Ein zarter Hauch von Schokoladenduft umgibt das «House of Läderach» in Bilten GL. Hier werden beste Zutaten zu Qualitätsschokolade verarbeitet. Doch wo Lebensmittel veredelt werden, entstehen auch Abfallprodukte. In diesem Fall Kakaoschalen. Früher wurden die Schalen an Gärtnereien abgegeben und kompostiert. Heute setzt man sie in der Tierfütterung ein. «Fünf Landwirtschaftsbetriebe holen bei uns in Bigbags die Schalen ab und füttern damit Rinder oder Schweine», weiss Erich Rüdisüli, stellvertretender Bereichsleiter Couverture und Kakao. Monatlich werden dadurch um die vier Tonnen Kakaoschalen weiterverwertet, ein wertvoller Beitrag gegen Food Waste.
Schoggimilch ab Kuh?
Einer der Landwirtschaftsbetriebe ist die Generationengemeinschaft von Thomas und Franz Sigrist aus Wollerau SZ. Für die Fahrt nach Bilten benötigen sie etwa 35 Minuten mit Traktor und Anhänger. «Dieser Aufwand lohnt sich allemal», ist Vater Franz Sigrist überzeugt. Seit 2021 sind die Kakaoschalen fester Bestandteil ihrer Mischung für die laktierenden Kühe.
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Franz Sigrist öffnet einen Bigbag mit Kakaoschalen, ein herber Schokoladenduft steigt in die Nase. Als er mit dem Heukran die Schalen in den Futtermischwagen abfüllt, wird der Duft noch intensiver. Schmeckt denn nun die Milch auch nach Schokolade? Nein, erwidert Franz Sigrist lachend, doch die Kakaoschalen haben einen anderen positiven Einfluss auf die Milch.
Höherer Fettgehalt
Die Kuhherde der Familie Sigrist besteht zu einem Drittel aus Original Braunen und zu zwei Dritteln aus Brown Swiss. Der Stallschnitt liegt bei 8800 kg Milch. Die milchbetonten OB-Kühe halten mit ihren Brown-Swiss-Kolleginnen mit und leisten bis zu 12 000 kg. Täglich wird pro Kuh ein Kilogramm Kakaoschalen verfüttert. Bereits einen Monat nach Fütterungsumstellung haben Sigrists festgestellt, dass der Milchfettgehalt um 0,3 bis 0,5 % anstieg.
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Thomas Sigrist ist verantwortlich für die 80 Tiere starke Kuhherde und erinnert sich: «Zuvor hatten wir immer etwas Mühe mit dem Fettgehalt. Seit wir mit den Kakaoschalen angefangen haben, weist unsere Tankmilch einen Durchschnitt von mindestens 4 % auf. Je nach Grund-futterqualität haben wir auch schon 4,54 % erreicht.» Der Gehaltsanstieg hatte zur Folge, dass der Stalldurchschnitt um etwa 200 kg sank. Durch den höheren Fettanteil fällt das Milchgeld aber nicht geringer aus.
Verdauung beeinflusst
Von Schokolade ist in der fertigen Totalmischration nichts mehr zu schmecken. Im Zwei-stundentakt schiebt ein Roboter am Futtertisch nach, sogleich stehen die Kühe auf und beginnen zu fressen. Franz Sigrist nickt zufrieden: «Fressen, Liegen, Melken, das sollen die Haupttätigkeiten unserer Kühe sein.» Sein Sohn zeigt die Zusammensetzung der Mischung auf. Hauptbestandteile sind Grassilage (17 kg), Maissilage (14 kg) und Dürrfutter (7,5 kg), ergänzt mit zwei Kilogramm Eiweisskonzentrat und einem Kilogramm Futterweizen aus eigener Produktion. Zusammen mit Tim Zehnder, Rindviehspezialist der UFA, rechnet und optimiert der junge Betriebsleiter regelmässig den Fütterungsplan seiner Viehherde.
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Tim Zehnder erklärt, dass die Qualität der Kakaoschalen je nach Anbieter schwanken kann und dieses Nebenprodukt nicht die besten Inhaltsstoffe aufweist: «Der Effekt des Futtermittels ist auf die verlangsamte Verdauung zurückzuführen. Durch die Kakaoschalen wird die Passagerate im Pansen gebremst. So gewinnt der Pansen Zeit und kann mehr Nährstoffe aus dem Futterbrei herauslösen.» Der Fütterungsexperte mahnt aber zur Vorsicht, Kakaoschalen können Mykotoxine beinhalten.
Milch verdünnen
Einen indirekten Nebeneffekt hatten die Kakaoschalen auf die Mastkälber. «Plötzlich wurden unsere Kälber in den Fettklassen 4 bis 5 eingestuft. Zuvor erreichten wir immer eine gute Drei. Zuerst wussten wir nicht, worauf dies zurückzuführen ist», erzählt Franz Sigrist. Durch den höheren Fettgehalt der Kuhmilch setzten die Kälber gegen Ende der Mastperiode mehr Fett an, was eine höhere Fettklassierung zur Folge hatte. Sigrists fügen nun der Milch rund 20 % Wasser hinzu und erreichen wieder beste Taxierungen.
Einen kleinen Teil der Milch füllt Sandra Sigrist in Glasflaschen ab und verkauft sie als Rohmilch. Sie zeigt ihren mit viel Liebe eingerichteten Hofladen: «Wir führen ein kleines Sortiment. Natürlich könnten wir mit unserer Milch die Wertschöpfung erhöhen und beispielsweise Butter herstellen. Doch dafür fehlt uns schlicht die Zeit.»
Miss OB
Direkt neben Stallungen und Wohnhaus wachsen auf 30 Aaren Kirschen, Zwetschgen und Äpfel. Das warme Klima in Seenähe begünstigt den Obst- und Ackerbau. Für die eigenen Tiere werden Silomais und Winterweizen angebaut. Im Hofladen schätzen die Kunden die Eier der hofeigenen Hühner. Während der Wintermonate ist die Schneeräumung ein wichtiges zusätzliches Standbein. Doch das Herz der Generationengemeinschaft schlägt für die milchstarke Kuhherde mit ihrer Aufzucht. Am 29. September 2023 stellte die Familie Sigrist an der Bezirksviehschau Höfe in Schindellegi SZ mit der Viertlaktierenden Albertli Axana die Miss OB. Vizemiss wurde die Erstlaktierende Arcas Alesia, ebenfalls aus ihrer Zucht. Zahlreiche weitere Preise zeigen die Freude der Familie am Braunvieh. Seit 2019 der neue Stall mit Seesicht und – noch viel wichtiger – mit Melk- und Entmistungsroboter bezogen wurde, konnte auch die Lebensqualität erhöht werden. «Arbeitsbeginn um vier Uhr morgens war über viele Jahre normal für uns», erinnert sich Franz Sigrist, «doch die Mühe hat sich gelohnt, wir konnten einen Vollerwerbsbetrieb aufbauen, der Zukunft hat.»
Betriebsspiegel Familie Sigrist
Generationengemeinschaft Sigrist
Wollerau SZ
63 ha LN
80 Kühe; ein Drittel Original Braunvieh, zwei Drittel Brown Swiss.
Stallschnitt 8800 kg. Die Milch wird an Mooh geliefert.