Seit diesem Jahr führt Urs Kocher aus Worben in Bern die Milchkontrolle bei seinen Kühen jeden Monat nur noch einmal statt zweimal durch. Bei dieser Kontrollmethode (AT4) wird alternierend, das heisst abwechselnd von Monat zu Monat einmal morgens und das nächste Mal abends, die Milch gewogen. Kocher ist mit der Kontrollmethode AT4 aber nicht zufrieden. Der Landwirt findet, dass bei der Milchkontrolle, die am Abend durchgeführt wird, zu wenig Milch dazugerechnet wird. «Diesbezüglich habe ich bei Swissherdbook schon reklamiert», so der Züchter. Er findet, dass der Milchabzug bei den Kontrollen nicht gerechtfertigt ist, und dies die Standard-Leistung seiner Kühe verfälschen würde. «Dass überhaupt ein Abzug vorgenommen wird, kann ich nicht verstehen», so Kocher.
Alex Barenco nimmt Stellung zu den Vorwürfen
Auf die Vorwürfe angesprochen, sagt Alex Barenco, Vizedirektor von Swissherdbook folgendes: «Bei der AT4-Methode werden die Einzelwägungen der Milchkontrolle zu einer Tagesmilchmenge hochgerechnet. Damit diese Hochrechnung die unterschiedlichen Bedingungen von Morgen- und Abendgemelk sowie den Einfluss von Laktationsnummer und Laktationsstadium und Milchmenge möglichst genau berücksichtigt, erfolgt sie nicht mit einem festen Faktor, sondern mittels einer Regressionsgleichung.»
In die Berechnung würden zudem die Laktationsnummer, das Laktationsstadium sowie die Zwischenmelkzeit und die Milchmenge einfliessen. «Diese Berechnungsweise wird in der Schweiz von allen Verbänden einheitlich angewendet und entspricht den Empfehlungen des Internationalen Komitees für Leistungsprüfungen in der Tierproduktion ICAR», so der Vizedirektor.
616 Regressionsgleichungen für die Hochrechnung
Durch die Berücksichtigung der Laktationsnummer, des Laktationsstadiums, der Zwischenmelkzeit, sowie der Milchmenge würden sich für die Hochrechnung von Morgen- bzw. Abendmilch auf die Gesamtmilch jeweils 616 Regressionsgleichungen ergeben. «Zur Ableitung dieser Regressionsgleichungen wird für jede mögliche Faktorstufe untersucht, wie sich unter denselben Bedingungen bei der A4-Methode die Morgen- bzw. Abendkontrolle durchschnittlich im Verhältnis zur Gesamtmilch verhält. Aus diesem Vergleich werden für jede Regressionsgleichung ein Summand und ein Faktor bestimmt», sagt Alex Barenco.
Eine Milchwägung wird plötzlich annulliert
Verstehen kann Urs Kocher auch nicht, wenn plötzlich eine Milchwägung annulliert wird. «Das ist mir bei einer Monatswägung bei drei Kühen passiert», so der Landwirt. Das heisst, die Kühe gaben bei der betroffenen Wägung deutlich mehr Milch als bei der Milchwägung im Monat zuvor. «Sie hatten gegenüber dem Vormonat eine Persistenz von über 130 %», erklärt der Züchter. Manchmal erkenne man halt nicht deutlich, dass eine Kuh krank sei.
Zum Beispiel, wenn sie eine schleichende Acetonämie aufweise. Da mache er seinen Milchwäger auch nicht darauf aufmerksam, dass dieser einen Vermerk auf dem Begleitschein machen soll. «Dass dann die Kuh im nächsten Monat deutlich mehr Milch gibt, ist für mich eine logische Konsequenz», erklärt er. Gebe hingegen eine Kuh von einer Milchkontrolle bis zur nächsten viel weniger Milch, werde die Wägung gerechnet, so Kochers Beobachtung.
