Die begleitenden Massnahmen beim Trockenstellen einer Milchkuh sind begrenzt. Neben der bekannten und wohl auch bewährten Methode des antibiotischen Euterschutzes kann in die homöopathische Apotheke gegriffen oder auch gar nichts gemacht werden. Eine weitere und derzeit letzte Option ist die des Zitzenversiegelns – ein antibiotikafreier Euterschutz. Dabei wird der Strichkanal für die Galtphase komplett verschlossen. Diese lang bestehende Barriere soll das Eindringen von Bakterien senken und so die Anzahl von Neuinfektionen im Euter während der Trockenstehzeit verhindern. Die Häufigkeit klinischer Euterentzündungen in der nachfolgenden Laktation kann dadurch nachweislich reduziert werden.

Eine gute Nachricht, betrachtet man die zunehmend in Verruf geratenden präventiv eingesetzten Antibiotika, zu denen auch der antibiotische Euterschutz zählt.

Schwarze Flecken im Käse

Der Euterversiegler hat aber einen entscheidenden Nachteil, wie am Forschungsinstitut Agroscope Liebefeld BE nach einer langen Suche festgestellt werden konnte: Sein Einsatz kann im Käse zu schwarzen Flecken führen. Schuld daran ist Bismut – ein Hauptbestandteil in vielen Zitzenversieglern. Bismut ist in vielen Medikamenten enthalten, ist chemisch betrachtet ein Metall und wirkt unter anderem entzündungshemmend, antimikrobiell und desinfizierend.

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Der Zitzenverschluss wird mittels Tube eingeführt und bleibt so lange bestehen, bis er auf manuelle Art und Weise entfernt wird. Und obschon genau das auch das Ziel ist, wird es zum Problem. Bismut macht schwarze Flecken. Und da nützt auch kein Filtern der Milch, denn die Partikel sind laut Agroscope zu klein – sie passieren das Netz.

Nachforschungen durch Agroscope haben noch weitere Probleme ans Tageslicht gebracht. Bismut führt nicht nur im Käse zu unschönen Verfärbungen, es verteilt sich im Melkaggregat und danach im gesamten Reinigungsapparat. Und dort ist es durch keines der geprüften Reinigungsmittel zu beseitigen. Zudem wird von Vorfällen berichtet, wo Kälber nach der Geburt den Versiegler durch das direkte Trinken am Euter aufnahmen. Mit anscheinend teils tödlichen Folgen.

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SMP fordern sofortigen Einsatz-Stopp

Eine unbefriedigende Bilanz also. Das finden auch die Schweizer Milchproduzenten (SMP). So hätten erste Abklärungen bei Swissmedic zwar ergeben, dass keine Gesundheitsgefährdung bestehe. «Die SMP hat die Vorkommnisse im Rahmen der Kommission Käsereimilch, wo alle Sortenkäse vertreten sind, bereits Mitte Dezember 2021 behandelt. Mögliche unerwünschte Auswirkungen auf das Lebensmittel Käse haben zum sofortigen Handeln aufgerufen», heisst es bei der SMP. Kurzfristige und absolute Priorität habe die Qualität der Milchprodukte beim Konsumenten. «Wir sind deshalb Ende 2021 zum Schluss gekommen, um eine unverzügliche vorübergehende Sistierung der Inverkehrbringung dieser Produkte zu bitten, bis bei Agroscope, dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen sowie bei Swissmedic die notwendigen Abklärungen abgeschlossen sind, welche den unbedenklichen Einsatz wieder zulassen», heisst es weiter.

Swissmedic habe sich diese Woche bei der SMP gemeldet und mitgeteilt, dass die Abklärungen noch andauerten. In den Regionen werde inzwischen in die Beratung bei den Milchproduzenten intensiviert.

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Bauern schwenken um

Obschon Zitzenversiegler sich in vielen Ställen bewährt hätten, würden sich derzeit viele Landwirtinnen und Landwirte davon abwenden, weiss John Haldemann von Agroscope. Das Forschungsinstitut hat ein Merkblatt erarbeitet, das eine Auf-listung zum sichereren Einsatz der Versiegler enthält. So sei es beispielsweise wichtig, während der Verabreichung die Zitze oben zuzuklemmen, damit der Zitzenversiegler nicht ins Euter eindringt. Weiter müsse die verabreichte Menge der Zitzengrösse angepasst und darauf geachtet werden, dass die Kühe sich nach dem Verabreichen des Produkts während 30 Minuten nichthinlegen.

Keine Alternative in Sicht

Das Problem ist zwar erkannt, aber nicht derart schnell zu beseitigen. Denn Alternativen zu Bismut scheint es derzeit keine zu geben. «Es ist eigentlich ein guter Weg zwischen Antibiotika und nichts verabreichen», sagt John Haldemann. Und deshalb gibt es derzeit auch keine andere Möglichkeit als jene der offenen Kommunikation. «Wir müssen die Betriebsleitenden so gut wie möglich darüber informieren, wie der Versiegler korrekt eingesetzt wird», bilanziert Haldemann. Denn die Suche nach einer Alternative könnte sich unter Umständen noch über Jahre hinziehen.