel Milch produzieren.

Ein Überangebot an Kälbern im Winter

Obwohl die Kühe schwerer trächtig zu bringen seien, habe man in der Schweiz im Winter zu viele Kälber, so Martin Kaske. Zwar sei das Problem nicht so dramatisch wie in anderen Milchwirtschaftsländern, doch eine aktuelle Auswertung des SBV zeige, dass deutliche Schwankungen der Tränkerpreise innerhalb des Jahres bestünden, so Kaske. Während die vermehrt im Herbst und Winter geborenen Kälber einer vergleichsweise niedrigeren Nachfrage gegenüberstehen, steigen die Preise durch die geringere Anzahl an Kälbern im Sommer an.

«Das Ziel von spezialisierten Milchwirtschaftsbetrieben ist es nicht Kälber zu produzieren, sondern Milch»

Martin Kaske, fachlicher Leiter Rindergesundheit Schweiz.

Das Überangebot im Herbst und Winter führe nicht nur zu tieferen Tränkerpreisen, sondern könne auch ein Tierschutzproblem generieren, erklärte Kaske. «Die daraus resultierenden Schlagzeilen in den Medien gilt es zu vermeiden, da sie für das Image der Milchproduktion katastrophal sind», sagte Kaske weiter.

75 Prozent weniger Hormonbehandlungen

Eine Massnahme zur Vermeidung solcher Probleme ist laut Martin Kaske eine Verlängerung der Laktationsdauer. Gegenwärtig scheine es so, als wäre das Ziel des Fruchtbarkeitsmanagements ausschliesslich die Produktion von Kälbern.

Dem möchte der Tierarzt jedoch widersprechen: «Ziel des Fruchtbarkeitsmanagements auf intensiv wirtschaftenden, spezialisierten Milchwirtschaftsbetrieben ist es nicht, Kälber zu produzieren, sondern Milch.» Statt auf das Kalb sollten sich die Fruchtbarkeitskennzahlen laut Kaske zukünftig auf die produzierte Milchmenge beziehen.

Während der Trächtigkeitsindex in einer deutschen Untersuchung bei der Gruppe von Kühen mit einer freiwilligen Wartezeit von 40 Tagen 1,8 Besamungen pro Kuh ergab, lag dieser bei der Gruppe von Kühen mit einer freiwilligen Wartezeit von 180 Tagen bei 1,5 Besamungen pro Kuh – und damit um 17 % tiefer.

«Es war ein Mantra, das den Landwirten immer wieder gesagt wurde.»

Martin Kaske über die noch immer zentrale Bedeutung einer kurzen Zwischenkalbezeit für die Ökonomie der Milchproduktion.

Viel entscheidender als die Anzahl Besamungen pro Kuh ist laut Kaske jedoch die Anzahl Besamungen, die ein Betrieb braucht, um eine definierte Milchmenge zu produzieren. Pro 10 000 kg Milch lässt sich der Aufwand an Besamungen gemäss der Untersuchung bei einer längeren Wartezeit um einen Drittel reduzieren.

Betrachte man die Anzahl Hormonbehandlungen auf die produzierte Milchmenge, könnten die Behandlungen sogar um 75 % reduziert werden, so Kaske. «Das sind beeindruckende Zahlen, die beim Betriebsmanagement stärker berücksichtigt werden sollten», verdeutlichte Kaske. Denn auffallend sei zudem die verbesserte Persistenz der Milchkühe bei verlängerter Laktationsdauer, die es ökonomisch tragfähig macht, Kühe länger zu melken als bislang.

Bei Erstkalbinnen sinnvoll

Die Verlängerung der freiwilligen Wartezeit sei jedoch keine allgemeine Empfehlung, so Martin Kaske. Sinnvoll sei diese nur für spezialisierte Betriebe mit hoher Herdenleistung sowie einem guten Fütterungsmanagement, da sonst die Gefahr einer Verfettung in der Spätlaktation bestehe, so Kaske.

Im Idealfall sei die Dauer der Laktation zudem tierindividuell festzulegen. Insbesondere bei hoch leistenden Erstkalbinnen sei eine Verlängerung sinnvoll, da deren Persistenz wesentlich besser sei als die der mehrkalbigen Kühe. Schliesslich plädierte Kaske dafür, dass jeder Landwirt die spezifische Situation auf seinem Betrieb bzgl. der Laktationsdauer kritisch hinterfragt und gegebenenfalls Anpassungen vornimmt.