«Diese Regeln dienen der Qualitätskontrolle in der Milchleistungsprüfung»
Alex Barenco erklärt es so: «Ist die Persistenz im Vergleich zur vorherigen Probe zu tief, also eine Persistenz < 50 % und nicht einfach 30 % weniger Milch, erhält der Züchter ebenfalls einen Brief. Reagiert er darauf, wird die Wägung entweder annulliert oder als beeinträchtigt markiert», hält er fest. Bei einer beeinträchtigten Probe gelte: «Gibt die Kuh bei der nächsten Milchkontrolle wieder deutlich mehr Milch, wird die ‹verdächtige› Wägung nachträglich ausgeschlossen. Erfolgt keine Reaktion des Züchters, gehen wir davon aus, dass die tiefere Wägung korrekt ist», so der Vizedirektor.
Der Grund, weshalb Fehlerbriefe bei +40 % und −50 % Leistung versendet werden, liege darin, dass die natürliche Laktationskurve über den gesamten Verlauf hinweg im Durchschnitt eine Persistenz von etwa 90 % aufweist. «Diese Regeln dienen der Qualitätskontrolle in der Milchleistungsprüfung. Sie verhindern, dass verdächtige Wägungen in die Datenbank aufgenommen oder in die Zuchtwertschätzung einbezogen werden», stellt Barenco klar.
Nachgefragt: «Wir erhalten nur sehr selten Anfragen und noch seltener Reklamationen»
Viele Züchter führen die Milchkontrolle nur noch einmal, statt zweimal durch. Können Sie kurz erklären, was der Unterschied ist?
Alex Barenco: Hier wird die AT4-Methode angesprochen. Bei AT4 werden die Milchmenge und die Probenahme nur bei einem Gemelk durchgeführt, wobei die Erhebung abwechselnd einmal am Morgen und das nächste Mal am Abend erfolgt. Bei anerkannten elektronischen Milchmengenmessgeräten kann die Tagesmilchmenge direkt vom Computer übernommen werden (ATM4). Beim Mehrtagesmittel wird die Milchmenge in der Regel aus dem Durchschnitt der letzten vier bis sieben Tage ermittelt (ATM4/7d, AZ4, BZ4). Dieses Verfahren findet sowohl in Roboterbetrieben als auch in Melkständen Anwendung. [IMG 2]
Machen viele Züchter von diesem Angebot Gebrauch?
Rund 75 % der Kontrollen erfolgen nach den Methoden AT4, ATM4 und ATM4/7d, wobei die AT4-Kontrollen etwa 90 % davon ausmachen. Etwa 7 % der Kontrollen basieren auf den Methoden AZ4 und BZ4 (Roboterbetriebe). Schliesslich werden noch rund 18 % der Milchkontrollen nach der klassischen A4-Methode durchgeführt, bei der sowohl morgens als auch abends die Milchmenge erhoben wird.
Hat eine Kuh von einer Kontrolle zur nächsten eine Persistenz von über 130 %, wird die Milchkontrolle annulliert. Warum ist das so?
Das ist nicht der Fall. Weist eine Kuh eine Persistenz auf, die im Vergleich zur erwarteten Laktationskurve zu hoch ist (Persistenz > 140 %, nicht 130 %), und ist die vorherige Probe nicht als beeinträchtigt registriert, wird bei der Milchkontrolle ein Fehlerbrief an den Züchter ausgelöst. Reagiert der Züchter rechtzeitig auf diesen Brief und bestätigt die höhere Produktion, wird die Milchkontrolle freigegeben und für die Laktation angerechnet. Erfolgt keine Reaktion oder wird die Milchmenge nicht bestätigt, wird die betreffende Wägung endgültig ausgeschlossen.
Gibt es aus der Züchterschaft viele Reklamationen betreffend den Milchwägungen und dem System?
Zum Fehlerbriefversand erhalten wir vereinzelt Anfragen oder Reklamationen. Diese stehen jedoch eher im Zusammenhang mit dem Aufwand, den die Briefe bei den Züchtern verursachen, als mit Fragen zu Über- oder Untermengen. Zur AT4-Methode erreichen uns nur sehr selten Anfragen und noch seltener Reklamationen. Wir können betroffene Züchter jedoch gerne darauf hinweisen, dass es sich bei der AT4-Methode um eine Hochrechnung handelt und die exakte Tagesmilchmenge ausschliesslich mit den weiteren anerkannten Methoden A4, ATM4, ATM4/7d, AZ4 und BZ4 ermittelt werden kann.